Washington Die Macht von Elon Musk ist greifbar, vor allem im Zentrum der amerikanischen Politik. Vor dem Russel-Building, einem Bürokomplex des US-Kongresses, sichern Dutzende Polizisten einen Nebeneingang ab. Gleich soll Musk das Gebäude verlassen, gut zwei Stunden hat er sich drinnen mit US-Senatoren über KI-Regulierung ausgetauscht. „Two minute warning!“, krächzt es aus einem Funkgerät, was heißt, dass Musk im Anmarsch ist. Einen solchen Countdown hört man sonst bei der Entourage des US-Präsidenten. Und bei Elon Musk.
Die Spitzenrunde fand hinter verschlossenen Türen statt, doch Musk wusste, wie er seine Botschaft nach draußen tragen würde. Als Promi-CEO scheute Musk nicht die Rolle des KI-Erklärers. Er referierte auch außerhalb des Konferenzsaals gern über ein Thema, das für die meisten Menschen noch abstrakt sein dürfte, obwohl Künstliche Intelligenz in alle Bereiche des Lebens eindringt.
Gates, Zuckerberg, Pichai: Alle eilen davon
Als Musk aus der Schwingtür des Russell-Buildings schlendert, gibt er zunächst zu verstehen, dass er es sehr eilig hat: ein Termin bei der Flugaufsichtsbehörde steht an. Doch dann verweilt er, „just for a second“, was seine Sicherheitskräfte nervös macht.
Musk genießt, dass alle Augen, alle Kameras auf ihn gerichtet sind, und im Gegensatz zu anderen, häufig verschwiegeneren Silicon-Valley-Legenden, scheint ihn der Zirkus nicht zu stören.
Bill Gates eilt mit gesenktem Kopf an der Reportertraube vorbei und verschwindet in einem schwarzen Lincoln SUV. Bei Mark Zuckerberg das selbe Spiel: hastiger Gang, kein Augenkontakt, rein in die Limo. Auch Pichai ist schneller weg, als die Fotografen auf den Auslöser drücken können.
Ganz anders Musk. „Wir müssen proaktiv handeln“, beschwört er vor dem Kongress. Er, der sonst auf eine Verschlankung des Staats und weniger Regulierung pocht, drängt auf eine US-Bundesbehörde zur Überwachung von KI. Auf die Frage, ob KI die Menschheit zerstören wird, macht Musk eine Pause und antwortet: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die KI uns alle umbringt, liegt bei über Null. Ich denke, sie ist gering. Aber wenn es auch nur eine gewisse Chance dafür gibt, sollten wir sie einkalkulieren“. Die Entwicklung der KI, so der Milliardär weiter, sei „potenziell schädlich für alle Menschen überall“.
Nach ein paar Minuten bricht Musk ab, er müsse jetzt wirklich los. Dann bleibt er vor seinem Tesla wieder stehen, für ein weiteres Statement. „He‘s still speaking!“ – „Er spricht immer noch!“ – entfährt es einem Polizisten.
KI-Unternehmen schaffen Fakten
Washington ist für Musk eine perfekte Bühne. Der US-Kongress gilt als chronisch schwerfällig, wenn es um Big-Tech-Regulierung geht, doch Präsident Joe Biden hält Künstliche Intelligenz für den „größten Revolutionsfaktor in der Geschichte der Menschheit“ und hat KI-Regulierung zur Priorität erhoben. Bislang ist es bei freiwilligen Vereinbarungen geblieben, denen sich unter anderem Nvidia und Salesforce angeschlossen haben, um die Risiken der künstlichen Intelligenz zu mindern. Konkrete gesetzliche Vorgaben zur KI gibt es in den USA, wo die größten Tech-Unternehmen sitzen, bislang nicht.
Die KI-Runde auf dem Capitol Hill, die erste ihrer Art, sollte die Interessen und Konfliktlinien zwischen Gesetzgebern und der Privatwirtschaft ausloten. Im Kennedy Caucus Room, einem riesigen Sitzungssaal, saßen die 22 Gäste in U-Form – auf der einen Seite des Raumes Musk, auf der anderen Seite Zuckerberg, dessen Plattform Threads als direkte Konkurrenz zu X gilt.
