Sep 13, 2023
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KI im Job: Arbeitsminister Heil will Beschäftigten die Angst nehmen

Written by Joachim Hofer

München, Berlin Hubertus Heil nimmt einen Elektrobohrer in die Hand, versenkt eine Schraube in dem Metallbauteil und blickt auf den Bildschirm. Die Anzeige leuchtet grün, alles okay. Beim zweiten Versuch ist der Bundesarbeitsminister etwas fahrig, der Winkel passt nicht, das Display wird orange – nicht optimal.

Der SPD-Politiker lässt sich am Dienstag im neu eröffneten „KI-Studio“ in München vorführen, wie Künstliche Intelligenz den Arbeitsalltag erleichtern kann. Die Software erkennt, ob Schraubwinkel und Drehmoment passen, ob die Unterscheibe richtig eingelegt wurde und ob die Beschäftigten eine Pause benötigen. Höchste Präzision der Bohrungen ist beispielsweise bei Batteriepacks für Elektrofahrzeuge wichtig, sonst könnten die Autos in Flammen aufgehen.

So wie Heil sollen sich künftig auch Entscheider und Beschäftigte aus kleinen und mittleren Unternehmen über praktische KI-Anwendungen informieren können. Hier, im ersten stationären KI-Studio in München, und in einem zweiten, das gegen Jahresende in Stuttgart eröffnen soll. Der Rest der Republik wird mit KI-Bussen bedient, die durchs Land touren. Entwickelt hat das Konzept das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart.

Denn der Arbeitsminister ist überzeugt, dass sich kein Betrieb und kein Beschäftigter dem Thema entziehen kann. Die Digitalexperten seines Hauses gehen davon aus, dass bis 2035 jeder Arbeitsplatz von Künstlicher Intelligenz betroffen sein wird.

Das schürt neben Begeisterung für das technisch Mögliche auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Ziel sei es, „Millionen Beschäftigte zu erreichen“, sagte der Minister. Denn: „Wenn Vorbehalte gegen KI da sind, verlieren wir Geschwindigkeit.“

Wie schnell erreicht KI die Arbeitswelt?

Ob sich der Wandel wirklich so rasch vollzieht, wie der Arbeitsminister sich das vorstellt, ist noch nicht klar. „Die anfängliche Euphorie scheint ein wenig verflogen, offenbar ist der Bedarf in den Unternehmen zunächst gesättigt“, sagt Ingo Isphording, Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.

Eine McKinsey-Studie zeigt, dass sich der Anteil der Unternehmen und Organisationen, die KI-Anwendungen einsetzen, sich zwischen 2017 und 2019 zwar fast verdreifacht hat. In den zurückliegenden drei Jahren aber verharrt der Anteil zwischen 50 und 56 Prozent.

Dennoch sind Experten überzeugt, dass die Technologie die Arbeitswelt verändern wird. Der ChatGPT-Entwickler OpenAI geht davon aus, dass in den USA 80 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei mindestens zehn Prozent ihrer Aufgaben von großen Sprachmodellen betroffen sein könnten, wie sie die Firma entwickelt.

Deshalb seien viele Leute verunsichert, sagt Joachim Schnell, Betriebsrat beim Autozulieferer ZF, im Münchener KI-Studio. „KI ist der große Elefant im Hintergrund.“ Wobei die Angst der Belegschaft in den Werken vor einem Arbeitsplatzverlust größer sei als unter den Beschäftigten im Büro.

KI-Anwendung ChatGPT

Die großflächige Anwendung von Sprachmodellen kann viele Berufe verändern.


(Foto: Reuters)

Doch warnen Wissenschaftler vor einer Dramatisierung der Situation. „Seit dem Aufstieg der Künstlichen Intelligenz in der Arbeitswelt gibt es sowohl Befürchtungen um massive Jobverluste als auch optimistischere Perspektiven, die Berufe als Bündel verschiedener Tätigkeiten sehen, von denen nur Teile automatisierbar sind“, sagt Ökonom Hendrik Send vom Berliner Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG).

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Auch IZA-Forscher Isphording betont, es gebe keine leichte Ja-Nein-Antwort, ob ein Arbeitsplatz möglicherweise durch KI wegfalle oder nicht: „Abhängig von den ausgeführten Aufgaben kann KI dabei helfen, Arbeitnehmer produktiver zu machen, oder sie kann sie ersetzen.“

Im Münchener KI-Studio ist unter anderem zu sehen, wie sich die Produktionsplanung vereinfachen lässt. Oder wie sich Angebote verschiedener Firmen im Einkauf leicht vergleichen lassen. Es ist aber auch etwas für Handwerker dabei, die mit KI dreidimensionale Ansichten von Möbeln erstellen können. Und das mit einem für sie kostenlosen Programm.

In Summe würden durch KI keine Arbeitsplätze verloren gehen, glaubt der Arbeitsminister. Trotzdem müssten sich viele Menschen neu orientieren: „KI wird auch qualifizierte Arbeitsplätze ersetzen“, sagt Heil. Als besonders gefährdet gelten beispielsweise Routinetätigkeiten in Branchen wie der Versicherungswirtschaft oder der Qualitätskontrolle in der Produktion. Aber auch Journalisten oder Softwareprogrammierern kann KI einen großen Teil ihrer Arbeit abnehmen.

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Es stimme aber nicht unbedingt, dass höher qualifizierte Tätigkeiten durch den KI-Einsatz besonders gefährdet seien, sagte Stijn Broecke, Senior Economist bei der Industrieländerorganisation OECD. Denn im Gegensatz zu An- und Ungelernten umfasse ihr Aufgabenprofil dann doch oft Tätigkeiten, die sich nicht so einfach automatisieren ließen. KI könne qualifizierte Arbeitskräfte noch produktiver machen.

Nach dem jüngsten Employment Outlook der OECD, der auf Befragungen in sieben Industrieländern beruht, geht ein Fünftel der Arbeitgeber in der Industrie und im Finanzdienstleistungssektor davon aus, dass die Beschäftigtenzahl im eigenen Unternehmen durch KI-Einsatz sogar wachsen wird. Etwas höher ist der Anteil, der mit sinkendem Personalbedarf rechnet.

Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber erwartet keine Personalveränderung

Mehr als die Hälfte erwartet keine Veränderung. Aber auch hier zeigt sich die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz: 60 Prozent der von der OECD befragten Beschäftigten gaben diese Befürchtung an.

Ob die technische Disruption auch zu Umwälzungen am Arbeitsmarkt führt, hängt mit davon ab, ob und wie die Beschäftigten auf den Wandel vorbereitet werden.

Vielfach sei leider zu beobachten, dass die Arbeitgeber zu wenig in die KI-Fortbildung investierten, kritisiert ZF-Betriebsrat Schnell in München.

Aus Sicht von IZA-Forscher Isphording muss allerdings schon viel früher angesetzt werden: „Um durch KI produktiver zu werden, brauchen Arbeitnehmer ausreichende Grundfähigkeiten im Lösen von Problemen oder im kritischen Denken.“ Dieses Wissen müsse vor allem in den Schulen vermittelt werden.

Arbeitsminister Heil will dazu beitragen, Wissen über KI und ihre praktischen Anwendungen zu vermitteln. Bis Ende 2024 sollen in 250 Veranstaltungen rund 2300 Betriebe erreicht werden.

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