Bangkok Beim Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs Südostasiens muss sich Chinas Führung in den kommenden Tagen auf eine gereizte Stimmung einstellen. Die Regierung in Peking hat den Zorn mehrerer Staaten gleichzeitig auf sich gezogen – mit einer neuen offiziellen Landkarte, die darstellt, wo Peking die Grenzen des eigenen Landes sieht.
Das Problem: China reklamiert dabei zahlreiche Gebiete für sich, die Nachbarstaaten als ihr eigenes Territorium begreifen – unter anderem im Südchinesischen Meer, das sich China mit mehreren südostasiatischen Staaten teilt.
Die Antwort kam prompt. Die Philippinen kritisierten Chinas Versuch, vermeintliche Hoheitsrechte über fremde Staatsgebiete legitimieren zu wollen. In Malaysia sprach die Regierung von „einseitigen Ansprüchen“, die man nicht akzeptieren werde.
Vietnams Außenministerium bezeichnete Chinas Gebietsansprüche über mehrere Inseln als „ungültig“ und sieht darin eine Verletzung der eigenen Souveränität. Indonesiens Regierung forderte China auf, sich bei der Landkartenerstellung an entsprechende UN-Konventionen zu halten.
Chinas Streit mit anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers über Inseln und Riffe in dem Gewässer ist nicht neu. Doch die Reaktion auf Pekings offensives Auftreten in der Region ändert sich. Staaten, die lange versucht haben, ihre Beziehungen zwischen den USA und China im Gleichgewicht zu halten, gehen zunehmend auf Distanz zu China. Die Regierung in Washington wittert darin eine Chance.
Die Reaktion auf Chinas offensives Verhalten ändert sich
Das Ringen der beiden Großmächte um die Region in Chinas Nachbarschaft steht im Zentrum einer mehrtägigen Gipfelveranstaltung des südostasiatischen Staatenbundes Asean, die am Montag mit einer hochrangig besetzten Wirtschaftskonferenz in Indonesien beginnt.
Als Redner wird unter anderem der britische Premierminister Rishi Sunak erwartet. Der diplomatische Höhepunkt ist jedoch für Mittwoch geplant, wenn die südostasiatischen Staats- und Regierungschefs erst Chinas Führung zum direkten Austausch empfangen und sich wenige Stunden später mit US-Vertretern an einen Tisch setzen wollen.
Während im vergangenen Jahr sowohl US-Präsident Joe Biden als auch Chinas Präsident Xi Jinping an dem Asean-Gipfel teilnahmen, schicken beide Länder dieses Mal ihre Zweitbesetzung. Aufseiten Chinas wird Ministerpräsident Li Qiang erwartet. Für die USA reist Vizepräsidentin Kamala Harris in die indonesische Hauptstadt Jakarta.
In Washington betont die Regierung, dass diese Entscheidung nichts mit einer Geringschätzung der Region zu tun habe. Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, spricht vielmehr von einer „beispiellosen Ausweitung“ der Beziehungen zwischen den USA und Südostasien seit Amtsantritt der aktuellen Regierung.
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Präsident Biden will sein Interesse an der Region bereits wenige Tage nach dem Asean-Gipfel unter Beweis stellen. Im Anschluss an den G20-Gipfel in Indien, an dem er persönlich teilnimmt, will er am kommenden Sonntag in die vietnamesische Hauptstadt Hanoi reisen. Dort ist ein Treffen mit Nguyen Phu Trong, dem Generalsekretär von Vietnams Kommunistischer Partei und mächtigsten Mann des Landes, geplant.
Amerikanischen Medienberichten zufolge will die US-Regierung dabei ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft mit Vietnam abschließen. Dagegen hatte sich die Regierung in Hanoi lange gesträubt – aus Sorge vor einer wütenden Reaktion aus China. Sollte sie den engeren Beziehungen mit den USA nun doch zustimmen, wäre das ein bemerkenswerter Durchbruch, sagt Le Hong Hiep, Politikwissenschaftler am Institute of Southeast Asian Studies in Singapur.
Indonesien hält Militärübung mit den USA ab
Vietnam ist nicht das einzige Land in der Region, das enger an die USA rückt. Indonesien startete am vergangenen Donnerstag unter dem Namen „Super Garuda Shield“ die bisher umfangreichste Militärübung mit den Amerikanern. Das Training von Tausenden Soldaten aus den beiden Ländern zeige, „unsere Einigkeit, die einen stabilen, sicheren und friedlicheren, freien und offenen Indopazifik ermöglicht“, teilte Charles Flynn, kommandierender General der US-Armee im Pazifik, mit. Mit der Forderung nach einem „freien und offenen Indopazifik“ richten sich die USA regelmäßig an China und dessen Vormachtstreben in der Region.
Wie China dabei vorgeht, bekamen jüngst die Philippinen zu spüren. Anfang August feuerte Chinas Küstenwache Wasserwerfer auf ein philippinisches Schiff in dem umstrittenen Teil des Südchinesischen Meeres ab. Ähnliche Zwischenfälle gab es in den vergangenen Monaten mehrfach.
Die Regierung in Manila wendet sich angesichts von Chinas Verhalten stärker den Amerikanern zu. Präsident Ferdinand Marcos Jr. willigte zu Jahresbeginn ein, US-Soldaten Zugang zu deutlich mehr Militärbasen zu gewähren als bisher – unter anderem zu einem Stützpunkt im Norden der Hauptinsel Luzon, nur 400 Kilometer entfernt von der Südküste Taiwans.
Mit Blick auf eine mögliche militärische Auseinandersetzung um Taiwan ist die Lage von strategisch großer Bedeutung. China wirft den Amerikanern mit Blick auf das Engagement vor, „Zwietracht zu säen und Konflikte zu schüren“.
Für die Regierung in Peking stellt die zunehmende Kooperation zwischen Manila und Washington eine besorgniserregende Kehrtwende dar. Marcos‘ Vorgänger im Präsidentenamt, Rodrigo Duterte, stand den US-Truppen im Land sehr skeptisch gegenüber und drohte wiederholt mit einem Ende des Militärbündnisses. Stattdessen suchte er die Nähe zu China – unter anderem in der Hoffnung auf milliardenschwere Investitionen aus Peking. Doch zu großen gemeinsamen Infrastrukturprojekten kam es nicht.
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Inzwischen kann China seine Finanzkraft wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme im eigenen Land immer seltener als politisches Druckmittel nutzen. „Chinas Ausgaben für globale Infrastrukturprojekte erreichten 2018 ihren Höhepunkt und werden aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs wahrscheinlich nicht so bald wieder ansteigen“, erwartet die Denkfabrik International Institute of Strategic Studies.
Dennoch reicht Pekings wirtschaftlicher und politischer Einfluss nach wie vor aus, um zu verhindern, dass sich das Asean-Bündnis geschlossen gegen die chinesischen Aktivitäten wendet. Kleinere Asean-Mitglieder wie Kambodscha und Laos sind weiterhin von Chinas finanzieller Unterstützung abhängig. Sie sorgten in den vergangenen Jahren dafür, dass sich die Asean-Organisation zu keiner Verurteilung von Chinas Vorgehen durchringen konnte.
Der Staatenbund steht aus Sicht von Beobachtern damit zunehmend vor einer Zerreißprobe. Das Einstimmigkeitsprinzip lähme die Gruppe, kommentiert Richard Heydarian, der an der University of the Philippines lehrt. „China braucht sich nur auf ein oder zwei schwache Glieder innerhalb der Asean zu stützen, um jede Einigkeit zu sabotieren.“
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