Athen Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat den Menschen in den Flutgebieten der Provinz Thessalien Soforthilfen und einen schnellen Wiederaufbau der zerstörten Häuser sowie der Infrastruktur versprochen. „Was immer wir verloren haben, der Staat und die Bürger, werden wir gemeinsam besser wieder aufbauen“, sagte Mitsotakis am Wochenende im nordgriechischen Thessaloniki.
Sturmtief „Daniel“ hatte Anfang September in Griechenland verheerende Überschwemmungen verursacht. Es ist das gleiche Unwetter, das eine Woche später mit neuer Kraft auf die Küste Libyens traf, wo Tausende Menschen umkamen oder vermisst werden.
In Griechenland hatte tagelanger Starkregen 720 Quadratkilometer Land in der thessalischen Ebene überflutet, eine Fläche von der Ausdehnung Hamburgs.
Örtlich wurden Regenfälle von 754 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden gemessen. Das war rund das Vierfache der Niederschlagsmenge während der Ahrtal-Flut. Mindestens 17 Menschen ertranken, unter ihnen ein junges Ehepaar aus Österreich.
Die Ebene von Thessalien gilt als Kornkammer Griechenlands und steuert rund fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Jetzt stehen viele Landwirte vor dem Nichts. Sie haben alles verloren: Haus und Hof, Felder, Tiere und Maschinen.
EU stellt Hilfsgelder von mehr als zwei Milliarden Euro in Aussicht
Erste Soforthilfen für betroffene Bewohner in Höhe von 25 Millionen Euro seien bereits am vergangenen Freitag ausgezahlt worden, sagte Mitsotakis. Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Chatzidakis will sich bei der Bezifferung der Schäden noch nicht festlegen, sagt aber: „Sie gehen in die Milliarden.“
Die Zerstörungen der Infrastruktur können erst erfasst werden, wenn sich das Wasser zurückgezogen hat. Inoffizielle Schätzungen beziffern die Schadenbilanz auf rund sechs Milliarden Euro. Das wären drei Prozent des griechischen BIP.
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte Griechenland vergangene Woche Hilfsgelder von insgesamt 2,25 Milliarden Euro in Aussicht. Aber die Katastrophe bringt die konservative Regierung finanziell in Bedrängnis. Vom nächsten Jahr an sollen wieder die Regeln des Stabilitätspaktes gelten. Das bedeutet weniger Spielraum im Haushalt.
Finanzminister Chatzidakis bereitet jetzt einen Nachtragshaushalt von rund 600 Millionen Euro für die Soforthilfe vor. Trotz der Flutkosten werde die Regierung aber an ihren fiskalischen Zielen festhalten, sagt Chatzidakis: „Würden wir jetzt die Botschaft aussenden, dass wir zu einer laxen Haushaltspolitik und den Fehlern der Vergangenheit zurückkehren, wäre das eine Schande nach den Opfern und den Fortschritten der vergangenen Jahre.“
Auch Premier Mitsotakis versicherte in einer Pressekonferenz am Sonntag, Griechenland werde in diesem Jahr, wie im Stabilitätsprogramm vorgesehen, einen Primärüberschuss von 0,7 Prozent des BIP erwirtschaften. „Dieses fiskalische Ziel steht nicht zur Diskussion“, unterstrich der Regierungschef. Die im Haushalt für Naturkatastrophen zurückgestellten Mittel sollen von 300 auf 600 Millionen Euro verdoppelt werden, kündigte Mitsotakis an.
Übernachtungsabgabe für Touristen steigt in Fünf-Sterne-Hotels auf sechs Euro
Für die Erhöhung will die Regierung Urlauber zur Kasse bitten: Die Übernachtungsabgabe in griechischen Hotels, die derzeit 50 Cent bis vier Euro pro Nacht und Gast beträgt, wird auf 1,50 Euro in Drei-Sterne-Hotels und sechs Euro in Fünf-Sterne-Häusern erhöht.
Die Flutkatastrophe wirkt sich auch auf den Umschlag im Hafen von Piräus aus, dem größten Containerhafen im Mittelmeer. Von hier fuhren täglich mehrere Güterzüge mit Containern nach Mitteleuropa. Jetzt ist die Bahntrasse in Thessalien auf einer Länge von rund 50 Kilometern in großen Teilen zerstört. Nach Regierungsangaben wird es mindestens zwei Monate dauern, bis die Strecke wieder befahrbar ist.
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Premier Mitsotakis ist zwar erst bei der Parlamentswahl im Juni in eine zweite Amtszeit gewählt worden, aber die Flut bringt ihn politisch unter Druck. Nach dem schwersten Zugunglück in der Geschichte des Landes im Februar und dem größten Waldbrand Europas im August sind die Überschwemmungen bereits die dritte große Katastrophe dieses Jahres.
Mitsotakis hatte bei seiner ersten Wahl 2019 eine Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und einen effizienteren Staat versprochen. Jetzt fühlen sich viele Menschen in den Brand- und Flutgebieten alleingelassen.
Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage sind 61 Prozent der Befragten mit der Arbeit der konservativen Regierung unzufrieden. Zwei von drei Befragten sehen das Land „auf dem falschen Weg“.
Die schlechte Stimmung könnte die Regierungspartei Nea Dimokratia bald an den Urnen spüren: In vier Wochen finden in Griechenland Kommunal- und Regionalwahlen statt. Sie gelten traditionell als politisches Stimmungsbarometer.
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