Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird vor 800 Gästen die Bedeutung der maritimen Wirtschaft hervorheben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklären, wie wichtig die Häfen für die nationale Sicherheit sind. Und Energieminister Robert Habeck (Grüne) betonen, dass der Bund trotz Länder-Zuständigkeit ein großes Interesse an den Häfen hat.
Selten war eine „Nationale Maritime Konferenz“ so wichtig wie jene, die Mitte September in Bremen ansteht. Zentralen für die Energiewende sollen die Häfen werden, mit Flüssiggasterminals, bereit für Wasserstoff sowie als Umschlagplätze für Offshore-Windanlagen. Angesichts neuer Bedrohungen werden die Häfen auch zentral für das Verteidigungsbündnis Nato.
In Bremen wird allerdings einer nach derzeitigem Stand fehlen: der Verantwortliche für die Hafenstrategie des Bundes, Infrastrukturminister Volker Wissing (FDP). Das hängt auch damit zusammen, dass eine zentrale Frage ungeklärt ist: Wer soll all die Pläne bezahlen? Minister Wissing lässt derzeit die „Nationale Hafenstrategie“ erstellen, die aber innerhalb der Bundesregierung bis zur Konferenz noch nicht abgestimmt sein wird.
Der Bund ringt intern und mit den Ländern
Dabei ist die Dringlichkeit aus Sicht der Länder groß. In den Küstenländern planen sie neue Hafenbecken, Anleger für Flüssiggas, Liegeplätze für den Umschlag riesiger Windanlagen fürs Meer, Basishäfen für Offshore-Crews und Serviceeinrichtungen sowie Wasserstoffpipelines und Elektrolyseure.
Die Küstenländer werden auf der Konferenz 400 Millionen Euro fordern. In Berliner Regierungskreisen ist sogar davon die Rede, dass eigentlich bis zum Doppelten notwendig wäre. Doch selbst wenn es zu Beginn nur 200 Millionen Euro seien, wäre dies ein wichtiges Signal, hieß es dort.
„Jetzt ist die Zeit, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Die Chancen seien so groß wie nie. „Das gelingt uns aber nur, wenn wir auch die dafür notwendigen Investitionen auslösen können“, erklärte er dem Handelsblatt.
„Wir brauchen eine Nationale Hafenstrategie, die diesen Namen auch verdient“, fordert Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD): „Anders lassen sich die Herausforderungen nicht meistern“, sagte sie dem Handelsblatt und stellte klar: „Die nötigen Investitionen können die Küstenländer nicht allein stemmen. Der Bund muss sich deutlich zur nationalen Bedeutung der deutschen Seehäfen bekennen.“
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Auch das Parlament macht Druck. Sowohl die Opposition als auch die Regierungsfraktionen haben bereits lange Forderungskataloge in den Bundestag eingebracht, um die maritime Wirtschaft zu stärken. Die Ampelkoalitionäre mahnen die Regierung, „zeitnah mit den Bundesländern eine verbindliche Regelung über zweckgebundenen Ausgleich von Hafenlasten zu treffen“.
Habecks Leute fordern Antworten in der Neuen Hafenstrategie
Bislang gleicht der Bund die sogenannten „Hafenlasten“ der Länder mit 38 Millionen Euro im Jahr aus. Dieser Beitrag sei „sicherlich nicht mehr passgenau“, sagte Dieter Janecek (Grüne), maritimer Koordinator der Bundesregierung, dem Handelsblatt
Er ist Wirtschaftsminister Habeck zugeordnet und erhöht gleich den Druck auf FDP-Minister Wissing: „Mit neuen Aufgaben entstehen neue Investitionsbedarfe.“ Die Hafenstrategie müsse auch beschreiben, woher das Geld kommt.
Mit der letzten Bund-Länder-Finanzreform aber haben sich Bund und Länder von der Mischfinanzierung verabschiedet. Daher kann der Bund den sogenannten Hafenlastenausgleich nicht aufstocken, ohne das Grundgesetz zu ändern. Auch kann der Bund wegen der Schuldenbremse nicht beliebig neue Schulden machen. Und das führt dazu, dass die Bundesregierung bei dem Thema bislang auf der Stelle tritt: Denn Minister Wissing gedenkt nicht, in seinem Etat an anderer Stelle zugunsten der Häfen kürzen.
Wie es hieß, könnte es beim Lastenausgleich auch auf eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern hinauslaufen. Dies würde aber bedeuten, dass die Länder nicht pauschal Geld für die Seehäfen erhalten, sondern jede Rechnung einreichen müssen.
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Seit Wochen können sich die Ministerien nicht verständigen. Noch mehr als Habecks Koordinator Janecek drängen andere Vertreter des Wirtschaftsministeriums. Minister Wissing könne nicht „lauter Vorhaben planen und dann sagen, bezahlen müssen es andere“, sagte ein Ministeriumsbeamter. Die Zuständigkeit für die Häfen liege auf Bundesebene schließlich bei Wissing. Im Verkehrsressort hingegen verweisen sie darauf, dass die Bundesregierung die Hafenstrategie gemeinsam beschließe.
Springt womöglich die KfW als Financier ein?
Schon im Haushalt 2024 müsse eine Finanzierungsmöglichkeit her, hieß es im Wirtschaftsressort. Im Verkehrsressort bestehen Zweifel. „Wir suchen einen rechtssicheren Weg“, hieß es dort. Von einem „dicken Brett“ ist die Rede. Zunächst seien die ohnehin für die Häfen verantwortlichen Länder in der Pflicht.
Die aber fordern „eine gesicherte und in die Zukunft gerichtete Finanzierung für die Seehäfen bis zum Jahresende“, wie Reinhard Meyer (SPD), Minister in Mecklenburg-Vorpommern, dem Handelsblatt sagte. Und sie verweisen auf ihr Engagement.
Hamburg mit dem größten deutschen Seehafen etwa investiert nach eigenem Bekunden jährlich mehr als 100 Millionen Euro „direkt in die Hafeninfrastruktur“. 2019 lagen die Steuereinnahmen aus dem Hafen bei 1,2 Milliarden Euro, 9,3 Prozent des gesamten Steueraufkommens der Hansestadt.
Die Länder haben schon eine Idee, wie der Bund sich stärker einbringen könnte, ohne das Grundgesetz zu ändern oder im Haushalt Gelder umzuschichten: Wie beim Bau der LNG-Terminals in Wilhelmshaven oder Brunsbüttel könnte der Bund für konkrete Projekte Gesellschaften gründen – und über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als Gesellschafter die Vorhaben finanzieren. Darüber wird auch in Berlin nachgedacht. „Das ist durchaus möglich“, hieß es in Regierungskreisen.
Auch Landesminister Lies lobt das Vorbild der Flüssiggasterminals als „gutes Beispiel“. Die Schuldenbremse erweise sich als Klimaschutzbremse. „Die Länder wollen investieren. Die Minister Habeck und Wissing müssen sich mit Finanzminister Lindner einigen“, fordert Lies. „Wir benötigen schon in diesem Jahr Geld, wenn wir die Projekte schnell umsetzen wollen.“
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