San Francisco Es sieht aus wie Bier, es schäumt und perlt wie Bier, und nach Aussagen von Testern schmeckt es auch so. Ein helles, leichtes Blondes, hergestellt im Kölsch-Stil – von einer richtigen Brauerei. Das Besondere daran: Dieses Bier zu verkaufen wäre derzeit noch illegal.
In Kalifornien braut sich was zusammen. Die Firma Epic Onewater aus San Francisco hat mehrere Tausend Dosen davon abgefüllt. Das ging nur mit einer Sondergenehmigung, kommerziell vermarkten darf der Hersteller von Wasseraufbereitungsanlagen das Getränk nicht. Das dürfte auch nie die Idee gewesen sein, stattdessen geht es um die Technik, mit der Epic Onewater Geschäfte macht.
Denn das gereinigte Wasser für den Brauvorgang kommt aus einem Hochhauskeller in San Francisco. Und behandelte Abwässer dürfen trotz höchster Standards laut Gesetz nicht direkt als Trinkwasser genutzt werden. Sie müssen zuerst in ein Reservoir fließen, bevor es von dort ins öffentliche Trinkwassersystem geht. Ein teurer und langwieriger Umweg, gerade im von Dürre geplagten Kalifornien.
Doch die Vorschriften für gereinigtes „Grauwasser“ sollen sich bald ändern. Mit dem Begriff sind alle Haushaltsabwässer gemeint, die nicht mit Fäkalien oder gefährlichen Chemikalien verschmutzt sind – also Wasser aus Duschen, Badewannen, Geschirrspülern oder Waschmaschinen. Das übrige Abwasser nennen Fachleute „Schwarzwasser“, es muss in großen Kläranlagen aufwendig gesäubert werden.
Für kalifornisches Grauwasser liegt ein Entwurf vor, der die direkte Einleitung von höchstgeklärtem Brauchwasser in die Trinkwassersysteme von Städten und Gemeinden erlauben würde. Das State Water Resources Control Board ist per Gesetz verpflichtet, bis Jahresende darüber abzustimmen. Auch andere von Dürre betroffene Bundesstaaten wie Texas, New Mexico oder Arizona feilen an entsprechenden Gesetzen.
Gebäude in San Francisco müssen Abwasser nutzen
Bis zu 50 Prozent der täglichen Abwässer aus Haushalten ließen sich so einfacher wiederverwenden, schätzen Experten. Und da die Kosten der Wasseraufbereitung Jahr für Jahr zunehmen, lohnt sich die Grauwasser-Nutzung auch finanziell. Die Stadt San Francisco schreibt nun sogar vor, dass alle neuen Gebäude mit mehr als 9000 Quadratmeter Wohn- oder Bürofläche Abwasserreinigungsanlagen für Grauwasser haben müssen. Moderne Anlagen brauchen dabei nicht mehr Raum als ein paar Pkw-Parkplätze und kosten zwischen einigen Hunderttausend bis einige Millionen Dollar.
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Der nächste Schritt wäre, das gereinigte Wasser vor Ort für mehr zu verwenden als Rasensprengen oder Toilettenspülungen – zum Beispiel für Bier. Das Wasser für das probeweise hergestellte Gebräu kommt aus den Abwasserrohen von „Fifteen Fifty“, ein neues Hochhaus in San Franciscos Mission District mit 40 Stockwerken und Luxuswohnungen. Die Mieten für eine Zweizimmerwohnung beginnen bei knapp 5000 Dollar im Monat.
Angewandt werden Reinigungs- und Filtertechnologien, die Epic Onewater geliefert hat. Zuerst eine biologische Behandlung und Feststoffentfernung, dann mehrere Filterstufen, Desinfektion durch ultraviolette Bestrahlung, Behandlung mit Ozon und Chlor.
Das Potenzial ist gewaltig: Haushalte und Büros verbrauchten weltweit rund 14 Prozent allen Trinkwassers, sagt Aaron Tartakovsky, CEO und Mitgründer vom Epic Onewater, gegenüber CNN. „Und praktisch keines davon recycelt dieses Wasser. Das wollen wir ändern.“ Allerdings dürften die Reinigungstechnologien vor allem für Neubauten infrage kommen, denn kaum ein bestehendes Gebäude verfügt über getrennte Abflüsse für Grau- und Schwarzwasser. Und den Aufwand, Wände und Böden für einen Umbau aufzureißen, dürfte kaum ein Immobilienbesitzer eingehen wollen.
Abwasser im eigenen Keller reinigen
Dennoch: So wie Solarmodule die Stromerzeugung aus Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken teilweise in die Häuser zurückgeholt hat, will Tartakovsky Wasser wieder am Verbrauchsort aufbereiten. Bisher schloss auch die Weltgesundheitsorganisation die Grauwasser-Verwendung weitgehend aus. Doch mit der rasanten Entwicklung der Technologien und dem steigenden Bedarf an Frisch- und Trinkwasser diskutiert die WHO eine Überarbeitung ihrer seit 2006 geltenden Empfehlungen.
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Die Politik in Kalifornien hat sich jedenfalls bereits festgelegt. „Wasserrecycling“, sagt Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, „ist wie neues Wasser finden, statt einfach nur zuzusehen, wie es immer weniger wird.“ Sein Ziel bis 2030: eine Milliarde Kubikmeter Wasser pro Jahr zu recyclen. Bis 2040 sollen es fast 1,8 Milliarden Kubikmeter werden, die die gigantischen unterirdischen Wasserlagerstätten Kaliforniens auffüllen werden. Sie wurden über Jahrzehnte von Landwirtschaft, Städten und Unternehmen leer gepumpt und haben bedenkliche Tiefststände erreicht.
Eine große Testanlage gibt es bereits. Das „Pure Water Southern California Demonstration Plant“ hat 2019 den Betrieb aufgenommen und reinigt vorbehandeltes Wasser so, dass es direkt zurück in den Trinkwasservorrat fließen kann. Die vorhandenen Technologien laufen hier auf industriellem Maßstab und sollen im Regelbetrieb täglich 570 Millionen Liter auf Trinkwasserqualität bringen. Das wäre genug für gut 500.000 Haushalte im notorisch wasserknappen Los Angeles.
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