Peking, Berlin, Paris Vor seinem Abflug nach China telefonierte Emmanuel Macron noch mit Joe Biden. Die Präsidenten Frankreichs und der USA hätten ihren gemeinsamen Willen bekundet, Peking „bei der Beschleunigung eines Endes des Krieges in der Ukraine“ und „dem Aufbau eines nachhaltigen Friedens in der Region“ in die Pflicht zu nehmen, hieß es aus dem Élysée-Palast.
Macron, der zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch zu einem dreitägigen Staatsbesuch in China eintraf, hat die Hoffnung auf einen konstruktiven Beitrag von Staatschef Xi Jinping im Ukrainekrieg noch nicht ganz aufgegeben. Auch wenn der Frust über die Unterstützung für Russlands Präsident Wladimir Putin nicht nur in Paris, sondern auch in anderen europäischen Hauptstädten groß ist.
Die Illusion, die sich trotz eindeutiger Signale aus Peking noch lange hielt, ist Ernüchterung gewichen. Eine chinesische Vermittlerrolle gilt mittlerweile in Paris wie auch in Berlin als ausgeschlossen. Dennoch sagte Macron nach seiner Ankunft, dass Peking eine „wichtige Rolle“ bei der Suche nach einem Frieden spielen könne. Es wäre falsch, China nur mit Russland sprechen zu lassen.
Die Erfolgschancen für das Treffen mit Xi am Donnerstag schätzt man im Élysée-Palast allerdings zurückhaltend ein: Macron werde die chinesische Führung nicht von ihren „roten Linien“ abbringen und zu einer Verurteilung des russischen Angriffs bewegen können. Ziel sei aber, Spielräume auszuloten für „Initiativen, die positive Auswirkung für die ukrainische Bevölkerung haben“ und „einen Weg für mittelfristige Lösung dieses Kriegs zu identifizieren“.
Ein Berater Macrons sagte: „Angesichts der engen Beziehungen zwischen China und Russland ist klar, dass China eines der wenigen Länder auf der Welt ist, wenn nicht das einzige Land auf der Welt, das einen Game-Changer-Effekt in dem Konflikt haben kann – in die eine Richtung oder die andere.“ Damit verbunden ist die Warnung an Peking, sich mit etwaigen Waffenlieferungen nicht noch stärker auf die Seite Russlands zu schlagen.
Ernüchterung nach Xi-Besuch in Moskau
Im vergangenen November hatte Macron beim G20-Gipfel in Bali noch gehofft, dass Xi vermittelnd in den Konflikt eingreifen könnte. Doch der französische Präsident weiß die jüngsten Signale aus Peking zu deuten. Beim Staatsbesuch in Moskau Ende März kündigten Xi und Putin, die sich gegenseitig als „lieber Freund“ bezeichneten, gar eine „neue Ära“ der bilateralen Beziehungen an.
Trotz aller Behauptungen bleibt China in Falle des Ukrainekrieges auf Seiten Russlands.
(Foto: via REUTERS)
Angesichts der harten westlichen Sanktionen gegen Russland gilt der Handel mit China als für Moskau wichtige Lebensader, die das Land weiter mit Geld und Technologie versorgt. Dennoch versucht die chinesische Staatsführung, sich als neutraler Vermittler im Ukrainekrieg darzustellen.
Am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine stellte sie ein Zwölf-Punkte-Papier zur „politischen Lösung der Ukrainekrise“ vor. Darin werden ein Waffenstillstand und Friedensgespräche gefordert.
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Das Papier enthält jedoch keine konkreten Vorschläge, wie ein Friedensplan aussehen könnte. Auch ein russischer Abzug aus der Ukraine kommt darin nicht vor. Während sich Xi mit Putin regelmäßig austauscht, hat der chinesische Staatschef mit Ukraines Präsident Wolodimir Selenski seit Beginn des Krieges kein einziges Mal gesprochen. Xi sei sehr beschäftigt, begründete Chinas Botschafter bei der EU, Fu Cong, in einem Interview mit der „New York Times“ dies.
Warnung vor chinesischer Schein-Neutralität
Marc Julienne und Tatiana Kastouéva-Jean vom Pariser Thinktank Institut français des relations internationales (Ifri) warnen in einer Analyse davor, die verbindende Wirkung der antiwestlichen Positionen in Moskau und Peking zu unterschätzen. Europas Versuche, China in die Pflicht zu nehmen, seien „nicht nur illusorisch, sondern befeuern den Diskurs Chinas, sich als pazifistischer und konstruktiver Akteur darzustellen, während es Russland voll unterstützt“.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Xi gemeinsam mit Macron trifft, richtete vergangene Woche eine Warnung an Peking: Chinas Verhalten im Ukrainekrieg werde ein „entscheidender Faktor“ für die Zukunft seiner Beziehungen mit Europa sein. „Weit davon entfernt, sich von der grausamen und illegalen Invasion in der Ukraine abschrecken zu lassen, hält Präsident Xi an seiner grenzenlosen Freundschaft mit Putin fest.“
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Auch die Bundesregierung erhöht den Druck auf China. Anfang März sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, seine Botschaft an Peking sei klar: „Nutzen Sie Ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen.“
Die deutsche Wirtschaft äußerte sich anlässlich der Reise von Macron ungewöhnlich deutlich. „China hat mit seiner Haltung im Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine viel Vertrauen in Deutschland und Europa verspielt“, erklärte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner. Peking müsse sich „auch gegenüber Russland für die Einhaltung der Prinzipien der Vereinten Nationen und damit die Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine einsetzen“.
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