Sep 16, 2023
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EU-Finanzministertreffen: Spaniens Wirtschaftsministerin Calviño will EIB-Spitzenjob – und fordert Vestager heraus

Written by Sandra Louven

Santiago de Compostela Nadia Calviño ist überall. Als Gastgeberin findet sich die spanische Wirtschaftsministerin beim EU-Finanzministertreffen in Santiago de Compostela auf jeder Bühne. Am Morgen gibt sie die ersten Statements in die Kameras, am Ende des Tages hat sie das letzte Wort in der Abschlusspressekonferenz.

Die gebürtige Galizierin spielt ihren Heimvorteil konsequent aus. Sie strahlt, wenn wieder ein Kollege der „lieben Nadia“ für die perfekte Organisation des zweitägigen Treffens am Freitag und Samstag dankt. Neben den 27 EU-Finanzministern sind am ersten Tag auch sämtliche Kollegen aus Lateinamerika und der Karibik anwesend. Eine bessere Bühne kann sich eine Bewerberin für einen internationalen Spitzenposten nicht wünschen.

Calvino will zum Jahresende Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg werden. Sie würde auf den Deutschen Werner Hoyer folgen, der nach 12 Jahren im Amt ausscheidet. Sie muss sich gegen vier weitere Kandidaten durchsetzen, darunter die langjährige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Entscheidung fällen die 27 EU-Finanzminister.

Calvino zeigt, was sie als EIB-Chefin bewegen könnte

Zu ihrer EIB-Kandidatur äußert sich Calviño in Santiago nicht. Das sei wegen ihrer Gastgeberrolle „nicht angemessen“, sagt sie. Es ist auch gar nicht nötig, denn ihr ganzes Auftreten ist eine einzige Bewerbungsrede.

Calviño beschwört die strategische Partnerschaft mit Lateinamerika, verkündet Milliardeninvestitionen im Rahmen der europäischen „Global Gateway“-Initiative, redet über erneuerbare Energien und neue Geschäftschancen für Unternehmen aus beiden Regionen. Sie stellt schon einmal unter Beweis, was sie als EIB-Präsidentin alles bewegen könnte.

Ihre Hauptkontrahentin Margrethe Vestager ist auch angereist. Sie hat sich einen Platz in der dänischen Delegation gesichert, um Calviño das Feld in Santiago nicht allein zu überlassen. Die EU-Kommissarin, die sich für ihren Wahlkampf hat beurlauben lassen, führt Einzelgespräche mit den Finanzministern und gibt auch eine kleine Pressekonferenz. Doch spielt sie nur eine kleine Rolle neben der omnipräsenten Spanierin.

Das entspricht auch der derzeitigen Rangordnung im EIB-Rennen. Calviño gilt als Favoritin – zumal diese Woche die Deutsche Claudia Buch zur neuen EU-Bankenaufseherin nominiert wurde und die spanische Kandidatin Margarita Delgado leer ausging.

Finanzminister halten ihre Präferenzen geheim

Die Finanzminister berieten in Santiago erstmals über die Hoyer-Nachfolge. Sie halten sich mit ihren Präferenzen noch bedeckt. Der belgische Finanzminister Vincent van Peteghem, der den Auswahlprozess leitet, hat noch kein Verfahren festgelegt. Es gebe zunächst informelle Gespräche, sagte er. Von Probeabstimmungen, um das Feld der fünf Kandidaten auszudünnen, ist noch keine Rede.

Die Finanzminister wollen vermeiden, dass es wieder eine Blockade gibt wie bei der Neubesetzung an der Spitze des Euro-Rettungsschirms ESM. Hier hatten sich Deutschland, Frankreich und Italien monatelang gegenseitig neutralisiert. Am Ende wurde es der Favorit Deutschlands, der Luxemburger Pierre Gramegna.

Auch bei der EIB-Nachfolge spielen Deutschland, Frankreich und Italien die entscheidende Rolle. Sie haben jeweils einen Anteil von 18,8 Prozent am EIB-Kapital und damit ein besonderes Gewicht bei der Abstimmung. Die siegreiche Kandidatin muss mindestens 18 Länder hinter sich versammeln, die mindestens 68 Prozent des Kapitals der Förderbank repräsentieren.

Ampel hat unterschiedliche Vorlieben

Paris und Berlin haben noch keine Position bezogen. Die Ampel-Regierung ist sich nicht einig, welche Kandidatin sie unterstützen will. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sollen zur Liberalen Vestager neigen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eher zu Calviño, die als Parteilose in der sozialistischen Regierung Spaniens sitzt.

Lindner betonte, für Deutschland sei wichtig, dass die EIB-Spitze das AAA-Rating der Bank bewahre. Die Bank dürfe sich nicht „überdehnen“, sagte er.

Das lässt sich so interpretieren, dass die oder der Neue keinen zu großen Ehrgeiz an den Tag legen sollte. Zugleich sagte Lindner, die Bank müsse agiler werden. Da habe sein Parteifreund Hoyer schon einiges erreicht, die Genehmigungsverfahren müssten aber beschleunigt werden.

Calviño hat sich in ihren fünf Jahren als spanische Wirtschaftsministerin einen Namen als pragmatische Reformerin gemacht. In der Koalition aus Sozialisten und den Linkspopulisten von Unidas Podemos war sie der Garant dafür, dass es keine wirtschaftspolitischen Experimente gibt und dass das Land sich an die Regeln aus Brüssel hält. Umgänglich im Ton, hat sie mehr als einmal politische Vorstöße der kommunistischen Arbeitsministerin Yolanda Díaz eingefangen.

Calviño wirbt mit starker Wirtschaft Spaniens

Inhaltlich hat die 54-Jährige maßgeblich am Plan für den Wiederaufbau nach der Pandemie gearbeitet. Spanien hat als erstes Land Milliardenhilfen aus Brüssel bekommen. Allerdings erntete der Plan auch Kritik: Opposition und Brüssel forderten mehr Transparenz über die Mittelvergabe. Zudem kommen die EU-Gelder nur schleppend in der Realwirtschaft an.

Ihre EIB-Bewerbung hat die studierte Juristin und Ökonomin selbstbewusst verteidigt. „Meine Kandidatur ist stark wegen der Ergebnisse der Wirtschaftspolitik, die wir in den vergangenen fünf Jahren verfolgt haben“, sagte sie. Spaniens Wachstumsprognose liegt für dieses und das kommende Jahr über dem EU-Durchschnitt.

>> Lesen Sie hier: Claudie Buch wird neue EU-Bankenaufseherin.

Vor Ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin hat Calviño lange in Brüssel gearbeitet und ist dort deshalb bestens vernetzt. Unter anderem leitete sie die Generaldirektion Haushalt unter dem damaligen Kommissar Günther Oettinger. Ihre Mitarbeiter fürchteten sie als sehr fordernde Chefin.

Calviño strebt seit Langem nach einem internationalen Spitzenjob. 2019 bewarb sie sich um die Nachfolge Christine Lagardes als Chefin des Internationalen Währungsfonds, zog sich aber nach der ersten Abstimmungsrunde zurück. 2020 wollte sie Präsidentin der Eurogruppe werden und hatte breite Unterstützung, auch von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch unterlag sie knapp dem Iren Paschal Donohoe, der das Amt bis heute innehat.

Mehr: Vestager will EIB risikofreudiger und agiler machen.



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