Berlin Nach einer neuen Studie ist die Menge des Plastikmülls in den Meeren deutlich größer als bislang angenommen. Allerdings ist auch die Menge, die jährlich hinzukommt, deutlich kleiner als bisher vermutet.
Zu diesen Ergebnissen kommt ein niederländisches Forschungsteam, das die Plastikströme in die Ozeane modelliert und die Ergebnisse im Fachjournal „Nature Geoscience“ veröffentlicht hat.
Die Erklärung: Plastik bleibt offenbar deutlich länger im Meer, als bisherige Schätzungen vermuten ließen.
Nach dem Modell der niederländischen Forscher beträgt die Plastikmenge in den Meeren 3,2 Millionen Tonnen, frühere Schätzungen kamen lediglich auf etwa 0,3 Millionen Tonnen. Dazu kommt, dass die neue Studie Plastik, das bereits zum Meeresboden abgesunken ist, nicht berücksichtigt hat.
Zugleich schätzen die Autoren die Menge, die jährlich zusätzlich im Meer landet, auf 0,5 Millionen Tonnen. Fast die Hälfte davon stammt aus der Fischerei, rund 40 Prozent gelangt über Küsten in die Meere, der Rest über Flüsse.
Selbst wenn plötzlich kein zusätzliches Plastik in die Meere kommen würde, würde die Plastikmenge nur sehr langsam weniger werden, schreiben die Autorinnen und Autoren des niederländischen Teams.
Andere Forscher weisen darauf hin, dass es enorm kompliziert sei, die Menge des Plastikmülls abzuschätzen. Die neue Studie sei daher ein „Meilenstein“, sagt etwa Umweltforscherin Serena Abel von der Universität Basel.
Coca-Cola, Kia und Hyundai sponsern das Ocean-Cleanup-Projekt
Dass zu viel Plastik in der Natur landet, macht den Deutschen von allen Umweltproblemen am meisten Sorgen, sogar vor dem Klimawandel. Nach einer Umfrage des Umweltbundesamtes bezeichnen 61 Prozent der Befragten dies als bedrohlich.
Seit einigen Jahren gibt es verstärkte Anstrengungen, Plastikmüll wieder aus dem Meer zu entfernen. Besonders bekannt wurde das The-Ocean-Cleanup-Projekt des Niederländers Boyan Slat. Aus dem eingesammelten Müll werden seit Oktober 2022 Sonnenbrillen produziert.
Das Projekt wird von diversen Unternehmen wie Coca-Cola, Kia und Hyundai gesponsert. 2023 erhielt es die bisher größte private Spende in Höhe von 25 Millionen US-Dollar von Joe Gebbia, Mitbegründer von Airbnb.
Trotz der großen Menge an Plastikmüll im Meer sehen Forscher solche Initiativen kritisch: „Bevor wir aufwendig und teuer Plastik aus dem Meer fischen, müssen wir den Hahn zudrehen“, sagt etwa Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven.
Forscher fürchten Greenwashing und fordern mehr Müllvermeidung
Zudem befürchteten viele Forschende, „dass diese Technologien zum Greenwashing beitragen, wenn große Plastikproduzenten sie finanzieren, um weiteres Wachstum zu rechtfertigen“, sagt Bergmann.
Auch Christian Schmidt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg hält Clean-up-Aktionen im Meer für „sinnlos“. Die Ressourcen seien „an der Quelle viel besser eingesetzt, völlig unabhängig davon, ob tatsächlich etwa zehnmal mehr Plastik im Wasser der Ozeane ist als bisher angenommen.“
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Allein der größte Müllstrudel der Welt, der „Great Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik, habe eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern – das ist fast fünfmal so groß wie Deutschland.
„Man würde nie fertig werden“, sagt Schmidt. Aufräumaktionen an Stränden seien da sinnvoller, da so verhindert würde, dass Material wieder ins Meer gespült wird. Höchste Priorität müsse aber haben, Abfälle zu vermeiden, etwa durch die Reduzierung von Einwegplastik und Abfallmanagement.
Zudem könnten die Clean-up-Initiativen im Meer sogar negative Auswirkungen haben, sagt AWI-Forscherin Bergmann. „Wenn sogenannte Clean-up-Systeme im nötigen Maßstab im Ozean eingesetzt würden, würden die meisten von ihnen aktuell zu viele CO2-Emissionen und Sterblichkeit der mitgefangenen Tiere verursachen, statt ökologische Probleme zu lösen“, warnt sie.
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