Berlin Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat sich für eine Neuorientierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in einer multipolaren Welt ausgesprochen. „Wir brauchen eine Sicherheitspolitik mit Haltung“, sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin.
Trotz seiner Nazi-Vergangenheit trete Deutschland in der Welt gerne moralisch als der „Waisenknabe mit der weißen Weste“ auf und wende sich zu schnell von Akteuren ab, die die eigenen Werte nicht vollständig teilen. „Es reicht nicht zu sagen, wir spielen nicht mit diesen Schmuddelkindern“, betonte Pistorius.
Die Politik müsse wieder stärker in langen Linien denken, forderte der Verteidigungsminister. Denn wenn Deutschland sich abwende, könne es keinen Einfluss mehr auf Länder nehmen, die im Wettbewerb um das globale System unsicher seien. Man treibe sie damit nur in die Arme von Autokratien wie Russland oder China.
Pistorius setzt damit andere Akzente als Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die mit ihrer feministischen Außenpolitik vor allem einen moralischen Kurs fährt. Die Grünen sind es auch, die mit dem geplanten Rüstungsexportkontrollgesetz Waffenlieferungen künftig restriktiver handhaben wollen als bisher.
Man könne aber ein Land wie Indien, dessen Armee stark von russischen Rüstungsgütern abhängig ist, nicht für sich gewinnen, wenn man es jahrzehntelang auf U-Boot-Ersatzteile warten lasse, sagte der Verteidigungsminister.
Pistorius war im Juni dabei, als die Marinetochter von Thyssen-Krupp und die indische Firma Mazagon Dock Shipbuilders Limited in der Hafenmetropole Mumbai die Absichtserklärung über den Bau von sechs dieselgetriebenen U-Booten unterzeichneten. Auch hat der Bundessicherheitsrat jüngst den Export von MTU–Motoren und Bauteilen für Panzer nach Indien genehmigt. Das Schreiben, mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Wirtschaftsausschuss über die Genehmigung informierte, liegt dem Handelsblatt vor.
Ringen um das Rüstungsexportkontrollgesetz
Um das Rüstungsexportkontrollgesetz wird in der Ampel-Koalition weiter gerungen. Dass auch nach der Halbzeit der Ampel noch kein Entwurf vorliege, begründete Pistorius auch damit, dass als Grundlage zunächst die Nationale Sicherheitsstrategie und die China-Strategie hätten verabschiedet werden müssen. Beide Dokumente liegen mittlerweile vor.
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Er sei deshalb zuversichtlich, dass es ein „handhabbares“ Rüstungsexportkontrollgesetz geben werde, sagte Pistorius, ohne sich zum Zeitplan zu äußern. Die deutsche Rüstungsexportpolitik müsse geleitet sein von Frieden und Stabilität, aber auch die legitimen Sicherheitsinteressen von Verbündeten berücksichtigen. Da stehe es Deutschland gut an, ein „verlässlicherer Partner“ in der Rüstungszusammenarbeit zu werden, betonte der Verteidigungsminister.
Saudi-Arabien erwähnte Pistorius nicht explizit. Aber hier verhindert Deutschland aktuell die Ausfuhr gemeinsam produzierter Eurofighter in das arabische Königreich – und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt nicht erkennen, dass sich an dieser Haltung bald etwas ändert.
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Pistorius betonte, das zentrale Element deutscher Sicherheitspolitik in der multipolaren Welt blieben die Vereinten Nationen. Man werde auch weiter Beiträge zum internationalen Krisenmanagement leisten. Auch müsse die Politik den Reflex überwinden, das Engagement sofort einzustellen, wenn es irgendwo einen Machtwechsel gebe, der nicht unseren Vorstellungen entspreche. Es müsse stärker um eine Politik des Möglichen gehen, nicht des Wünschbaren.
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