Apr 5, 2023
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Verteidigungsministerium: Pistorius wagt den großen Umbau im Wehrressort

Written by Frank Specht

Berlin Boris Pistorius wird der Spruch zugeschrieben, dass man in Verwaltungswissenschaften mit dem Organigramm des Verteidigungsministeriums schon im ersten Semester durchfallen würde. Das Haus mit zehn Abteilungen an zwei Dienstsitzen in Berlin und Bonn sei kaum regierbar, sagen Kritiker.

Es herrsche eine Kultur der Delegation von Verantwortung. Und 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zwei Standorten seien „tatsächlich sehr viele“, sagte Pistorius dem „Spiegel“.

Nun zeichnet sich ab, dass der Ressortchef gründlich aufräumen will, noch bevor seine ersten 100 Tage im Amt vorbei sind. Kernelement ist die Wiedereinführung eines zentralen Planungs- und Führungsstabs, der alle Vorlagen an die politische Leitung des Ministeriums und an den Generalinspekteur bewerten sowie inhaltlich und qualitativ steuern soll.

SPD-Mann Pistorius hatte sich im kleinen Kreis darüber beklagt, wie viele Unterschriften in seinem Haus nötig seien, bevor eine Vorlage entscheidungsreif sei. Das soll sich nun ändern. „Der Planungsstab verbessert die politische Führungsfähigkeit“, sagt der Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels. Der Stab schaue aus der Sicht des Ministers auf anstehende Projekte und versuche, schon im Vorfeld konkurrierende Interessen auszugleichen.

Der damalige SPD-Verteidigungsminister Helmut Schmidt hatte Ende der 1960er-Jahre ein entsprechendes Gremium eingerichtet, das dann aber unter Minister Thomas de Maizière (CDU) im Jahr 2012 wieder abgeschafft wurde.

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Die Wiedereinführung setze an der „viel zu großen Führungsspanne“ im Ministerium an und bedeute mehr Führungsfähigkeit für den Minister und mehr Verbindlichkeit und Ergebnisorientierung in den Abläufen, lobte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Hellmich.

Offiziell wollte das Verteidigungsministerium die Pläne am Mittwoch nicht bestätigen. Aber man wolle „schneller und unbürokratischer werden“, sagte ein Sprecher. Dafür meldete sich bereits der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr (VBB) zu Wort, der den militärisch geführten Planungsstab kritisch sieht und vor einer „Entmachtung“ der Staatssekretärinnen und -sekretäre im Ministerium warnte.

Die Vorlagen an die politische Leitung des Hauses gingen künftig durch einen „militärischen Filter“, kritisiert die Interessenvertretung des Zivilpersonals der Bundeswehr. Und die Büros der Staatssekretäre oder des Generalinspekteurs, die mit Wegfall des Planungsstabs 2012 personell massiv aufgestockt worden waren, sollen nun wieder ausgedünnt werden. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, könnten im Leitungsbereich rund 160 von 370 Stellen gestrichen werden.

„Es ist richtig, dass der Minister die Versäumnisse der Vergangenheit nun in hohem Tempo aufarbeitet“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Dabei habe Pistorius ihre volle Unterstützung. „Wir brauchen im Verteidigungsministerium eindeutig weniger Häuptlinge.“ Die aktuelle Personallage sei der sicherheitspolitischen Lage in keiner Weise angemessen.

Der VBB beklagt allerdings, dass die Ministeriumsspitze über beabsichtigte organisatorische Änderungen bisher lediglich mündlich informiert habe. Pistorius, der zuvor das Innenressort in Niedersachsen leitete, bringt selbst Erfahrung mit der Führung eines Ministeriums mit und werde daher sicher auch auf die Beteiligung und Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses achten, sagte die stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger.

Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger

„Es gibt genug kluge Papiere, was sich ändern muss, ist die Praxis.“

(Foto: IMAGO/Future Image)

„Aber es ist gut, dass endlich was passiert und Reformen nicht wieder durch irgendeine Kommission oder einen neuen Strategieprozess eher verschleppt werden.“ Kluge Papiere gebe es genug, was sich ändern müsse, sei die Praxis, sagte Brugger.

Allerdings geht Pistorius bislang beim personellen Umbau seines Hauses wenig zimperlich vor – oder er kann nicht verhindern, dass Personalentscheidungen den Weg in die Presse finden, bevor er selbst mit den Betroffenen gesprochen hat.

So soll es bei Annette Lehnigk-Emden gewesen sein, die Pistorius von der Vizepräsidentin des Beschaffungsamts der Bundeswehr zur Präsidentin machte. Amtsinhaberin Gabriele Korb musste weichen. Zuvor hatte Pistorius bereits Generalinspekteur Eberhard Zorn und Staatssekretärin Margaretha Sudhof in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Neuer ranghöchster General als Nachfolger Zorns ist seit dem 17. März Carsten Breuer.

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Wie die Agentur DPA berichtet, stehen bereits weitere Personalwechsel an. Demnach soll Roland Börger, ein Fachmann aus dem Ministerium, neuer Chef des Bonner Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr werden.

Neuer Abteilungsleiter für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen im Ministerium wird demnach Alexander Götz aus Pistorius“ niedersächsischer Heimat, ein Experte für die Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz.

Kenner des Ministeriums gehen davon aus, dass sich das Personalkarussell noch längst nicht zu Ende gedreht hat. Viele Spitzenbeamte seien noch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) berufen worden und dienten mittlerweile dem vierten Minister.

Für die alte Kultur des Hauses, die jetzt geändert werden soll, stehen etwa der für Rüstung zuständige Staatssekretär Benedikt Zimmer und Abteilungsleiter Carsten Stawitzki. Auch darauf, dass die neue Beschaffungschefin Lehnigk-Emden die Koblenzer Behörde lange führen wird, wollen nicht alle wetten. Sie sei in ihrer Zeit als Vizepräsidentin eher dafür bekannt gewesen, die Dinge zu verlangsamen, sagen Kritiker.

Und bei den Strukturreformen steht Pistorius erst ganz am Anfang – zum Beispiel bei der Frage, ob alle nachgeordneten zivilen Bundesämter eine eigene Ministerialabteilung brauchen.

Mehr: Gastkommentar Kersten Lahl: Eine hastige Wiederaufnahme der Wehrpflicht stärkt die Verteidigungsfähigkeit nicht



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