Apr 25, 2023
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Waffenlieferungen: Entscheid über Schweizer Leopard-Panzer steht aus

Written by Jakob Blume

Zürich, Genf Es könnte der kleinste gemeinsame Nenner im Streit über den Export von Rüstungsgütern zwischen der Schweiz und Europa sein: Die Schweiz verfügt über 230 Kampfpanzer des Typs Leopard 2, insgesamt 96 von ihnen sind stillgelegt. Deutschland würde einige davon gern kaufen. Sie sollen Panzer ersetzen, die westliche Länder an die Ukraine abgegeben haben. Doch in dieser Frage geht es nur sehr langsam voran.

Mauro Tuena ist Präsident der bei Fragen zu Rüstungsexporten zuständigen Sicherheitspolitischen Kommission im Bundeshaus. Der Parlamentarier der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei (SVP) rechnet im Gespräch mit dem Handelsblatt mit einem Entscheid des Schweizer Parlaments „erst im September, vielleicht etwas früher“. Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass der Nationalrat, die große Kammer des Parlaments, im Juni über das Thema entscheidet.

Die Schweizer Armee benutzt die Panzer zwar nicht mehr. Doch Voraussetzung für den Verkauf ist eine förmliche Außerdienststellung der Leopard-Panzer durch das Schweizer Parlament. Mit anderen Worten: Die Deutschen können auf einen Panzer-Deal mit der Schweiz frühestens in einem knappen halben Jahr rechnen, wenn überhaupt.

Dabei hatten Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits am 23. Februar einen Brief an die für Verteidigung zuständige Bundesrätin Viola Amherd gesandt.

In dem Schreiben legten die deutschen Minister „das Interesse der Firma Rheinmetall dar, eingelagerte Leopard-2-Kampfpanzer der Schweizer Armee, soweit diese nicht wieder in Nutzung genommen werden sollen, zu erwerben“.

Schweizer Bundesregierung hat das letzte Wort

Der Rüstungsproduzent würde als Drehscheibe dienen, um die Leopard-2-Panzer instand zu setzen und an jene Partnerländer zu liefern, die ihrerseits Panzer an die Ukraine geliefert haben. Die Schweiz würde damit im Nachhinein an einem Ringtausch teilnehmen.

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Eine parlamentarische Hürde hat der Deal bereits genommen: Die Sicherheitspolitische Kommission der großen Kammer des Parlaments stimmte der Außerdienststellung von 25 Leopard-Panzern bereits zu. Doch es fehlt das Votum beider Kammern.

Zudem betont Tuena, dass das Parlament lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für den Verkauf an das Nachbarland schaffen kann. Den Deal an sich müsse letztlich die Schweizer Bundesregierung beschließen. Der amtierende Schweizer Bundespräsident Alain Berset hatte sich zuletzt ablehnend geäußert.

Das Ringen um die Leopard-2-Panzer ist nur ein Beispiel dafür, wie schwer sich die neutrale Schweiz mit Forderungen nach militärischer Unterstützung für die Ukraine tut. Das Land bleibt auch bei dem umstrittenen Nein zur Weitergabe von Rüstungsgütern aus Schweizer Produktion, die bereits an Partner in Europa exportiert wurden.

Die Schweiz hat ihre Neutralität in der Verfassung festgeschrieben. Das spiegelt sich auch im Kriegsmaterialgesetz des Landes wider, welches den Export von Rüstungsgütern regelt. Exporte von Waffen und Munition in Kriegsgebiete sind grundsätzlich verboten.

Länder, die Rüstungsgüter aus der Schweiz importieren, verpflichten sich in der Regel, die Waffen nicht weiterzugeben oder zumindest eine Genehmigung der eidgenössischen Regierung einzuholen. Zwei parlamentarische Initiativen, die Gültigkeit solcher Wiederausfuhrerklärungen zu begrenzen oder im Fall der Ukraine auszusetzen, fanden keine Mehrheit.

Anhaltenden Unmut löst bei der deutschen Bundesregierung etwa auch der Fall des Flakpanzers Gepard aus. Deutschland begann 2022, Gepard-Exemplare an das bedrängte Land in Osteuropa zu transferieren.

Gepard der Bundeswehr

Deutschland hat mehrere Exemplare dieses Panzers an die Ukraine geliefert.

