Brüssel Zu den größten Hemmnissen für Chinas Diplomatie zählen ausgerechnet die eigenen Diplomaten: Was sich schon in der Pandemie gezeigt hatte, erweist sich nun auch im Ukrainekrieg. Gerade als es so aussah, als würden Pekings Bemühungen aufgehen, mit Frankreich einen der wichtigsten EU-Staaten von einer gemeinsamen Friedensinitiative zu überzeugen, entfacht der chinesische Botschafter in Paris europaweit Empörung – und blamiert die französische Regierung.
In einem Fernsehinterview hatte Lu Shaye den Staaten der früheren Sowjetunion die Souveränität abgesprochen. Die EU-Außenminister, die sich am Montag in Luxemburg zu Beratungen über den Ukrainekrieg trafen, verurteilten Lus Einlassung einhellig. Besonders erzürnt sind die Balten, die im Kalten Krieg unter sowjetischer Besatzung litten.
„Litauen ist nie der UdSSR beigetreten. Moskau hat unser Territorium unrechtmäßig besetzt, und wir haben uns gewehrt, bis wir unsere Unabhängigkeit wiederhergestellt hatten“, stellte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis klar.
Die französische Regierung kündigte Gespräche mit Lu an. Man sei über die Äußerungen „nicht sehr glücklich“, sagte Europa-Staatssekretärin Laurence Boone. Ein ohnehin geplanter Termin im Außenministerium soll für die Aussprache genutzt werden.
Lu hatte in Zweifel gezogen, dass frühere Sowjetrepubliken vollwertige Mitglieder der Weltgemeinschaft sind: „Diese ehemaligen UdSSR-Länder haben keinen tatsächlichen Status im internationalen Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren souveränen Status festschreibt“, behauptete er im offenkundigen Widerspruch zur völkerrechtlichen Lage.
In Europa scheitert Pekings Taktik
Lu ist als scharfzüngiger Hardliner berüchtigt. Er steht für eine Gruppe von chinesischen Diplomaten, die aggressiv und nationalistisch die Linie der chinesischen Staatspartei vertritt. Die „Wolf Warriors“ wollen China international Respekt verschaffen, doch gerade in Europa scheitert ihre Taktik.
So war es auch in der Covidkrise, als sich China zunächst als Nothelfer inszenierte, dann aber die „Wolf Warriors“ von der Leine ließ, um Debatten über die Herkunft des Virus, das sich zunächst im chinesischen Wuhan ausgebreitet hatte, zu unterdrücken.
Leute wie Lu seien ungewollt „Antreiber einer realistischeren Chinapolitik“, argumentiert Thorsten Benner, Direktor des Berliner Global Public Policy Institute. „Denn sie zerstören die Illusion, dass China als Hüter des Völkerrechts auftritt und sich für Frieden in der Welt einsetzt.“ Insoweit sei Lu in Frankreich gut aufgehoben, betonte Benner – und zwar als „Gegengewicht zum Schmusekurs des französischen Präsidenten gegenüber China“.
Emmanuel Macron hatte sich nach seinem Besuch bei Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu Monatsbeginn zuversichtlich gezeigt, dass Peking als Vermittler im Ukrainekrieg auftreten werde, obwohl die Volksrepublik international der wichtigste Unterstützer des Aggressors Russland ist. Nun macht Lu die Hoffnung auf eine konstruktive Rolle der Chinesen zunichte und eint das im Umgang mit China zerstrittene Europa.
„Die Äußerungen des chinesischen Botschafters in Frankreich sind inakzeptabel, abwegig und schlicht falsch“, sagte David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments. China inszeniere sich als neutral, halte aber faktisch die russische Wirtschaft mit am Laufen und „versorgt Russland mit Gütern, die es von anderen nicht mehr bekommt, aber für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine dringend braucht“.
In Peking bemühte sich eine Sprecherin des Außenministeriums um Schadensbegrenzung: China respektiere den Status der früheren Sowjetrepubliken als souveräne Staaten, betonte sie.
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