Sep 17, 2023
59 Views
Comments Off on Gewerkschaften: „Unsere Botschaft ist klar: Steuern hoch für Reiche“ – Das sind Verdis Forderungen an die Politik
0 0

Gewerkschaften: „Unsere Botschaft ist klar: Steuern hoch für Reiche“ – Das sind Verdis Forderungen an die Politik

Written by Frank Specht

Berlin Der Bundeskongress ist kaum eröffnet, da platziert der Verdi-Chef seine erste Kampfansage: Deutschland müsse die Politik der Ungleichheit überwinden, sagt Frank Werneke, es brauche mehr Investitionen, mehr Personal und einen Sozialstaat, der Verantwortung übernehme: „Deshalb ist unsere Botschaft klar: Steuern hoch für Reiche.“

Rund 1000 Delegierte bestimmen in Berlin bis zum Freitag die Gewerkschaftspolitik für die kommenden vier Jahre, mehr als 900 Anträge stehen zur Beratung an.

Und auch wenn die Ampel den Mindestlohn auf zwölf Euro gesetzt und das Bürgergeld angehoben hat, ein Tariftreuegesetz plant oder Kinderarmut bekämpfen will – so wird doch schnell klar, dass die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft sich von der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ noch mehr erwartet.

Denn die Zeiten sind herausfordernd. Der Ukrainekrieg spaltet die Gewerkschaftsmitglieder genauso wie die Gesellschaft insgesamt. Die Inflation ist weiter hoch und trifft vor allem Geringverdiener und damit eine Kernklientel von Verdi. Schulen und Autobahnbrücken verfallen, ehrgeizige Ausbauziele für Windkraft oder Solar treffen auf eine überforderte Verwaltung.

Die Klimakrise verschärft sich, und wie der weiße Elefant im Raum ist da die AfD, die in den Umfragen im Osten mittlerweile konstant über der 30-Prozent-Schwelle liegt.

Lesen Sie mehr zum Thema Gewerkschaften

Viele Bürger machten sich Sorgen, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), bei der Eröffnung vor den Delegierten in Berlin. Sie fragten sich, wie es weitergehe mit der Globalisierung, dem Klimawandel oder der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft. Aber: „Eine Gesellschaft, die eine Zukunft haben will, muss zusammenhalten.“

Wie aber dieser Zusammenhalt am besten organisiert werden kann, da sind Regierung und Gewerkschaft durchaus nicht immer einer Meinung. Die zentralen Konfliktfelder:

Schuldenbremse und Steuern

Für Verdi steht die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse Zukunftsinvestitionen und notwendigen Sozialreformen im Wege. Daran festzuhalten sei „eine fatale Fehlentscheidung“, sagte der Verdi-Chef in seiner Eröffnungsrede. Denn dies werde dramatische Folgen insbesondere in sensiblen Bereichen wie Kinderarmut, Gesundheit, Pflege und Bildung haben, betonte Werneke. Bereichen, in denen es „um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht“.

Für die soziale Gestaltung des ökologischen Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft seien öffentliche Investitionen von 100 Milliarden Euro jährlich erforderlich, rechnet Verdi vor. Die Gewerkschaft fordert deshalb einen Spitzensteuersatz von mehr als 50 Prozent für besonders hohe Einkommen, die Wiedereinführung der Vermögensteuer ab einer Million Euro und eine reformierte Erbschaftsteuer, die auch Firmenerben stärker belastet.

