Paris Die Reaktion aus Paris auf die Ausschreitungen vor der französischen Botschaft in Nigers Hauptstadt Niamey am Wochenende war deutlich: Präsident Emmanuel Macron „werde keine Angriffe auf Frankreich und seine Interessen dulden“, teilte der Élysée-Palast mit. Jeder Angriff auf Frankreichs Staatsbürger, Diplomaten und Einrichtungen werde „sofort und unnachgiebig“ beantwortet.
Die Demonstranten in Niamey riefen Berichten zufolge „Nieder mit Frankreich“, rissen das Schild der Botschaft ab und legten ein Feuer.
Macrons Regierung unterstützt den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum, den das Militär in der vergangenen Woche entmachtet hatte.
Für Frankreich steht viel auf dem Spiel: Nach den Putschen in Mali und Burkina Faso setzte Paris auf den Niger als letzten Stabilitätsanker in der Sahelzone, um die Bedrohung durch Islamisten und den zunehmenden Einfluss Russlands in der instabilen Region einzudämmen. Dazu kommt, dass Niger ein wichtiger Uranlieferant für die französischen Atomkraftwerke ist.
Erst Anfang Mai hatte der vom französischen Staat kontrollierte Orano-Konzern mit der Regierung in Niamey ein Abkommen über den künftigen Abbau der Uranvorkommen im Nordwesten des Landes unterzeichnet. Orano-Chef Nicolas Maes sagte damals, der Deal unterstreiche „die wichtige Rolle des Niger in der weltweiten Uranindustrie“.
Ein Viertel des Urans für Europa stammt aus dem Niger
Nach Angaben der World Nuclear Association (WNA), einer internationalen Lobbyorganisation der Atombranche, wurden im Niger vergangenes Jahr rund 2000 Tonnen Uran abgebaut – fünf Prozent der weltweiten Förderung. Niger ist der siebtgrößte Produzent des radioaktiven Materials, das für die Kernenergie, militärische Zwecke sowie in Medizin und Forschung verwendet wird.
Für Europa ist die Bedeutung des Uranlieferanten Niger allerdings größer. Der EU-Atombehörde Euratom zufolge stammt rund ein Viertel des in die Europäische Union importierten Urans aus dem westafrikanischen Land.
Frankreichs Nuklearindustrie versucht seit einigen Jahren, sich bei der Herkunft des Kernbrennstoffs breiter aufzustellen. Orano erklärte, dass die Lieferungen aus dem Niger weniger als zehn Prozent des Uranbedarfs der französischen Atomkraftwerke ausmachen würden. Frankreich hält zudem Reserven an Uran für mehrere Jahre vor, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
In seiner Erklärung hob Orano hervor, dass der Abbau ungeachtet der „Sicherheitsereignisse“ im Niger weitergehe. Die Zeitung „Le Monde“ zitierte einen Kenner des Konzerns mit den Worten, für Frankreich sei die Lage in dem Land „eher ein geopolitisches Problem als ein Problem bei der Versorgung mit Uran“.
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Frankreich hatte bereits verbündete Regierungen in Mali und Burkina Faso durch Machtübernahmen des Militärs verloren. Auch im Tschad und in Zentralafrika erodierte der Rückhalt für Paris.
Der Niger galt nach dem Scheitern der von Mali aus geführten Militärmission „Barkhane“ gegen Terrorgruppen und islamistische Rebellen als letzter Garant für die französische Militärpräsenz in der Krisenregion.
Nun ist die künftige Präsenz der rund 1500 französischen Soldaten auch in diesem Land gefährdet. Als Reaktion auf den Putsch setzte die französische Regierung ihre Finanz- und Militärhilfe für den Niger aus. Das Außenministerium in Paris forderte die „sofortige Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung unter Präsident Mohamed Bazoum, der von den Nigrern gewählt wurde“.
Wachsender Einfluss Russlands in der Sahelzone
Das Wort der Franzosen hat allerdings immer weniger Gewicht in der Sahelzone, die zu einem Nebenschauplatz der Auseinandersetzung mit Russland geworden ist. In mehreren Ländern der Region haben Söldner der russischen Wagner-Miliz Quartier bezogen.
Moskau habe in Afrika „einen antikolonialen Diskurs reaktiviert, der sich insbesondere gegen Frankreich richtet“, sagte Arnaud Dubien, Experte für afrikanisch-russische Beziehungen am Thinktank Institut de Relations Internationales et Stratégiques, der Zeitung „Le Figaro“.
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Russlands Rolle bei dem Umsturz im Niger ist unklar. Bei den Protesten in Niamey schwenkten die Demonstranten allerdings russische Flaggen und skandierten „Lang lebe Putin“. Ähnliche Szenen hatte es in den vergangenen Jahren auch in Mali und anderen Ländern der Sahelzone gegeben.
Bei einer Afrikareise im Frühjahr hatte Macron ein neues Kapitel im Umgang mit den früheren Kolonien angekündigt. Frankreich wolle eine „ausgewogene und verantwortungsvolle“ Partnerschaft aufbauen und „bescheidener“ auftreten. An der antifranzösischen Stimmung, das verdeutlichen die Ereignisse im Niger, hat Macrons Versprechen wenig geändert.
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