Berlin Die Pandemie ist vorbei, doch mit dem endenden Sommer werden Atemwegserkrankungen wieder häufiger. Die Corona-Infektionszahlen steigen schon jetzt. Grund ist die Eris-Variante, die sich ausbreitet. Und mit BA.2.86 ist ein neuer Ableger des Virus aufgetaucht, der Experten besorgt. Hinzu kommen Grippe- und Erkältungsviren. Was bedeutet das für den Herbst und Winter in Deutschland?
Fachleute sprechen von einer breiten Grundimmunität in der Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht mehr anstecken kann. Seit etwa sechs Wochen steigt laut Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der im Labor bestätigten Coronanachweise. Laut dem aktuellen Wochenbericht waren es knapp 4700 Fälle bundesweit.
Das Niveau ist also sehr niedrig, durch eine hohe Dunkelziffer aber auch nicht vergleichbar mit Zahlen aus dem vergangenen Jahr mit regelmäßigen Tests. Außerdem verläuft eine Ansteckung wegen der Grundimmunität deutlich milder.
„Viele schwere Fälle im Sinne einer Welle von Krankenhauseinweisungen sind deswegen nicht mehr zu erwarten“, sagt der Berliner Epidemiologe Timo Ulrichs dem Handelsblatt.
Das zeigt sich auch an einer niedrigen Belegung mit Coronapatienten auf den Intensivstationen.
Wie verlaufen Herbst und Winter?
Das lässt sich derzeit noch schwer vorhersagen und hängt von vielen Faktoren ab. Der Chef der Virologie an der Uniklinik Essen, Ulf Dittmer, erwartet „ein sehr reges Infektionsgeschehen im nächsten Winter bis ins Frühjahr hinein“, wie er dem Handelsblatt sagte.
>> Lesen Sie auch: Corona-Schlussabrechnungen – Holt sich der Staat die Hilfen jetzt wieder zurück?
Grund dafür seien nicht nur steigende Coronafallzahlen, sondern auch eine zu erwartende „heftige Grippewelle“, wie sie derzeit auf der Südhalbkugel zu beobachten ist. Dazu komme das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Atemwegserkrankungen durch das RS-Virus verlaufen der EU-Arzneimittelbehörde zufolge meist milde. Aber gerade bei kleinen Kindern und bei besonders anfälligen älteren Erwachsenen kann es demnach auch einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf geben.
Die für September erwarteten angepassten Impfstoffe für das Coronavirus als auch für RSV könnten die Welle deutlich abmildern. Hinzu kommt die übliche Grippeimpfung.
Welche Rolle spielen dabei die neuen Corona-Varianten EG.5 und BA.2.86?
Vor allem zwei neue Abkömmlinge von Omikron sind gerade besonders im Blick. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte zunächst EG.5, auch Eris genannt, zu einer von nunmehr drei „Virusvarianten von Interesse“ hoch. Die dreistufige Skala der WHO geht von „Variante unter Überwachung“ über „Virusvarianten von Interesse“ bis zur höchsten Stufe „Besorgniserregende Virusvariante“. Wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften könnte EG.5 laut WHO wieder für mehr Fälle sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.
Deutlich stärker mutiert ist die neue Variante BA.2.86. Die WHO stuft sie als eine „Variante unter Überwachung“ ein. Sie wurde am 24. Juli in Dänemark entdeckt und am 18. August in Großbritannien nachgewiesen. Das Land hat sein Impfprogramm deswegen vorgezogen. Auch in der Schweiz, Dänemark, Israel und den USA ist sie gefunden worden, in Deutschland laut RKI hingegen noch nicht.
Manche fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert. Omikron bedeutete einen großen Sprung in der Virusevolution und verbreitete sich weltweit extrem schnell. Wie der Winter wird, hängt deswegen laut dem Frankfurter Virologen Martin Stürmer vor allem davon ab, welche Variante sich dann durchgesetzt hat.
