Nov 14, 2022
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Türkei: Anschlag in Istanbul: Warum jetzt schwierige Zeiten auf die Türkei und ihre Partner zukommen

Written by Ozan Demircan

Istanbul Der Anschlag auf der Istanbuler Istiklal-Allee mit sechs Toten und 83 Verletzten am Sonntagnachmittag hat bereits politische Konsequenzen – und wird eine Zusammenarbeit mit dem Land künftig schwieriger machen.

Am Sonntagnachmittag soll in der Einkaufsstraße in der Innenstadt Istanbuls eine Bombe in einem Rucksack explodiert sein, wie unbestätigte Aufnahmen von Sicherheitskameras zeigen. Eine Person, die den Rucksack hinterlassen haben soll, und 21 weitere Verdächtige wurden festgenommen.

Kurze Zeit nach der Explosion sprach Präsident Recep Tayyip Erdogan von einem Terroranschlag: „Die Bemühungen, die Türkei und die türkische Nation durch Terrorismus zu unterwerfen, werden heute und morgen nicht mehr so erfolgreich sein wie gestern.“

Der Anschlag weckt Erinnerungen an die Terrorserie in den Jahren 2015 und 2016. Über einen Zeitraum von 18 Monaten kam es fast täglich zu Anschlägen, bei dem heftigsten kamen 103 Menschen ums Leben. Damals verschärfte die Regierung viele Sicherheitsmaßnahmen und schränkte Freiheitsrechte ein. Außerdem war die Anschlagsreihe Beginn zahlreicher diplomatischer Krisen mit Partnerländern, unter anderem mit den USA, Deutschland und weiteren Nato-Mitgliedstaaten.

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Dasselbe droht auch jetzt, wie erste Entwicklungen und Aussagen andeuten. Etwa von Innenminister Süleiman Soylu: „Der Befehl für den Anschlag ist aus der nordsyrischen Stadt Kobani gekommen“, sagte er am Montagmorgen. Der Minister machte auch die Vereinigten Staaten verantwortlich. Eine Beileidsbekundung aus dem Weißen Haus käme einem „Mörder gleich, der als erster am Tatort auftaucht“.

Terror in der Türkei: Folgen für das Verhältnis zur Nato

Die Türkei wirft den USA vor, die PYD, den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu unterstützen. Genau diese Gruppe wird auch jetzt für den Anschlag verantwortlich gemacht. Die Beweise deuteten auf die PKK und die PYD, sagte Soylu. Ende September hatten Mitglieder der PKK bei einem Anschlag im südtürkischen Mersin einen Polizisten getötet.

>> Lesen Sie hier: Möglicher Türkei-Beitritt zu Nato-Konkurrent: Erdogan gibt sich unbeeindruckt von Kritik

Die Vorwürfe könnten nicht nur Folgen für das Verhältnis zwischen Ankara und Washington haben, sondern auch für die Beziehung zum Nato-Beitrittskandidaten Schweden. Die Regierung in Stockholm hatte nach der russischen Invasion in der Ukraine beschlossen, dem westlichen Verteidigungsbündnis beizutreten. Die Türkei blockiert die Mitgliedschaft mit dem Vorwand, Schweden unterstütze Terrorgruppen wie die PKK und PYD.

Ein Besuch des neuen schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in Ankara vergangene Woche brachte nicht den erwünschten Durchbruch in den Verhandlungen. Die Türkei verlangt ein härteres Vorgehen der Behörden gegen Mitglieder der Gruppierungen, die in Schweden leben. Diese Blockade der Türken dürfte sich nach dem Anschlag weiter verschärfen.

Recep Tayyip Erdogaan

Der türkische Präsident stellt sich weiter gegen einen Nato-Beitritt Schwedens.


(Foto: AP)

Innenpolitisch zog die türkische Regierung bereits die Zügel an. Gleich nach dem Anschlag war eine Nachrichtensperre verhängt worden. Damit sollten Spekulationen bezüglich der Explosion unterbunden werden. Twitter und Instagram waren zwischenzeitlich so gut wie nicht erreichbar. Dass viele Regierungsmitglieder ihre offiziellen Mitteilungen dennoch zuerst auf der Kurznachrichtenplattform verkündet hatten, ist die tragische Ironie dieser Strategie.

Das erste große Attentat nach mehr als fünf Jahren führt auch aufgrund der spätestens im Juni 2023 stattfindenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu großer Aufregung. Die regierende Koalition aus AKP und MHP droht ihre Mehrheit zu verlieren.

Polizisten in Istanbul

Die Explosion am Sonntag war der erste große Anschlag seit mehr als fünf Jahren.


(Foto: AP)

Schnell kamen Spekulationen auf, dass die Regierung den jüngsten Anschlag politisch dazu nutzen könnte, die Bevölkerung hinter dem Antiterrorkampf zu vereinen, damit sie bei den Wahlen auf den bewährten Amtsinhaber Erdogan setzt.

Dieser Theorie zufolge hat Erdogan als langjähriger Präsident bessere Chancen, die Menschen von seinen Fähigkeiten im Kampf gegen den Terror zu überzeugen. Die Opposition habe sich in dem Bereich hingegen noch nicht aktiv beweisen können und verliere daher in der Wählergunst.

AKP profitierte von ihrem Vorgehen gegen den Terror

Bereits im November 2016 hatte Erdogan ein hartes Vorgehen gegen den Terror angekündigt. „Wir werden von jetzt an nicht mehr warten, bis wir selbst im Morast stecken“, erklärte er bei einer Rede, „sondern aktiv werden, bevor uns die Bedrohung erreicht.“ Es folgten Einsätze von Militär und Gendarmerie sowohl im eigenen Land als auch in Nordsyrien und dem Nordirak. Erst vor zwei Tagen kam bei einer Militäroperation im Nordirak ein türkischer Unteroffizier ums Leben.

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Die Theorie ist bislang rein spekulativ, trotzdem erscheint sie vielen Menschen logisch. „Es ist nicht normal, dass alle sofort an die Wahlen dachten, sobald die Bombe explodierte“, schrieb ein türkischer Twitter-Nutzer auf der Nachrichtenplattform.

Bei den Wahlen im Juni 2015 hatte es keine klare Mehrheit für die AKP gegeben, die Regierung rief daher Neuwahlen fünf Monate später aus. Kurz darauf begannen die Anschläge. Bei den Neuwahlen im November desselben Jahres hatte es dann für die Mehrheit gereicht.

Mehr: Der neue Rüstungsgigant – Die Türkei wird für die Nato zum Problem.



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Politik

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