Berlin, Washington Es wird eine schwierige US-Reise, die Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstag antritt. Zwar trifft sie sich Ende der Woche auch mit ihrem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken, mit dem die Grünen-Politikerin ein sehr gutes Verhältnis haben soll.
Doch zunächst steht ein Besuch im US-Bundesstaat Texas auf dem Programm – und dort ein Treffen mit dem republikanischen Gouverneur Greg Abbott. Der 65-Jährige ist eine Art Anti-Baerbock: Ihm wird als radikalem Abtreibungsgegner vorgeworfen, Frauenrechte massiv zu beschneiden. Zudem ist er Klimawandel-Leugner.
Baerbocks Reise ist Teil der Vorbereitung der Bundesregierung für den Fall, dass Donald Trump, oder ein anderer Republikaner, im nächsten Jahr Präsident der Vereinigten Staaten wird. In Gesprächen mit US-Diplomaten gibt es für deutsche Spitzenpolitiker in diesen Tagen kaum ein anderes Thema als ein drohender Sieg der Republikaner im nächsten Jahr. Der Begriff des „Trump-Proofing“ fällt in Berlin immer wieder, also eine Art Absicherung im Fall eine Wahlsieges des Republikaners.
Noch heute bezeichnen deutsche Regierungsvertreter Trumps Wahl zum US-Präsidenten 2016 als „Stunde null“. Schließlich entzweite er die USA und Deutschland wie kein Präsident vor ihm.
Offiziell will sich kein deutscher Regierungsvertreter eine Wiederwahl des inzwischen mehrfach angeklagten Ex-Präsidenten ausmalen. Doch hinter den Kulissen bereiten sich Diplomaten und Regierungsvertreter Informationen des Handelsblatts zufolge auf die zweite „Stunde null“ vor.
Es ist auch eine Lehre daraus, wie der Wahlsieg von Trump 2016 die damalige Bundesregierung überrollt hatte. Niemand verfügte über solide Kontakte zu Trump oder seinem engeren Beraterkreis.
Die Strategie lautet daher nun: überall Kontakte knüpfen – auf Ebene der Bundesstaaten, der Städte und zur amerikanischen Wirtschaft. Und das deutlich früher als bei der letzten Wahl. Baerbock nimmt daher auf ihrer Reise auch den Bürgermeister von Leipzig mit, die Partnerstadt des texanischen Houston.
Deutsche Ex-Botschafterin suche Kontakt zu republikanischen Hardlinern
Michael Link, der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, trifft sich bereits seit Monaten mit Vertretern der republikanischen Seite. Er sagt: Unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitze, brauche Deutschland ein „transatlantisches Sicherheitsnetz. Das heißt: gute, belastbare Kontakte auf allen Ebenen von den Bundesstaaten bis zum Kongress.“
Im Juli reiste er in die tief republikanisch geprägten US-Staaten Oklahoma und Arkansas, wo er sich mit den dortigen Gouverneuren Kevin Stitt und Sarah Huckabee Sanders traf. Stitt gilt als ultrakonservativ, Huckabee Sanders war Trumps Pressesprecherin.
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Auch Emily Haber, bis vor Kurzem deutsche Botschafterin in den USA, intensivierte ganz bewusst den Kontakt mit republikanischen Spitzenpolitikern, konservativen Denkfabriken und Interessengruppen. Zwar gehörte das Netzwerken mit allen Lagern des politischen Spektrums schon immer zur Aufgabe deutscher Diplomaten im Ausland. Doch unter Haber schien der Austausch noch strategischer, noch gezielter.
Haber ging mit ihrer Botschaft aber so weit, dass sie sich auch mit den Radikalsten traf. So hielt vor einigen Wochen die erzkonservative „Faith and Freedom Coalition“ in Washington ihre Jahreskonferenz ab.