„Die Variante BA.2.86 besorgt mich in dieser Hinsicht“, sagt er dem Handelsblatt. „Sie unterscheidet sich von Omikron so stark wie Omikron von Delta – und könnte damit die bestehende Immunität aushebeln. Dann würde Corona wieder von vorne anfangen.“ Bislang gebe es allerdings keine Hinweise darauf, dass sich die Variante durchsetzen könne. „Das stimmt mich optimistisch.“
Die Variante EG.5 verbreite sich zwar extrem gut, habe aber bisher zu keinem massiven Anstieg der wichtigen Indikatoren geführt, etwa der Zahl der Krankenhauseinweisungen. „Anders gesagt: Sie macht nicht kränker als vorherige Varianten.“
Wer sollte sich gegen Corona impfen lassen?
Die Europäische Kommission hat am Freitag den aktualisierten Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer zugelassen. Er kann für Erwachsene, Kinder und Säuglinge ab sechs Monaten eingesetzt werden. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) empfiehlt eine Impfung mit dem aktualisierten Vakzin unabhängig von vorangegangenen Corona-Impfungen. Biontech und Pfizer hatten angekündigt, den Impfstoff unmittelbar nach der Zulassung an die EU-Staaten liefern zu können.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bisher keine Empfehlung zu dem neuen Impfstoff veröffentlicht. Sie empfiehlt bisher nur bestimmten Gruppen Auffrischimpfungen, vorzugsweise im Herbst und ähnlich wie beim Grippeschutz. Dazu gehören etwa Menschen ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten.
Mindestens zwölf Monate sollen in der Regel seit der letzten Impfung oder Infektion vergangen sein. Gesunden Erwachsenen unter 60 und Schwangeren wird dies nicht mehr empfohlen. Grundimmunisierung und Booster empfiehlt die Stiko auch nicht mehr für gesunde Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte kürzlich auf der Plattform X, früher Twitter, an, dass die angepassten Vakzine wahrscheinlich ab 18. September in den Praxen seien.
Und wer sollte eine Maske tragen?
Es gibt immer noch Menschen, die auf Schutz angewiesen sind. Das RKI rät neben einem Impfschutz gemäß Stiko-Empfehlung: bei einer akuten Atemwegsinfektion drei bis fünf Tage zu Hause bleiben, Kontakte möglichst reduzieren, in die Armbeuge husten und niesen und regelmäßig die Hände waschen.
>> Lesen Sie auch: Wie Lauterbach Deutschland für Pharmafirmen wieder attraktiver machen will
„Jedem mit Erkältungssymptomen, der andere schützen will, empfehle ich eine Maske“, rät Virologe Stürmer. „Auch für Risikopatienten ist eine Maske sinnvoll.“ Für eine allgemeine Empfehlung, Masken zu tragen, gebe es aber derzeit keinen Anlass.
Wie gut ist das Gesundheitswesen vorbereitet?
Fachleute rechnen derzeit nicht mit einer Überlastung von Arztpraxen, Pflegeheimen und Krankenhäusern. Sie gehen aber davon aus, dass die Einrichtungen wieder deutlich mehr beansprucht werden.
„Sollten alle Infektionswellen zusammenkommen, könnte dies das Gesundheitswesen wieder enorm belasten – insbesondere dann, wenn die Medikamente knapp werden“, sagte Virologe Stürmer. Medizinische Einrichtungen sollten deswegen ihre Bestände an Masken und anderer Schutzkleidung prüfen und genügend Vorräte haben.
Der Epidemiologe Ulrichs hält zudem eine „generelle Einladung zur Auffrischimpfung mit dem angepassten Impfstoff“ in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für eine gute Vorbereitung. Ähnlich verhalte es sich mit den Impfungen gegen die Grippe und RSV, sagte der Essener Virologe Dittmer. „Dabei könnten Kommunen und kommunale Einrichtungen der Pflege helfen“, sagte er.
Mit Agenturmaterial.
<< Den vollständigen Artikel: Neue Corona-Varianten: Wie besorgniserregend sind die neuen Eris und BA.2.86? >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.