Salvador Der Außenhandel der EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ist seit 2012 kaum gewachsen. Das zeigt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Sie liegt dem Handelsblatt exklusiv vor.
Demnach betrug der Außenhandel zwischen den Mercosur-Ländern und der EU 123 Milliarden Euro im Jahr 2022. Der Handel der Südamerikaner mit China hat sich dagegen in dem Jahrzehnt fast verdoppelt: 192 Milliarden betrug er im vergangenen Jahr, das waren 56 Prozent oder 70 Milliarden Euro mehr als das Handelsvolumen zwischen EU und der Staatengemeinschaft.
„Die Mercosur-Staaten sind inzwischen viel weniger auf die EU angewiesen als früher, da mit China ein alternativer Handelspartner herangewachsen ist“, beobachtet das IW und folgert: „Die EU könnte es sich nicht leisten, den Zugang zu den Rohstoffen und Agrarprodukten der Mercosur-Staaten zu verlieren.“
Dabei verhandelt die EU mit dem südamerikanischen Staatenbund schon seit 20 Jahren über ein Abkommen – ohne zu einem Abschluss zu kommen. Laut IW in Köln wird das vor allem geopolitisch immer mehr zu einem Problem für die EU – denn sie wird immer stärker von China abgehängt.
Die EU müsse deshalb Kompromissbereitschaft zeigen, fordern die Autoren der Studie. Aufgrund des schwachen Außenhandels sei die Verhandlungsposition der EU geschwächt. Laut IW sind die Mercosur-Staaten zwar lediglich die Nummer elf im Ranking der Handelspartner der EU. Doch die geoökonomische Bedeutung eines Abkommens reicht demnach viel weiter.
EU könnte von „first mover advantage“ profitieren
Einerseits seien die südamerikanischen Staaten als Demokratien Wertepartner. Andererseits unterstreiche die neue EU-Strategie des Deriskings die Wichtigkeit von Handelspartnern jenseits von China. Der Staatenbund sei zudem für eine Wirtschaftspartnerschaft mit der EU besonders attraktiv, weil die Südamerikaner bislang noch kein relevantes Handelsabkommen mit anderen Staaten oder Regionen abgeschlossen hätten.
Wegen der hohen Handelsbarrieren seien die südamerikanischen Länder ein relativ geschlossener Markt. Bei „einem Abkommen könnte die EU somit von einer Art ,first mover advantage’ profitieren”, analysiert das IW. Das Abkommen mit dem Mercosur sei damit ein Test dafür, „wie ernst es der EU mit der ausgerufenen Diversifikation ist“.
Bei den Verhandlungen soll die größte Freihandelszone der Welt entstehen mit 770 Millionen Menschen. Doch die Ratifizierung des Abkommens mit dem südamerikanischen Staatenbund zieht sich weiter hin. Die Europäer wollen Umweltstandards in das bereits 2019 beschlossene, aber danach nicht ratifizierte Abkommen aufnehmen. Südamerika möchte Ausnahmen für staatliche Industriepolitik einbringen.
Die Mercosur-Staaten exportieren sowohl in die EU als auch nach China vor allem industrielle Rohstoffe (Erze) und Agrargüter (Soja und Derivate) sowie Öl. Wegen seiner landwirtschaftlichen Barrieren importiert Europa weniger Fleisch und Soja als China aus Südamerika. Umgekehrt exportieren China wie die EU vor allem Maschinen, Anlagen sowie elektronische Geräte nach Südamerika. Aus der EU kommen derzeit noch mehr Fahrzeuge und Pharmaprodukte.
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So dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch China etwa beim Export von Autos nach Südamerika die EU einholen wird. Auch daher wäre das Mercosur-Abkommen für die EU besonders wichtig: Denn als einer der bereits ausgehandelten Punkte würden für europäische Autobauer die hohen Importzölle für Pkw von 35 Prozent sinken. Damit hätten europäische Hersteller in Südamerika einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Das Gleiche gilt für die Pharmabranche.
Mercosur-Staaten weniger auf EU angewiesen
Der wachsende Einfluss Chinas zeigt sich nicht nur in den Handelsbeziehungen. Auch bei den Direktinvestitionen hat China stark zugelegt. Mit Uruguay und Argentinien hat Peking bereits Abkommen im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative abgeschlossen.
Doch auch in Brasilien, das eines der wenigen Staaten Lateinamerikas ist, die bisher kein formelles Abkommen mit China vereinbart haben, haben die Direktinvestitionen vor allem in den Stromsektor massiv zugenommen.
„China stellt die EU also nicht nur als Absatzmarkt für die Rohstoffe und Agrarprodukte der Mercosur-Staaten in den Schatten“, folgert das Institut. „Auch auf der Importseite macht China der EU dort zunehmend harte Konkurrenz – und das auch bei hochtechnologischen Produkten, auf die die EU spezialisiert ist.“ Den mit Abstand größten Anteil haben daran elektrische Maschinen, Bild- und Tonwiedergabegeräte mit knapp 29 Prozent. Weitere wichtige Importgüter aus China sind auch Kernreaktoren, Kessel, Maschinen, Apparate und mechanische Geräte.
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In den nächsten Tagen will der Mercosur einen Gegenvorschlag zu den Änderungswünschen der EU einreichen. Für das IW muss die EU jetzt ein Zeichen setzen: „Sie sollte sich mit Hochdruck und Kompromissbereitschaft um einen schnellen Abschluss der Verhandlungen bemühen.“
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