Berlin Wer Klimaschutzvorreiter sucht, denkt meist zuerst an die skandinavischen Länder. Dänemark, Schweden und Norwegen setzen stark auf erneuerbare Energien und zählen seit Jahren zu den Vorreitern beim Kampf gegen die Erderwärmung.
Aber es gibt auch andere Länder, die sich auf dem Weg in eine fossilfreie Welt durch einen zügigen Ausbau der Erneuerbaren eine gute Ausgangsposition erarbeitet haben, etwa Chile und Marokko. Der am Montag von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und der Denkfabrik NewClimate Institute vorgelegte Klimaschutz-Index (KSI) 2023 zeigt diese Vorreiter, aber auch diejenigen, die noch Nachholbedarf haben.
Der seit 2005 jährlich veröffentlichte Index vergleicht 59 der größten Emittenten weltweit und die EU hinsichtlich ihrer Klimaschutzbemühungen. Zusammen stehen die Länder für 92 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.
Bewertet wurden vier Kategorien: Emissionsniveau und -trend, was mit 40 Prozent in die Bewertung einfließt. Mit jeweils 20 Prozent schlagen zu Buche: der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Energieverbrauch und die Klimapolitik. Das sind die zentralen Ergebnisse:
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Dänemark, Schweden, Chile und Marokko belegen die Ränge vier bis sieben. Die Plätze eins bis drei bleiben wie in den Vorjahren frei, da sich noch kein Land auf dem weltweit angestrebten 1,5-Grad-Pfad befindet.
2015 hatte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen darauf geeinigt, die Erderwärmung im vorindustriellen Vergleich auf unter zwei Grad Celsius, besser 1,5 Grad, zu begrenzen. Inzwischen herrscht weitgehend Konsens darüber, sich nicht mit zwei Grad zufriedengeben zu können, um die größten Zerstörungskräfte des Klimawandels abzumildern.
Bis heute hat sich die globale Durchschnittstemperatur um 1,1 bis 1,2 Grad erhöht – und die Extremwetterereignisse nehmen rund um den Globus zu.
Deutschland rutscht ab
Deutschland hat sich im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze auf Rang 16 verschlechtert. Die neue Bundesregierung erhält bessere Noten als die vorherige und die im Fünf-Jahres-Vergleich (2017 bis 2021) rückläufigen Pro-Kopf-Emissionen sorgen für gute Bewertungen beim Emissionstrend.
Dagegen rächt sich jetzt die schwache Klimapolitik der vergangenen Jahre, heißt in dem Bericht. „Der seit 2020 stark gebremste Ausbau der Erneuerbaren und die nach Corona wieder sprunghaft gestiegenen Emissionen vor allem im Verkehrssektor schlagen stark ins Kontor.“
Unter der letzten Regierung von Union und SPD war der Ausbau der Windenergie massiv eingebrochen. „Wenn die Beschleunigungspakete der neuen Bundesregierung wirken, kann sich diese Platzierung in den nächsten Jahren wieder verbessern“, so die Autoren des Rankings.
Negativ zu Buche schlägt aber „die Fixierung von Kanzler Olaf Scholz auf den überdimensionierten Ausbau von Flüssiggas-Importen und das Hochfahren von Kohlekraftwerken infolge der Energiepreiskrise“, erklärt Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Indexes. Zum anderen drücke auch „die Arbeitsverweigerung“ von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei der Umsetzung der Klimaziele im Verkehr auf Deutschlands Bewertung.
EU-Länder zwischen „gut“ und „sehr schwach“
Die EU als Ganzes macht drei Plätze wett und liegt auf Platz 19. Hauptgrund für den Aufstieg sind die nachgeschärften Klimapläne durch das „Fit for 55“-Paket. „Langfristig wird die EU im Klimaschutz-Index jedoch nur aufsteigen, wenn sie alle Mitgliedstaaten unter anderem mit einem CO2-Preis für Verkehr und Wärme dabei unterstützt, ihre Emissionen weiter zu senken“, sagt Thea Uhlich von Germanwatch und Co-Autorin.
Derzeit ist das Bild bei den EU-Staaten sehr unterschiedlich. Dänemark und Schweden rangieren etwa auf den Plätzen vier und fünf weit oben, Spanien und Frankreich auf 23 und 28 im mittleren Bereich, Ungarn und Polen hingegen auf den Plätzen 53 und 54 weit unten.
>> Lesen Sie hier: „Wir stecken im fossilen Zeitalter fest“ – Globale CO2-Emissionen steigen 2022 weiter
Das Ambitionsniveau steht jedoch weiterhin nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel im Einklang. Die EU sollte ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken und bis 2040 klimaneutral werden, fordern die Experten. Die derzeitigen Pläne sehen vor, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren. Treibhausgasneutralität ist für 2050 geplant.
Die größten Emittenten, China und die USA, in der Kategorie „sehr schlecht“
China ist um 13 Plätze auf Rang 51 abgestiegen. Das Land investiert zwar in sehr großem Umfang in Erneuerbare, schneidet aber vor allem beim Emissionstrend (2016 bis 2021) sehr schlecht ab. „China schafft es bisher nicht, die steigenden Emissionen zu drosseln und den Trend nachhaltig umzukehren“, bilanziert Niklas Höhne vom NewClimate Institute.
Die USA haben sich aufgrund progressiverer Klimapolitik im Ranking auf Platz 52 verbessert. Auch bei Emissionen und Energieverbrauch zeigen die Trends den Experten zufolge in die richtige Richtung. Allerdings ist das Emissionslevel pro Kopf sehr hoch.
Indien hat sich im Ranking um zwei Plätze auf Rang acht verbessert. Das Land profitiert vor allem von immer noch geringen Pro-Kopf-Emissionen und einem vergleichsweise geringen Energieverbrauch. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien erhält gute Noten. Der Emissionsanstieg ist allerdings so gravierend, dass das Land ohne Kursänderung in absehbarer Zeit abrutschen wird.
Schlusslichter Russland, Iran, Kasachstan und Saudi-Arabien
Zu den Schlusslichtern im Gesamt-Index gehören die ölreichen Länder Russland, Iran, Kasachstan und Saudi-Arabien. Russland bezog 2020 nur etwa drei Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen. Das liegt weit unter dem Durchschnitt der meisten Länder im Klimaschutz-Ranking.
Die Dringlichkeit der Klimakrise werde ignoriert, heißt es in dem Bericht. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine habe zu einem massiven Einsatz von Waffen, Fliegern, Panzern und Lastwagen durch Russland und die Ukraine geführt, was einen großen Ausstoß an Treibhausgasen nach sich zieht.
Russland habe zudem die weltweiten Bemühungen für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad untergraben, heißt es weiter. „Die aus dem Krieg resultierende Energiekrise hat weltweit den Klimaschutz geschwächt, da Länder nach neuen fossilen Brennstoffquellen suchen, anstatt Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.“
Mehr: „Sollen sich doch die anderen anstrengen“ – An welchem Dilemma die Klimaverhandlungen scheitern
<< Den vollständigen Artikel: Erderwärmung: Klimaschutz-Ranking: Deutschland rutscht ab >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.