Berlin Das Modell des alleinigen Familienernährers ist für immer weniger Väter das Ideal. Zu diesem Ergebnis kommt der „Väterreport 2023“, den Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Montag veröffentlichte.
Demnach wünschen sich Väter viel stärker als früher eine partnerschaftlich organisierte Aufgabenteilung in der Familie. Jeder zweite Vater möchte gern die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Allerdings setzt nur jeder fünfte dies auch in die Praxis um.
Ministerin Paus resümiert, es gebe in der Partnerschaft „bei den meisten Vätern nach wie vor eine Lücke zwischen der Aufgabenteilung, die sie sich wünschen, und der Aufgabenteilung, die sie tatsächlich leben.“ Im Väterreport selbst heißt es: „Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit zeigt, dass Potenzial für mehr Partnerschaftlichkeit vorhanden ist.“
Eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit existiert offenbar auch mit Blick auf die Väterfreundlichkeit von Unternehmen: 52 Prozent der Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihre Führungskräfte glaubhaft für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Vätern engagieren. Unter erwerbstätigen Vätern insgesamt stimmt jedoch nur jeder fünfte dieser Aussage uneingeschränkt zu.
Der Väterreport beschreibt auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen, Werte und Einstellungen von Vätern in Deutschland. Lange standen Väter gar nicht im Fokus der Familienpolitik. 2018 legte das Ministerium dann den ersten Väterreport vor.
Väter beklagen „mangelnden Mut“
Aktuell führt die Hälfte der Männer „mangelnden Mut“ als Grund dafür an, dass sie zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringt. 29 Prozent der berufstätigen Väter geben an, beruflich „stark eingespannt“ zu sein. Einkommensverluste werden ebenfalls thematisiert – allerdings auch von Vätern mit hohen Haushaltseinkommen.
Traditionelle Rollenbilder seien zudem weiterhin verbreitet: Fast die Hälfte der Väter mit Kindern unter sechs Jahren findet es demnach wichtig, dass Frauen für die Kinderbetreuung eine Zeit lang beruflich kürzertreten und dass Kinder in den ersten Lebensjahren vor allem von der Mutter betreut werden. Ein Drittel der Väter findet die traditionelle Aufgabenteilung – der Mann geht arbeiten und die Frau kümmert sich um den Haushalt – am besten.
Immerhin bescheinigt der Report der Wirtschaft ein „zunehmendes Familienbewusstsein“. Mit dem „Rollenwandel der Väter, der zunehmenden Inanspruchnahme von Elternzeit sowie fortschreitendem Fachkräftemangel“ rückten die Väter in den Fokus betrieblicher Personalpolitik.
Dahinter steht auch die Tatsache, dass sich laut einer Hochrechnung von Prognos mehr als 1,7 Millionen Väter zumindest manchmal mit dem Gedanken beschäftigen, ihren Arbeitgeber zu wechseln, um Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können.
Konkret sind Väter indes noch überwiegend, nämlich zu 86 Prozent, in Vollzeit erwerbstätig. Nur acht Prozent arbeiten in Teilzeit. Hier sieht der Väterreport ein „Optimierungspotenzial“: Denn nur bei jedem fünften Unternehmen ist Arbeit in Teilzeit unter männlichen Führungskräften verbreitet.
Väter könnten in Zukunft noch seltener Elterngeld beziehen
Ministerin Paus zufolge unterstützen vor allem das Elterngeld und der Ausbau der Kinderbetreuung eine partnerschaftliche Aufgabenteilung – „zumindest ansatzweise“, wie die Grünen-Politikerin einschränkt.
Laut Väterreport bezogen zuletzt 44 Prozent der Väter Elterngeld, im Vergleich zu 98 Prozent der Mütter. Die Mehrheit der Männer nimmt dabei auch lediglich die Mindestdauer von zwei Monaten, die sogenannten Partnermonate, in Anspruch. Im Jahr 2022 lag die voraussichtliche Bezugsdauer der Väter beim Elterngeld bei 3,6 Monaten.
Hier könnte die Bilanz künftig noch schlechter ausfallen. Denn gerade hat Paus beschlossen, die Einkommensgrenze abzusenken, bis zu der es Anspruch auf das Elterngeld gibt. Auf diese Weise will sie eine Lücke im Bundeshaushalt schließen.
Auch das von Paus angekündigte Familienstartzeit-Gesetz steht immer noch aus. Hierbei soll der Partner einer Mutter die Möglichkeit erhalten, sich nach der Geburt eines Kindes zehn Tage bei vollem Lohnausgleich von der Arbeit freistellen zu lassen. Die Kosten dafür sollen wie beim Mutterschutz die Arbeitgeber tragen.
Zwar war ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Familienministerium schon im Frühjahr in die Ressortabstimmung gegangen. Passiert ist seitdem allerdings nichts mehr. Eigentlich sollte das Gesetz für den „Sonderurlaub“ bereits Anfang 2024 in Kraft treten.
Neues Unterhaltsrecht als Anreiz
Trennung und Scheidung gehören laut Report ebenso zur „Realität von Familie und Elternschaft“. Laut Justizministerium hat etwa ein Viertel aller minderjährigen Kinder in Deutschland getrennt lebende Eltern.
Dabei gab es im vergangenen Jahr 239.000 alleinerziehende Väter und über 1,3 Millionen alleinerziehende Mütter in Deutschland. Doch auch wenn die Kinder nicht mehr im Haushalt des Vaters leben, bleibt der Kontakt zu ihnen für die Mehrheit der Väter erhalten: Mit 62 Prozent haben die meisten Väter mehrmals die Woche oder sogar täglich Kontakt zu ihren Kindern.
Hier könnte die von Justizminister Marco Buschmann (FDP) geplante Reform des Unterhaltsrechts künftig zu Veränderungen führen. Elternteile, die sich mehr als 29 und weniger als 50 Prozent an der Betreuung gemeinsamer Kinder beteiligen, sollen weniger Unterhalt zahlen müssen. Da das in der Regel die Väter sind, soll die Reform Anreize für mehr Beteiligung von Männern zu schaffen.
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