Rzeszow Der Kampf der Ukraine gegen die russischen Stellungen im Süden ist zäh: Der Westen hat für die Offensive zwar Ausrüstung inklusive Kampfpanzern für Milliarden Dollar geliefert. Doch bisher sorgt diese für keinen entscheidenden Durchbruch, nicht zuletzt wegen Russlands Überlegenheit in der Luft.
Die Ukraine fordert daher schon seit Monaten die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen. In dieser Frage hat Kiew nun konkrete Zusagen erhalten. Der ukrainische Staatschef Wolodimir Selenski war am Sonntag in den Niederlanden und in Dänemark zu Gast.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sicherte Selenski zu, F-16 zu liefern, sobald die Ausbildung der Piloten abgeschlossen sei. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen machte eine klarere Ansage: Dänemark werde der Ukraine 19 F-16-Kampfjets liefern – die ersten sechs Flugzeuge, wenn möglich, bereits um den Jahreswechsel. Der Plan sei, acht im kommenden Jahr zu liefern und fünf weitere im Jahr darauf, sagte Frederiksen in Anwesenheit Selenskis weiter.
Erst vor wenigen Tagen hatten die USA den Niederlanden und Dänemark formal zugesagt, einer Weitergabe ihrer Maschinen an die Ukraine rasch zuzustimmen. Beide Länder planen, ihre alternden F-16 bald durch die moderneren F-35 zu ersetzen. Ihre Luftwaffen verfügen insgesamt über 72 „Fighting Falcons“. Weltweit sind etwa 3000 Stück des erstmals in den 70er-Jahren produzierten Flugzeugs im Einsatz.
Auch wenn die ersten F-16 erst im Oktober eintreffen, hat eine Koalition von elf Ländern im August begonnen, ukrainische Piloten daran auszubilden. Dies soll zunächst in Dänemark geschehen, später auch in einem speziellen Zentrum in Rumänien. Laut der dänischen Ministerpräsidentin Frederiksen werden derzeit 70 ukrainische Piloten an den Flugzeugen geschult.
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Gemäß amerikanischen Plänen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, wird das abgekürzte Training vier bis fünf Monate dauern. Damit ist klar, dass die westlichen Kampfjets frühestens 2024 in den Krieg eingreifen können und für die gegenwärtige Offensive keine Rolle mehr spielen werden.
Weitere Verzögerungen sind nicht ausgeschlossen: So hat Kiew laut amerikanischen Behördenvertretern Probleme, Piloten zu finden, die genügend Englisch sprechen, um die Ausbildung zu absolvieren. Deshalb sollen weitere 20 nun erst einmal nach Großbritannien geschickt werden, um die Sprache zu lernen.
Die F-16 bieten den Ukrainern den Vorteil, dass sie moderner sind als ihre bestehenden Jets, über leistungsstärkere Radare verfügen und effektiver mit westlichen Luft-Luft- und Luft-Boden-Raketen sowie Marschflugkörpern bewaffnet werden können. Damit eignen sie sich sowohl zur Bekämpfung von Zielen an der Front als auch zur Verteidigung von Städten gegen Angriffe im Hinterland.
Allerdings bleiben die F-16 den modernsten russischen Kampfjets unterlegen, was die Reichweite von Radaren und Raketen betrifft. Die Flugzeuge stellen auch deshalb keine Superwaffen dar, weil sie nicht für den Einsatz auf improvisierten Start- und Landefeldern gebaut wurden und viel Wartung benötigen.
Vor ihrem Einsatz muss deshalb idealerweise geklärt werden, woher Techniker und Ersatzteile kommen und wie diese in die Ukraine gelangen. Naheliegend wäre, dass die USA hier eine führende Rolle spielen. Jedoch hat Präsident Biden bisher vermieden, Armeeangehörige oder mit dem Militär kooperierende Spezialisten in größerer Zahl ins Kriegsland zu entsenden, um das Eskalationspotenzial zu minimieren. F-16-Basen wären prioritäre Ziele russischer Luftangriffe.
Kampfhelikopter sind gefürchtet
Die Ukrainer hoffen, dass ihnen die westlichen Jets mehr Mittel gegen die Luftüberlegenheit der Russen geben. Besonders deren Kampfhelikopter sind an der Front gefürchtet und führen zu Verlusten.
Wie groß diese sind, bleibt zwar weiterhin ein Staatsgeheimnis. Anonyme amerikanische Behördenvertreter nannten gegenüber der „New York Times“ am Freitag aber die Zahl von einer halben Million Toten und Verletzten auf beiden Seiten.
Die Russen hätten bis zu 120.000 Gefallene zu beklagen, die Ukrainer 70.000. In die Höhe schossen die Verluste während der Kämpfe um Bachmut, doch auch während der seit Juni laufenden Offensive sollen bereits Tausende getötet und verwundet worden sein.
Westliche Experten bezweifeln deren Erfolgsaussichten zunehmend. Die „Washington Post“ publizierte am Freitag einen vertraulichen Bericht der amerikanischen Geheimdienste, wonach die Ukrainer Melitopol dieses Jahr nicht mehr erreichen dürften.
Die Stadt ist eine logistische Drehscheibe der Besatzer. Ihre Befreiung könnte die Versorgung der Krim entscheidend erschweren. Doch zwischen Melitopol und Robotyne, dem jüngst nach schweren Kämpfen eroberten Ort an der Front, liegen fast hundert Kilometer. Der ukrainische Außenminister ließ Kritikern gehässig ausrichten, sie sollten sich doch als freiwillige Kämpfer der Internationalen Legion melden, wenn ihnen der Vorstoß zu langsam erscheine.
Die schwierige Lage führt in den USA dazu, dass einige Republikaner drohen, weitere Milliardenhilfen zu blockieren. Andere Politiker beider Parteien werfen Biden gemäß der „Washington Post“ vor, dass er zu lange mit der Lieferung von Kurzstreckenraketen und F-16 gezögert habe.
Militärexperten glauben, dass Kiew angesichts der hohen Verluste inzwischen vorsichtiger geworden ist bei seinen Angriffen. Die Kritik aus den USA, so seien die Ziele der Offensive nicht zu erreichen, sorgt bei den Ukrainern für Irritation. Gleichzeitig sind sie nicht bereit, Gebietsabtretungen in Erwägung zu ziehen, die jüngst sogar der Bürochef des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg im Gegenzug für eine Mitgliedschaft in der Allianz zur Diskussion stellte.
Die Dilemmata für die Ukrainer und den Westen werden angesichts eines sich auf unabsehbare Zeit hinziehenden Krieges nicht kleiner.
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