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht vor den Verdi-Delegierten

„Ich setze mich all denjenigen entgegen, die sagen, weil die Zeiten schwierig sind, muss der Sozialstaat zurückgefahren werden – das Gegenteil ist richtig.“


(Foto: dpa)

Scholz äußerte sich in seiner Rede nicht zu dem sensiblen Thema, gehört doch die Einhaltung der Schuldenbremse zu den Kernanliegen der FDP. Rückendeckung erhielt Verdi aber ausgerechnet von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der vor den Delegierten auf einen gewaltigen Investitionsstau verwies: „Die Schuldenbremse darf keine Zukunftsbremse sein.“

Sozialstaat

„Ich setze mich all denjenigen entgegen, die sagen, weil die Zeiten schwierig sind, muss der Sozialstaat zurückgefahren werden – das Gegenteil ist richtig“, sagte Kanzler Scholz. Er verwies auf die Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag, die Wohngeldreform oder die kräftige Anhebung des Bürgergelds.

Doch Werneke, der unter anderem das „unwürdige Gezerre“ um die Kindergrundsicherung kritisierte, sieht „ein Spardiktat zulasten der Bereiche Soziales, Integration und Bildung“.

Verdi fordert unter anderem eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung, höhere Bürgergeld-Sätze und eine Pflegevollversicherung, die alle Kosten abdeckt.

>> Lesen Sie hier den Kommentar zur Kindergrundsicherung: Der Staat zeigt sich handlungsunfähig

Dass die Koalition das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren will, reicht der Gewerkschaft nicht. Mindestens 53 Prozent sollten es schon sein, finanziert durch höhere Beiträge und Steuerzuschüsse. Den von der FDP vorangetriebenen Ausbau der kapitalgedeckten Säule in der Rentenversicherung lehnt die Gewerkschaft dagegen ab.

„Mit ihrer Forderung nach Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent legt Verdi die Axt an die Generationengerechtigkeit“, kritisiert der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober.

Die jüngere Generation müsse in den nächsten Jahrzehnten die Transformation der Gesellschaft zur Klimaneutralität stemmen und sich dem verschärfenden weltweiten Wettbewerb stellen. Und dazu solle sie auch noch steigende Rentenversicherungsbeiträge schultern“, sagt Kober.

Mindestlohn

Zwar war es die Ampel, die den Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben hat. Doch dass die Lohnuntergrenze nach dem Beschluss der Mindestlohnkommission nächstes Jahr nur auf 12,41 Euro angehoben werden solle, sei eine „schallende Ohrfeige“ für die Beschäftigten, sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi bei dem Kongress.

>> Lesen Sie hier das Interview mit DGB-Chefin Yasmin Fahimi: „Herr Lindner muss die Frage beantworten, ob dieses Land noch eine stabile Industriebasis haben soll“

Verdi fordert eine Anhebung auf 14 Euro schon im Jahr 2024. „Eine ordentliche Lohnuntergrenze gehört zur Sozialpartnerschaft in diesem Lande dazu“, sagte Scholz, ohne sich zu einer konkreten Höhe zu äußern.

Allerdings hätte die Sozialpartnerschaft es geboten, in der Kommission eine einvernehmliche Lösung zu fällen, betonte der Kanzler. Der Beschluss war nur zustande gekommen, weil die Kommissionsvorsitzende mit den Arbeitgebervertretern gestimmt hatte.

Klimaschutz

Verdi kämpft gemeinsam mit Fridays for Future für einen besseren öffentlichen Nahverkehr und macht sich auch für schärfere Klimaziele stark. Für Gewerkschaften, die thematisch breit aufgestellt sind, sei es wichtig, als aktiver Akteur in politischen Diskursen zu agieren, um auf Entscheidungen Einfluss nehmen zu können, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer.

Allerdings kann das auch heikel sein, wenn schärfere Klimaziele Kosten verursachen, die dann auch Geringverdiener treffen. Verdi verbindet ihre Forderung deshalb mit einem sozialen Ausgleich etwa für steigende CO2-Preise.

Mehr: Interview mit Verdi-Chef Frank Werneke – „Ich sehe keine lang anhaltende Krise“



<< Den vollständigen Artikel: Gewerkschaften: „Unsere Botschaft ist klar: Steuern hoch für Reiche“ – Das sind Verdis Forderungen an die Politik >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.