Aug 31, 2023
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Konjunktur: Indien hängt China beim Wachstum ab – deutsche Exporte steigen

Written by Mathias Peer


Bangkok Während China in der Krise steckt, wächst Indiens Wirtschaft weiter rasant. In den Monaten April bis Juni legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Indiens im Vergleich zum Vorjahr um 7,8 Prozent zu, wie die Statistikbehörde in Neu-Delhi am Donnerstag mitteilte. Zu Jahresbeginn lag die Zuwachsrate noch bei 6,1 Prozent. Mit dem zusätzlichen konjunkturellen Schub kann sich das südasiatische Land als die wachstumsstärkste große Volkswirtschaft der Welt behaupten. 

Indiens BIP-Zuwachs liegt nun auf einem der höchsten Werte der vergangenen Jahre – und auch über dem Durchschnitt von rund sechseinhalb Prozent, den die indische Wirtschaft in den acht Jahren vor Beginn der Coronakrise erzielte. China, das derzeit mit einer Konjunkturflaute zu kämpfen hat, kann schon länger nicht mehr mithalten: Es ist bereits das fünfte Quartal in Folge, in dem Indien stärker wächst als die Volksrepublik. Dort legte das BIP im zweiten Quartal um 6,3 Prozent zu – deutlich weniger als von Analysten erwartet.

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Die Regierung in Neu-Delhi erhofft sich, dass Indien von Chinas Schwäche und den Spannungen zwischen Peking und dem Westen profitieren kann. Indien versucht dabei, ein stärkeres Gewicht in den Lieferketten europäischer und amerikanischer Unternehmen zu bekommen, die sich von ihrer Abhängigkeit von China lösen möchten.

Die Verschiebung machte sich zuletzt auch in der deutschen Außenhandelsstatistik deutlich bemerkbar: Während der Dollar-Wert der Einfuhren aus China im ersten Halbjahr um mehr als 17 Prozent zurückging, stiegen die Importe aus Indien um knapp vier Prozent an.

Mit einem Plus von rund 23 Prozent waren die Lieferungen von Indien nach Deutschland bereits 2022 stark angestiegen. In absoluten Zahlen entsprach das Volumen der Importe aus Indien mit knapp 16 Milliarden Dollar zwar weniger als einem Zehntel der Lieferungen aus China. Dennoch konnte Indien damit einen neuen Rekord verbuchen.

In Indiens Fabriken ist die Stimmung nach wie vor hervorragend: Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe signalisiert seit 25 Monaten in Folge einen Ausbau der Geschäftsaktivitäten – während der Vergleichsindex in China zuletzt auf einen Rückgang hindeutete.

„Das indische verarbeitende Gewerbe hat seine Position als einer der Top-Performer weltweit behauptet und sich dem Trend der Nachfrageschwäche in anderen Teilen der Welt widersetzt“, kommentierte Andrew Harker, Volkswirt bei dem Finanzdatenanbieter S&P Global, Anfang August.

Zum starken Abschneiden von Indiens Wirtschaft trug zuletzt auch der Dienstleistungssektor bei, der für mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung steht. Er erzielte im Juli das stärkste Wachstum seit 13 Jahren. Zugleich trieben öffentliche Investitionen die Konjunktur an: Sie lagen im vergangenen Quartal mit knapp 34 Milliarden Dollar um 60 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.

Skyline von Mumbai

Nicht nur die Wirtschaftsmetropole wächst rasant – das ganze Land verzeichnet starke Konjunkturzahlen.

(Foto: AFP)

Insgesamt will Premierminister Narendra Modi im laufenden Fiskaljahr mehr als 120 Milliarden US-Dollar in Investitionsprojekte stecken – das ist ein Drittel mehr als im Vorjahr und so viel wie noch nie in der Geschichte des Schwellenlandes.

Deutschlands Exporte: Mehr nach Indien, weniger nach China

Die gute wirtschaftliche Lage in dem Land sorgt auch bei deutschen Herstellern für gute Geschäfte. Ihre Exporte nach Indien stiegen im ersten Halbjahr um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Ausfuhren nach China sanken in dem Zeitraum – in US-Dollar gerechnet – um mehr als neun Prozent. 

Indiens Premier Modi

Profiteur veränderter Lieferketten.

(Foto: IMAGO/ANE Edition)

Doch Beobachter rechnen damit, dass sich auch im Boomland Indien die Konjunktur bald abkühlen könnte. Volkswirte erwarten einer Umfrage zufolge, dass die Wachstumsrate im laufenden Quartal auf 6,2 und im nächsten auf 6,0 Prozent sinken wird. Für Anfang 2024 gehen sie im Schnitt von 5,5 Prozent aus.

„Es gibt einige Anzeichen dafür, dass sich die Aktivität abschwächt“, kommentierte Rahul Bajoria, Indien-Volkswirt bei der britischen Bank Barclays. „Der weitverbreitete Konsens auf dem Markt ist, dass sich die Dinge verlangsamen werden.“

Ernteausfälle drohen aufgrund historisch niedriger Regenmengen

Erwartet wird unter anderem, dass eine schwächere globale Nachfrage Indiens Exportgeschäft belasten wird. Zudem macht dem Land auch das Klimaphänomen El Niño zu schaffen, das in diesem Jahr offenbar zu einem extrem schwachen Monsunregen beiträgt: Im August erlebte Indien den trockensten Monat seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901. Die Niederschlagsmenge lag um 36 Prozent unter dem Durchschnitt, wie die Wetterbehörde am Donnerstag mitteilte. 

Mumbai

Indien verzeichnet das stärkste Wachstum weltweit.

(Foto: DigitalVision/Getty Images)

Für Indiens Landwirtschaft ist das ein Problem: Mehr als die Hälfte der indischen Äcker sind zur Bewässerung auf Regen angewiesen. Sollte sich der Niederschlag nun wie erwartet auch im September in Grenzen halten, drohen erhebliche Ernteausfälle.

Das würde nicht nur die Kaufkraft in den ländlichen Gebieten schmälern, sondern könnte auch die ohnehin bereits hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln noch weiter anschieben. Die Nahrungsmittelinflation war im Juli sprunghaft auf knapp zwölf Prozent gestiegen. Im Monat davor lag sie noch bei knapp fünf Prozent. 

Die Lage in Indien wirkt sich auch auf den Weltmarkt von Lebensmitteln aus: Im Kampf gegen steigende Preise führte die Modi-Regierung zuletzt hohe Ausfuhrzölle für Zwiebeln ein und beschränkte den Export von Reis massiv. Indien war bis dahin der weltgrößte Lieferant des vor allem in Asien weitverbreiteten Grundnahrungsmittels.

Reispreise von Exporteuren aus Ländern wie Thailand und Vietnam stiegen nach Indiens weitgehendem Lieferstopp um rund 20 Prozent. Befürchtet wird nun, dass Indien im Fall größerer Ernteausfälle seine Exportbeschränkungen auch auf weitere Agrarrohstoffe wie Zucker und Weizen ausdehnen könnte.  
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