Sieben Stunden saß man zusammen, „produktiv“ sei die Runde gewesen, wie viele Senatoren bekräftigten. Und doch ging von dem Treffen das Signal aus, dass die US-Politik um einen regulatorischen Rahmen ringt, während die Privatwirtschaft Fakten in der KI-Entwicklung schafft. Und Musk, das wurde am Mittwoch wieder einmal deutlich, inszeniert sich nun auch beim Thema KI als „King of the Hill“, als König des Capitol Hills.
An Expertise fehlt es ihm nicht. Musk war einer der ersten Investoren des KI-Forschungsunternehmens DeepMind und an der Gründung von OpenAI beteiligt, verließ das Unternehmen jedoch nach einem Machtkampf mit Altman. Kürzlich gründete er ein neues Unternehmen, xAI, mit dem Ziel, „die wahre Natur des Universums“ zu verstehen.
Kein anderer der prominenten Gipfelgäste mischt in so vielen Branchen auf einmal mit: Elektromobilität, Satellitentechnik, Raumfahrt, Social Media. Sein Vermögen, seine globalen Beziehungen und seine Unternehmen SpaceX, Tesla und X haben seinen politischen Einfluss im vergangenen Jahrzehnt enorm anwachsen lassen – und trotz diverser Kontroversen um seine Person dürfte er diesen Einfluss nicht verlieren, unabhängig davon, wer nach den Präsidentschaftswahlen 2024 im Weißen Haus sitzt.
So wurde die US-Politik von Musk abhängig
Seit Jahren nutzt das US-Militär SpaceX-Raketen und Satellitenkommunikationsdienste für Drohnen, Schiffe und Flugzeuge. Die NASA schickt amerikanische Astronauten mit Musks Raumkapseln ins All. Musk kontrolliert über 3000 Satelliten, weit mehr als jede Nation. Seine Starlink-Satellitensysteme sind für die US-Regierung hilfreich im Ukraine-Krieg. Tesla bringt mehr Elektroautos auf die Straßen der USA als jeder andere Hersteller – was im Interesse Bidens liegt, der eine Verkehrswende vorantreibt.
Gleichzeitig wirkt Musk wie ein unberechenbarer Partner, er kritisierte in der Vergangenheit Joe Bidens China- und Russlandpolitik und traf sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Auch in den laufenden Präsidentschaftswahlkampf schaltet sich Musk ein und unterstützt mehrere republikanische Präsidentschaftsbewerber, darunter Ron DeDantis und Vivek Ramaswamy.
Spätestens seit der Twitter-Übernahme wuchs in der US-Regierung die Sorge, dass der Milliardär zu mächtig wird. Neue Vorwürfe befeuern die Ängste: Laut der gerade erschienenen Musk-Biografie des Autors Walter Isaacson soll Musk aktiv in den Kriegsverlauf in der Ukraine eingegriffen haben, indem er der ukrainischen Armee den Zugriff auf Starlink-Satelliten verweigerte. Ein Privatunternehmer, der über Krieg und Frieden entscheidet – das wäre ein Tabubruch in der US-Außenpolitik.
Direkt mit den Vorwürfen konfrontiert wurde Musk am Mittwoch offenbar nicht. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren forderte lediglich in einer Pause, der Kongress müsse aufklären, was genau Musk „diese Art von Macht“ in der Ukraine ermögliche. Und das US-Militär müsse seine Verträge mit der Mutterfirma SpaceX überprüfen.
Doch Rufe wie diese gehen an der Realität vorbei, die Kooperation zwischen Musk und der US-Regierung verfestigt sich: Das Pentagon gab erst im Juni bekannt, dass es neue Starlink-Satelliten-Terminals für die Ukraine kaufen wolle.
Mehr: KI-Chef des Pentagons im Interview: „Gute Daten sind wichtiger als Künstliche Intelligenz“
<< Den vollständigen Artikel: Tech-Gipfel in Washington: Elon Musk inszeniert sich im US-Kongress als Wortführer der KI-Regulierung >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.