Tokio Der Treffpunkt von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Russlands Präsident Wladimir Putin ist für Beobachter eine Überraschung. Sie trafen sich am Mittwoch im sibirischen Weltraumbahnhof Wostotschny. Im Ausland hatten Experten und Medien auf ein Treffen in Wladiwostok am Rande eines internationalen Wirtschaftsforums getippt.
Putin machte bei der Begrüßung deutlich, dass der Ort mit Bedacht gewählt worden sei. Russland sichere Nordkorea Unterstützung beim Bau von Satelliten zu, sagte Putin laut russischen Medien. „Deshalb sind wir zum Kosmodrom Wostotschny gekommen.“
Es werde aber über alle möglichen Themen gesprochen. Die große Frage sei, was Nordkorea im Gegenzug liefere und ob Russland seinen alten Verbündeten auch anderweitig unterstütze.
Nordkoreas Machthaber Kim sicherte Putin zu, Russland im Kampf gegen den Westen zu unterstützen. „Russland hat einen heiligen Kampf begonnen, um seine Souveränität und Sicherheit gegen hegemoniale Kräfte zu verteidigen“, sagte Kim zu Putin.
„Wir werden die Entscheidungen von Präsident Putin und der russischen Führung immer unterstützen“, fügte er hinzu. Er sei sicher, dass das Treffen ein weiterer Schritt sei, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf eine neue Ebene zu heben.
Das Interesse an einem Schulterschluss ist relativ neu. Russland ist zwar genau wie China ein alter Verbündeter Nordkoreas. Aber das kleine Land bemühte sich immer, seine Unabhängigkeit zu bewahren und die beiden Großmächte zum eigenen Nutzen gegeneinander auszuspielen.
Peking ist dabei weit bedeutender für Kim, da China der mit Abstand wichtigste Handelspartner Nordkoreas ist. Russlands Munitionsmangel gibt Kim nun die Chance, eine neue Hilfsquelle anzuzapfen.
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Diese Waffen kann Nordkorea an Russland liefern
- Schon im vergangenen Jahr bot Nordkorea Russland Hilfe an. Neben Waffen wurde sogar über die Entsendung von Soldaten oder Bauarbeitern spekuliert, um Russland in der Ukraine zu unterstützen.
- Interessant ist Nordkorea aber vor allem als Waffenlieferant. Artillerie spielt im Krieg in der Ukraine eine wichtige Rolle. Und Russland leidet unter Lieferengpässen, die Nordkorea ausgleichen könnte. Denn das kleine Land mit nur 26 Millionen Einwohnern besitzt laut dem International Institute for Strategic Studies über 20.000 Artilleriegeschütze, was nach Einschätzung amerikanischer Experten ein Weltrekord ist.
- Besonders interessant sei Munition aus Nordkorea, weil es sich bei vielen nordkoreanischen Waffen um Kopien sowjetischer Systeme handele, erklärte diese Woche der ukrainische Experte Oleh Katkov, Chefredakteur des Militärportals Defense Express in Kiew, in einem Radiointerview. Darunter seien 120-Millimeter-Mörsergranaten sowie 122-Millimeter- und 152-Millimeter-Geschosse, die mit alten sowjetischen Kalibern kompatibel seien.
- Möglich wäre auch, dass Russland es auf die Langstreckenraketen abgesehen hat, mit denen Kim regelmäßig Angst verbreitet.
Das Problem: Nordkoreas Bestände sind groß, aber alt. „Die Bestände sind seit 1991 wahrscheinlich nicht mehr wesentlich erneuert worden“, meinte Katkov.
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Andere Experten gehen deshalb eher davon aus, dass Nordkorea Munition für Handfeuerwaffen und Maschinengewehre liefern würde.
Auf diese Gegenleistungen hofft Nordkorea
- Putins Angebot, bei Satelliten zu helfen, geht sicherlich auf einen Wunsch Nordkoreas zurück. Das Land hat in letzter Zeit zweimal versucht, Satelliten ins All zu schießen, und ist jedes Mal gescheitert. Russland wiederum verfügt nicht nur über zuverlässige Weltraumraketen, sondern auch über Satellitentechnologie, von der Nordkorea profitieren könnte.
- Nordkorea wäre auch schon geholfen, wenn Russland stärker bei der Umgehung der Sanktionen helfen könnte, die die Vereinten Nationen gegen das nordkoreanische Atomwaffen- und Raketenprogramm verhängt haben.
- Noch willkommener wären sicherlich Lieferungen von Nahrungsmitteln, Öl oder Kohle. Nicht nur leiden viele Nordkoreaner unter chronischer Unterernährung, die durch die Abschottung während der Pandemie noch verschärft wurde. Auch Benzin und Strom sind extrem knapp. Traktoren, die es auf dem Land gibt, stehen oft still, Ochsen ziehen Karren oder Pflüge. Und Strom kommt vor allem in der Hauptstadt Pjöngjang einigermaßen zuverlässig aus der Steckdose, in vielen Landesteilen aber nur sporadisch.
- Nach Einschätzung westlicher Experten könnte Nordkorea aber auch an militärischer Hilfe interessiert sein. Russland könnte beispielsweise bei der Modernisierung der veralteten nordkoreanischen Armee helfen.
- Auch technische Hilfe beim Bau von Langstreckenraketen wäre sicherlich willkommen. In den USA geht ein Experte sogar davon aus, dass Nordkoreas neue Interkontinentalrakete Hwasong-18 auf russischer Technologie basiert. Doch seine Analyse ist umstritten.
- Eine diplomatische Aufwertung ist ein weiterer Punkt, den Kim mit dem Gipfel bereits erreicht hat. Seit seinen groß inszenierten, aber letztlich gescheiterten Gesprächen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump war der junge Diktator, der zeitweise in der Schweiz aufwuchs, zu Hause in Pjöngjang wieder isoliert. Aber mit Russlands neu gewonnener Zuneigung zu Nordkorea öffnen sich neue Türen. Bereits im Juli besuchte der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu Nordkorea und bat nach westlichen Angaben um Munition. Zudem erklärte er, dass die alten Partner erwägen, erstmals gemeinsame Militärübungen abzuhalten.
Der südkoreanische Geheimdienst hatte sogar erklärt, Schoigu habe gemeinsame Manöver mit China vorgeschlagen. Ob sich China darauf einlassen würde, ist offen.
Auch mit Blick auf Nordkorea wäre das überraschend. Bisher pochte Nordkorea lieber auf seine Unabhängigkeit, da es den verbündeten Nachbarn misstraut.
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