Athen Für die Anleger war es ein Albtraum: Während der griechischen Staatsschuldenkrise stürzte der Athener Aktienindex von 2200 auf 820 Zähler ab. Von griechischen Staatsanleihen sprachen Investoren damals spöttisch als Ouzo-Bonds – weil die Rendite der Schuldpapiere infolge der extremen Risikozuschläge mit 40 Prozent ähnlich hoch war wie der Alkoholgehalt des griechischen Nationalschnapses.
Aber jetzt kennen die Kurse an der Akropolis-Börse nur eine Richtung: Es geht steil aufwärts. Seit Jahresbeginn verzeichnet der Leitindex Athex Composite ein Plus von 40,5 Prozent. Damit gehört der griechische Aktienmarkt zu den besten Performern weltweit.
Die Börsenrally zeigt: Griechenland, das noch vor acht Jahren mit Milliardenkrediten der Euro-Partner vor der drohenden Staatspleite gerettet werden musste, ist wieder da. Das Land liegt beim Wirtschaftswachstum in der Spitzengruppe der EU-Staaten, hat seinen Haushalt konsolidiert und reduziert seine Schuldenquote schneller als jedes andere Land der Euro-Zone. Der neue Athener Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Chatzidakis stellt zufrieden fest: „Wir sind nicht mehr das schwarze Schaf Europas.“
Die Stimmung könnte besser kaum sein. Der allmonatlich vom Forschungsinstitut IOBE ermittelte Geschäftsklimaindex stieg im Juli auf 111,1 Punkte. In Deutschland dagegen fiel der vergleichbare Ifo-Index auf 87,3 Zähler. Während sich die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert und die Erwartungen immer pessimistischer werden, herrscht in Hellas Euphorie.
Darauf werden auch immer mehr ausländische Investoren aufmerksam. Nach Berechnungen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg sind in den ersten vier Monaten dieses Jahres 3,4 Milliarden Euro aus dem Ausland in griechische Aktien und Anleihen geflossen. Bis zum Jahresende dürfte sich der Zufluss nach Schätzung von Marktbeobachtern auf über zehn Milliarden Euro erhöhen.
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Mit dem klaren Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia (ND) bei den Wahlen Ende Juni und der Fortsetzung der Einparteienregierung unter dem bereits seit 2019 amtierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis hat sich das einstige Krisenland politisch weiter stabilisiert.
Davon profitieren auch griechische Staatsanleihen. Die steigende Nachfrage nach den Papieren treibt die Kurse und drückt spiegelbildlich die Rendite. Sie liegt für den zehnjährigen Bond aktuell bei 3,87 Prozent. Zum Vergleich: Die Rendite der zehnjährigen italienischen Bonds ist 43 Basispunkte höher.
Bemerkenswert ist die Differenz, weil italienische Staatsanleihen als investitionswürdig eingestuft werden, während die griechischen Papiere bei allen großen Ratingagenturen immer noch Ramsch-Status haben.
Die steigenden Aktien- und Anleihekurse signalisieren wachsendes Vertrauen der Investoren in die politische und wirtschaftliche Zukunft des Landes. Der 55-jährige Mitsotakis kann nach der Wahl vom Juni seinen wirtschaftsfreundlichen Reformkurs für mindestens weitere vier Jahre fortsetzen, gestützt auf eine absolute Mehrheit im Parlament.
Angesichts des desolaten Zustands der linken Oppositionspartei Syriza ist aus heutiger Sicht auch nicht zu erkennen, wer Mitsotakis 2027 eine dritte Amtszeit streitig machen könnte. Zumal die Wirtschaft brummt und die chronisch hohen Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Seit Mitsotakis‘ Amtsantritt im Sommer 2019 fiel die Arbeitslosenquote von 17,6 auf 11,1 Prozent, die Zahl der Jobs wuchs im selben Zeitraum um 19 Prozent.
Eine Rezession ist in Hellas nicht in Sicht. Die Europäische Zentralbank prognostiziert Griechenland für dieses Jahr ein Wachstum von 2,4 Prozent. Das wäre mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt der Euro-Zone. Bereits 2022 legte das Bruttoinlandsprodukt um 5,9 Prozent zu, 2021 waren es sogar 8,4 Prozent. Die Investitionen stiegen seit Mitsotakis‘ Amtsantritt 2019 um 44 Prozent.
Auch die Sanierung der Staatsfinanzen kommt gut voran: Im Primärhaushalt, der den Schuldendienst ausklammert, erwirtschaftete Griechenland in den ersten sechs Monaten einen Überschuss von 2,1 Milliarden Euro, gegenüber einem Defizit von 3,4 Milliarden im Vorjahreszeitraum.
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Das Wirtschaftswachstum und die fiskalische Konsolidierung helfen beim Schuldenabbau. Im Corona-Jahr 2020 hatte die Staatsverschuldung mit 206,3 Prozent der Wirtschaftsleistung einen Rekord erreicht. Im ersten Quartal 2023 betrug die Quote laut Eurostat noch 168,3 Prozent. Bis 2026 will die Regierung sie auf 135,2 Prozent zurückführen. Wirtschafts- und Finanzminister Chatzidakis verspricht, „am Kurs der fiskalischen Stabilität festzuhalten und mit Entschlossenheit alle nötigen Reformen umzusetzen“.
Adressiert ist das Versprechen vor allem an die Analysten der Ratingagenturen. Als einziges Land der Währungsunion gehört Griechenland nicht zum Kreis der investitionswürdigen Schuldner. Marktbeobachter erwarten, dass mindestens zwei der vier großen Ratingagenturen dem Land noch vor Ende des Jahres das im Frühjahr 2010 entzogene Gütesiegel Investmentgrade wieder zusprechen werden.
Bei den Agenturen Fitch, Standard & Poor’s, DBRS Morningstar und Scope liegt Griechenland nur noch eine Stufe unter dem Investmentgrade. Ein Upgrade würde nicht nur die Refinanzierung für den Staat verbilligen. Auch griechische Unternehmen hätten es dann leichter, Kredite aufzunehmen und Bonds am Kapitalmarkt zu platzieren.
„Griechenland wird in den nächsten zwölf Monaten auf den Titelseiten sein“, prognostiziert Marshall L. Stocker, Portfolio-Manager für Schwellenmärkte bei Morgan Stanley. Auch der Athener Aktienmarkt bleibt im Fokus. Denn eine Heraufstufung zum Investmentgrade könnte den Weg ebnen zur Rückkehr der Athener Börse in die Liga der entwickelten Märkte. 2013, während der Finanzkrise, hatten die Indexbetreiber das Land zu einem Schwellenmarkt herabgestuft.
Ein Upgrade würde die Nachfrage nach griechischen Aktien beflügeln. Zumal die meisten Papiere trotz der jüngsten Rally noch relativ billig sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Index MSCI Greece liegt auf Sicht der kommenden zwölf Monate bei nur 8,5. Zum Vergleich: Das durchschnittliche KGV der Schwellenmärkte beträgt 12,1 und das der entwickelten Märkte sogar 16,3. Finanzmarktanalysten sehen deshalb noch Potenzial für weiter steigende Kurse an der Akropolis.
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