Berlin Wie massiv Künstliche Intelligenz das Geschäftsmodell von Unternehmen verändert, hat kürzlich die Agenturgruppe Serviceplan aus München gezeigt. In nur wenigen Tagen produzierte die Agentur nach eigenen Angaben einen Werbefilm – ohne einen einzigen Menschen hinter der Kamera.
„KI hat das Potential, unser Geschäft völlig zu verändern“, sagt Inhaber Florian Haller dem Handelsblatt. Wenn die Mitarbeiter weniger filmen und fotografieren müssten, steigere das die Effizienz. Filmen und Fotografieren – das gehört zum Kerngeschäft der Branche.
Das Unternehmen ist mit seiner Einschätzung nicht alleine. Die zunehmende Bedeutung der Technologie zwingt Unternehmen in Deutschland, ihr Geschäftsmodell umzubauen.
Mehr als jede achte Firma plant bereits konkrete Änderungen. Das ergibt eine aktuelle Civey-Umfrage unter 1.006 privatwirtschaftlichen Entscheidern im Auftrag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. In der Agentur-, Verlags-, Berater- und Marketingbranche ist es laut einer BVDW-Mitgliederbefragung sogar fast jedes dritte Unternehmen.
Insbesondere die Werbebranche ist seit Jahren unter Druck. Mit einem Volumen von nunmehr 48,1 Milliarden Euro ist der deutsche Werbemarkt noch immer nicht auf dem Vor-Pandemie-Niveau angekommen. Angesichts der trüben Konjunktur sparen Unternehmen oft zuerst an ihren Werbeausgaben. Die Branche hofft, mithilfe von KI wegbrechende Gewinne durch Einsparungen zu kompensieren.
Hürden für den Einsatz von KI aus Brüssel
Serviceplan etwa will die Technologie nicht nur hinter der Kamera einsetzen. KI könnte unter anderem das Programmieren von Homepages erleichtern, erklärt Haller. Zudem könnte sie kurze Texte, die kaum Kreativität erfordern, automatisiert schreiben. „Wir gewinnen durch KI mehr Zeit dafür, über Dinge nachzudenken“, sagt er. Intern nutze die Agentur bereits beim Recruiting KI-Anwendungen, gerade bei der Erstauswahl der Bewerber.
Es gibt allerdings große Herausforderungen für die Unternehmen. So ist beispielsweise unklar, wem die Rechte gehören, wenn KI auf Grundlage bestehender Filme und Videos neue Kampagnen entwirft. Als eine Hürde sehen Unternehmen auch den von der Europäischen Union geplanten Rechtsrahmen, den „Artificial Intelligence Act“ (AI Act).
Kritiker sagen, die umfangreichen Auflagen würden vor allem kleinere Unternehmen überfordern. Das geht offenbar schon in der Auseinandersetzung mit dem Regelwerk los.
Der Civey-Umfrage zufolge geben mehr als 30 Prozent der privatwirtschaftlichen Entscheider an, sie würden den AI Act gar nicht kennen, weitere knapp 23 Prozent sagen, sie könnten dessen Auswirkungen nicht einschätzen.
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Viele andere stehen der geplanten KI-Regulierung kritisch gegenüber: 27,2 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, Europa werde wegen des AI Act den Anschluss bei KI verlieren. Nur 4,5 Prozent glauben, dass der AI Act Europa zum Vorreiter beim Thema KI machen wird. Der Befund deckt sich weitgehend mit einer Befragung unter 87 BVDW-Mitgliedsunternehmen.
Besonders rechtliche Fragen treiben die Unternehmen um. Eine Mehrheit der befragten Mitglieder (56,5 Prozent) sieht in dieser Thematik das größte Hemmnis für den Einsatz von KI. Genannt werden weitere Hürden wie fehlendes Vertrauen in die Technologie (51,2 Prozent), Fachkräftemangel (47,6 Prozent) oder Sicherheitsrisiken (46, 4 Prozent).
Bis das geplante Regelwerk der EU in Kraft tritt, könnten noch zwei Jahre vergehen. Derzeit laufen die Trilog-Verhandlungen, in denen Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament einen Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Entwurf und den Änderungsanträgen beider Häuser suchen.
FDP: Nicht zu viel Bürokratie bei der KI-Regulierung
Die Wirtschaft ist noch skeptisch. „Bei der Gesetzgebung müssen endlich die Belange der Wirtschaft ernst genommen werden“, mahnte BVDW-Präsident Dirk Freytag.
Die FDP teilt die Sorgen, die Grünen halten sie für unbegründet. „Die Entwicklung gemeinsamer Standards und eine Regulierung auf Grundlage unserer gemeinsamen europäischen Werte können ein Wettbewerbsvorteil sein“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne), dem Handelsblatt. Wie bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) könne der AI Act sogar als „Blaupause“ für Länder außerhalb der EU dienen. „Die Wirtschaft sollte daher optimistisch sein und vertrauensvolle, europäische KI als Marke nutzen.“
Der FDP-Digitalpolitiker Maximilian Funke-Kaiser warnte hingegen: „Wir fallen zurück, wenn die Regulierung von KI nicht möglichst bürokratiearm ausfällt.“ Kleine und mittelständische Unternehmen dürften nicht überfordert werden. „Schließlich verfügen die großen amerikanischen Big Techs über Rechtsabteilungen und nötige Mittel, Vorgaben zu erfüllen, während das etwa bei Start-Ups in der Regel nicht der Fall ist.“ Deshalb sollten Unternehmen die Anforderungen „ohne großen Mehraufwand umsetzen“ können.
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