Ein Kernziel der evangelikalen Organisation ist ein bundesweites Abtreibungsverbot, Trump, Ron DeSantis, Mike Pence und andere republikanische Bewerber wurden im Ballsaal des Hilton-Hotels umjubelt. Eine Veranstaltung wie diese ist ideal, um die konservative Bewegung in den USA besser zu verstehen – ein Tisch war für Vertreter der deutschen Botschaft reserviert.
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Die Kontaktaufnahme ist nicht ohne Risiko. Auf allen Ebenen Verbindungen aufzubauen sei wichtig, sagt Cathryn Clüver Ashbrook, Expertin für deutsch-amerikanische Beziehungen bei der Bertelsmann Stiftung, dem Handelsblatt. „Gleichzeitig dürfen sich deutsche Politiker nicht gemein machen mit ihnen, insbesondere mit solchen, die Extrempositionen einnehmen.“
Republikanische Bundestaaten sind wichtige Handelspartner
Für viel Kritik hatte zuletzt Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer gesorgt, der sich mit dem republikanischen Gouverneur von Florida und möglichen Präsidentschaftskandidaten DeSantis getroffen hatte. DeSantis gilt als rechter Hardliner, doch der CSU-Politiker hatte nur lobende Worte für ihn. Der Republikaner sei ein „geradliniger, freundlicher und dynamischer Politiker“, urteilte Scheuer, und ein „erfolgreicher Gouverneur“.
Am Netzwerken mit republikanischen Gouverneuren kommt kaum ein deutscher Politiker vorbei – auch wenn der Ton unterschiedlich ist. So ist Florida ebenso wie Texas extrem wichtig für die deutsche Industrie, die Bundesstaaten gehören zu den größten Handelspartnern Deutschlands.
Auch andere Mitglieder der Bundesregierung pflegen ihre Kontakte in die republikanische Partei, Berlin fühlt sich auf Trump II besser vorbereitet als auf seine erste Präsidentschaft.
In Regierungskreisen werden jedoch auch die Grenzen des Netzwerkens gesehen: Denn Trump wird seine Mannschaft wie schon bei seiner letzten Präsidentschaft nicht hauptsächlich aus denjenigen rekrutieren, die sich etabliert haben, Thinktanker etwa, oder Politiker, sondern eher Charaktere wie vom Typ des Steve Bannon, der vor allem eine TV-Persönlichkeit war, bevor er von Trump zum Chefstrategen im Weißen Haus gemacht wurde.
Mögliche Amtszeit Trumps gefährdet künftige Ukrainehilfen
In Gesprächen mit Regierungsvertretern kommen immer wieder große Sorgen auf: wegen Trumps ungebrochener Stärke in den Kandidatenumfragen, wegen der Radikalisierung der republikanischen Partei und auch wegen des hohen Alters Joe Bidens, das als Unsicherheitsfaktor wahrgenommen wird.
In Berlin wächst zudem die Befürchtung, dass die USA unter Trump die Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland einstellen könnte. Und selbst wenn Biden von einem anderen Republikaner als Trump besiegt werden würde: Außenpolitisch ist die republikanische Partei isolationistischer geworden, der Trumpismus hat sich tief eingefressen. So werden etwa die Ukrainehilfen vom überwiegenden Großteil der republikanischen Präsidentschaftsbewerber abgelehnt.
Die USA drängen Deutschland schon seit Längerem dazu, seine Verteidigungsausgaben aufzustocken. „Selbst wenn die Demokraten nach der Wahl weiter im Weißen Haus regieren, wird die finanzielle Unterstützung der USA für die Ukraine nachlassen, sagt Bertelsmann-Expertin Clüver Ashbrook. Die Republikaner würden im Kongress an Einfluss gewinnen und im innerparteilichen Vorwahlkampf werde die Hilfe für das von Russland angegriffene Land kritisch gesehen.
Auch in der amerikanischen Bevölkerung lasse Umfragen zufolge die Unterstützung deutlich nach. „Die Europäer werden deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Darauf muss sich die Bundesregierung schon jetzt vorbereiten“, sagt Clüver Ashbrook.
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