Die SPD-Rechtsexpertin Zanda Martens bringt nun staatliche Hilfen für Immobilienkäufer ins Spiel, die wegen der steigenden Zinsen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. „In dieser inflationsbedingt beginnenden Hochzinsphase wäre es sinnvoll, die Hypothekenzinsen den gewinnorientierten Marktkräften zu entziehen und ein großes staatliches Kreditprogramm der KfW aufzulegen – allerdings nur für bedürftige Familien, die ihr Wohneigentum selbst nutzen“, sagte Martens dem Handelsblatt.
Die SPD-Abgeordnete hält einen solchen Schritt auch deshalb für notwendig, „weil selbst normalverdienende Familien durch Inflation und gestiegene Hypothekenzinsen heutzutage kein Wohneigentum mehr bilden können und die Wohnungsbauindustrie unter Auftragsrückgängen leidet“.
Martens fürchtet auch für Mieterinnen und Mieter härtere Zeiten. „Denn mit steigenden Kreditzinsen und hohen Baukosten können sich viele Menschen kein Eigentum mehr leisten oder treten von Bauprojekten zurück“, sagte sie. In der Folge würden mehr Mietwohnungen nachgefragt, was das Angebot weiter verknappe und die Mieten noch kräftiger steigen lasse. „In Deutschland betrifft das Millionen von Menschen, da nur rund die Hälfte der Bevölkerung Eigentümer ihrer Wohnung ist“, erklärte die SPD-Politikerin.
Die Bauzinsen für zehnjährige Finanzierungen sind zuletzt erneut über die Marke von vier Prozent geklettert, wie etwa Daten des Kreditvermittlers Interhyp zeigen.
Wohnimmobilien am häufigsten versteigerte Immobilienart
Laut den Experten des Fachverlags Argetra, die die Termine für Zwangsversteigerungen an allen knapp 500 Amtsgerichten in Deutschland auswerten, werden sich die steigenden Lebenshaltungskosten und Zinsen ab Mitte des Jahres bei den Immobilien-Zwangsversteigerungen bemerkbar machen.
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Ernes Shabani, Argetra-Direktor Operations & Sales, erklärt: „Die Dauer bis zur Eröffnung beziehungsweise bis zum Zwangsversteigerungstermin beträgt je nach Amtsgericht zwischen sechs Monaten und 1,5 Jahren.“
In einem aktuellen Argetra-Bericht heißt es, bei Finanzierungen von Einfamilienhäusern und Wohnungen seien die Risiken „seit Jahren“ gestiegen: „Damit sind Wohnimmobilien erneut die am häufigsten versteigerte Immobilienart.“ Im vergangenen Jahr wurden demnach 12.077 Immobilien mit einem Verkehrswert von rund 3,4 Milliarden Euro zur Versteigerung aufgerufen.
Erhebungen zufolge sind Wohnimmobilien die am häufigsten versteigerten Immobilienarten.
(Foto: E+/Getty Images)
So fürchtet denn auch die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser (FDP), dass in diesem Jahr mehr Menschen Wohnungen oder Häuser verkaufen müssen, weil sie die Anschlussfinanzierung wegen der gestiegenen Zinsen nicht mehr stemmen können. „Besonders hart vom aktuellen Zinsniveau werden diejenigen getroffen, deren langjähriges Darlehen mit festem Zinsniveau in nächster Zeit auslaufen wird“, sagte Weeser dem Handelsblatt.
Auch wenn sich Betroffene frühzeitig um ein sogenanntes „Forward-Darlehen“ bemühten und sich über die verschiedenen Optionen einer Anschlussfinanzierung informierten, werde das gestiegene Zinsniveau zu deutlich höheren Raten führen.
Wohngeld gegen Notverkäufe
Im schlimmsten Fall, erklärte die FDP-Politikerin, sei die Tilgung so hoch, dass eine Finanzierung nicht mehr möglich sei oder bedeutend länger dauere. „Damit müssten viele Haushalte unweigerlich mit dem Gedanken spielen, die Immobilie wieder zu veräußern, um einen größeren finanziellen Schaden abzuwenden“, sagte Weeser. „Das wäre das absolute Worst-Case-Szenario.“
Die Bundesregierung reagiert bislang zurückhaltend. Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) teilte auf Anfrage des Handelsblatts mit, fachlich sei das Bundesbauministerium von Klara Geywitz (SPD) zuständig.
Dem Bundesbauministerium liegen nach eigenen Angaben derzeit keine Zahlen dazu vor, wie hoch die Anzahl der Haushalte ist, die durch die in den vergangenen Monaten gestiegenen Zinsen Probleme bei der Immobilienfinanzierung bekommen könnten.
Die Bundesregierung reagiert bislang bei möglichen staatlichen Hilfen für Immobilienbesitzer zurückhaltend.
Das Wohngeld könne aber auch Haushalte im selbst genutzten Wohneigentum unterstützen „und somit auch bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Kreditanschlussfinanzierung herangezogen werden“, teilte das Ressort von Geywitz mit.
Nach der zum Januar in Kraft getretenen Wohngeldreform können Haus- und Wohnungseigentümer Wohngeld beantragen – den sogenannten Lastenzuschuss. Bezuschusst werden die Kosten für den Kapitaldienst und die Nebenkosten. Es ist jedoch fraglich, ob diese Gelder wirklich Notverkäufe verhindern können.
In den Bundesländern mit den landeseigenen Förderbanken fallen die Einschätzungen unterschiedlich aus. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel prüft die Möglichkeit, eine Anschlussfinanzierung zu fördern. In Bayern heißt es: „Vorhaben, die bereits finanziert sind, können nachträglich nicht gefördert werden.“ Zinsverbilligte Kredithilfen für die Anschlussfinanzierung laufender Kredite gebe es darum nicht.
Kurze Zinsbindung auf eigenes Risiko
In Niedersachsen gibt es derzeit keine Überlegungen für explizite Hilfen für Anschlussfinanzierungen von Kreditnehmern. Die Landesregierung rechnet vor, dass der Durchschnitt der letzten 20 Jahre bei zehnjähriger Zinsbindung bei rund vier Prozent gelegen habe – und damit dem derzeitigen Stand entspreche. Daher bestehe aus „marktlicher Sicht“ noch kein „alarmierendes Niveau“. Sollte sich das ändern, könnten aber Schritte unternommen werden, um Haushalte „bei der Finanzierung und dem Halten des Wohneigentums“ zu unterstützen.
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In einem anderen Bundesland waren inoffiziell Bedenken zu hören. Sollten Bestrebungen verfolgt werden, auch Anschlussfinanzierungen zu subventionieren, würden jene mit einer Förderung bedacht, die bewusst wegen günstiger Konditionen eine kurze Zinsbindung gewählt hätten. Die Politik müsste sich dann den Vorwurf gefallen lassen, mit Steuergeldern die „Zinszockerei“ Einzelner zu belohnen – von fehlenden Mitteln für eine solche Förderung einmal abgesehen.
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