(Foto: IMAGO/Björn Trotzki)

Die Deutschen wollten Munition aus ihren Beständen, die aus Schweizer Herstellung stammt, gleich mitliefern. Doch bis heute weigert sich Bern hartnäckig, Berlin grünes Licht für die Abgabe der Gepard-Geschosse zu geben.

Gefragtes Exportsortiment der Rüstungsindustrie

Der Streit überschattete kürzlich auch den Besuch des schweizerischen Bundespräsidenten Berset in Berlin bei Bundeskanzler Olaf Scholz. Scholz sagte bei einer gemeinsamen Erklärung: „Dieser Krieg in Europa fordert uns alle auf, unser Selbstverständnis kritisch zu prüfen und mitunter auch zu unbequemen, aber richtigen Entscheidungen bereit zu sein.“

So weit ist die Schweiz jedoch nicht: „Man kann nicht verlangen, dass wir unsere eigenen Gesetze brechen“, antwortet Berset regelmäßig auf die Kritik an der Haltung seines Landes.

Dabei findet sich im Exportsortiment der Schweizer Rüstungsindustrie vieles, was die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland gebrauchen könnte: Panzer und gepanzerte Landfahrzeuge, Flugabwehrsysteme, bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge und entsprechende Triebwerke, Bomben, Torpedos, Raketen, Flugkörper, militärische Explosiv-, Brenn- und Treibstoffe sowie Spezialinstrumente wie Entfernungsmesser oder Nachtsichtgeräte. Zwischen 2018 und 2022 belegte die Schweiz nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute Rang 14 unter den weltgrößten Rüstungsexporteuren.

Alain Berset (links) mit Olaf Scholz in Berlin

Der Streit um Waffenlieferungen überschattete den Besuch des Schweizer Bundespräsidenten im Kanzleramt.

(Foto: ddp/abaca press)

Doch die Schweiz gerät argumentativ zunehmend in die Defensive, beobachtet auch der Züricher Völkerrechtler Oliver Diggelmann. „Das Neutralitätsrecht funktioniert schematisch und verbietet die militärische Begünstigung einer Kriegspartei in einem laufenden Staatenkrieg, was bei einer klaren Aggression natürlich ein Problem ist“, urteilt er.

Hinzu kommt, dass die westlichen Partner auch bei einem zweiten sensiblen Thema den Druck auf die Eidgenossen erhöhen: bei der Umsetzung der Sanktionen gegen Russland. Russische Staatsbürger haben Hunderte Milliarden bei Schweizer Banken gebunkert.

Neuer Streit über Durchsetzung der Sanktionen

Bislang hat das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rund 7,75 Milliarden Franken einfrieren lassen. Zu wenig, kritisierte zunächst der US-Botschafter in Bern, Scott Miller, in einem Interview in der „NZZ“. Die Schweiz könne weitere 50 bis 100 Milliarden einfrieren, forderte er.

Anfang April legten die Botschafter der G7-Staaten in der Schweiz nach. Sie warnten in einem Brief an den eidgenössischen Bundesrat davor, dass Schweizer Anwälte „in ihrer Rolle als Finanzintermediäre“ bei der Umgehung von Sanktionen helfen, indem sie über verschachtelte Gesellschaftsstrukturen „die Spuren von geparktem Vermögen“ verschleiern.

>> Lesen Sie hier: Waffenlieferungen und Frieden schließen sich nicht aus – ein Kommentar

Die Botschafter forderten die Regierung zudem auf, dass sich die zuständige Behörde Seco an der internationalen Taskforce beteiligt, die im Auftrag der Partnerländer der Ukraine weltweit russische Vermögen aufspüren soll.

Die Kritik wies unter anderem der frühere Schweizer Botschafter in Berlin, Thomas Borer, kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt zurück: „Es wäre besser, der Westen würde sich auf Länder wie die Türkei konzentrieren, welche die Sanktionen aktiv zu umgehen helfen.“

Zuletzt gerieten jedoch erneut Treuhänder unter anderem mit Schweizer Pass auf die US-Sanktionslisten, ebenso wie ein Vermögensverwalter aus Genf mit Verbindungen zum Oligarchen Alischer Usmanow. Die Debatte um die Durchsetzung der Russlandsanktionen in der Schweiz erhält dadurch neue Nahrung.

Mehr: Wie das Geschäftsmodell der Schweiz erodiert.



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Politik

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