Apr 26, 2023
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Tarifverhandlungen: Warum der Bahn-Tarifkonflikt feststeckt – und neue Streiks drohen

Written by Frank Specht


Hinweisschild am Bahnhof Oldenburg beim letzten bundesweiten Warnstreik der EVG

„Weitere Warnstreiks, um unserer Forderung Nachdruck zu verleihen, können wir nicht ausschließen“, sagt die Gewerkschaft.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Berlin Die Tarifverhandlungen für rund 190.000 Beschäftigte bei der Deutschen Bahn stecken fest. Obwohl der Konzern laut Personalvorstand Martin Seiler das „historisch höchste Angebot in der Geschichte der Bahn“ vorgelegt hat, lehnte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Offerte als nicht verhandelbar ab.

Daraufhin brach der Arbeitgeber die dritte Verhandlungsrunde in Fulda ab. Warum hakt es in dem Konflikt? Antworten auf zentrale Fragen.

Was will die EVG?

Die Gewerkschaft, die außer mit der Deutschen Bahn noch mit rund 50 anderen Verkehrsunternehmen verhandelt, fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von einem Jahr. Laut EVG handelt es sich um die höchste Lohnforderung, die die Eisenbahngewerkschaft jemals aufgestellt hat. Bahn-Personalvorstand Seiler hatte das Volumen der Forderung auf 2,5 Milliarden Euro im Jahr beziffert.

Welches Angebot des Arbeitgebers liegt auf dem Tisch?

Die Bahn hat nach eigenen Angaben ihr Mitte März vorgelegtes erstes Angebot verdoppelt. Sie bietet jetzt für untere und mittlere Entgeltgruppen eine Lohnerhöhung von jeweils fünf Prozent ab März und ab August 2024. Für die oberen Einkommen soll es zu den beiden Terminen jeweils vier Prozent mehr Geld geben.

Als Überbrückung will der Konzern eine steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsprämie zahlen, 1250 Euro im Juni 2023 und dann monatlich 200 Euro von Juli 2023 bis Februar 2024. Von der Struktur her lehnt sich der Vorschlag an den Tarifkompromiss im öffentlichen Dienst an.

Als Inflationsausgleichsprämie bietet die Bahn insgesamt 2850 Euro an, obwohl die Bundesregierung ja bis zu 3000 Euro von Steuern und Sozialabgaben freistellt. Der Konzern argumentiert, im vergangenen Dezember bereits 150 Euro „Energiesparbonus“ steuer- und abgabenfrei ausgezahlt zu haben.

Warum kommen beide Seiten nicht zusammen?

Ein Knackpunkt ist die Laufzeit, die Bahn schlägt 27 Monate ab März 2023 vor, die EVG will zwölf Monate. Die Gewerkschaft stört sich vor allem daran, dass es in der von ihr geforderten Laufzeit noch keine Prozenterhöhung geben soll, wie Verhandlungsführer Kristian Loroch erklärte.

Darüber hinaus kritisiert die EVG, dass das Bahn-Angebot keinen Mindestbetrag vorsieht. Eine fünfprozentige Entgeltsteigerung bedeute für Stewards in der Bordgastronomie nur ein Plus von 120 Euro. Es gibt aber auch Spannungen über die Art der Verhandlungen. Der Arbeitgeber würde gern in kleiner Runde verhandeln, während die EVG ihre komplette rund 30-köpfige Tarifkommission mit am Tisch haben will.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler

„Die DB hat das höchste Angebot ihrer Geschichte gemacht.“


(Foto: dpa)

Welche Rolle spielt der Mindestlohn im Tarifkonflikt?

Für etwa 2000 Beschäftigte bei der Bahn liegt die Tarifentlohnung noch unter zwölf Euro brutto pro Stunde, sie kommen nur mit Zuschlägen auf die gesetzliche Lohnuntergrenze. Der Konzern hat nun die Einführung eines Bahn-spezifischen Mindestlohns von 13 Euro vorgeschlagen, der aber mit Lohnerhöhungen verrechnet werden soll.

Die EVG will dagegen den gesetzlichen Mindestlohn als Basis und Lohnerhöhungen darauf aufsetzen. Laut Bahn-Personalvorstand Seiler kämen die untersten Lohngruppen so auf Stundenlöhne von 16,40 Euro. Die Arbeitgeber argumentieren, dass eine so starke Anhebung der unteren Einkommen Druck auf darüber liegende Entgeltgruppen ausüben würde.

Wie geht es jetzt weiter?

Der nächste Verhandlungstermin findet Ende Mai statt, laut Bahn hat die EVG zudem bereits Termine für Juli und September angefragt. Seiler forderte die Gewerkschaft auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Tarifrunde nicht weiter in die Länge zu ziehen. Im Herbst stehen schon die nächsten Tarifgespräche mit der konkurrierenden Lokführergewerkschaft GDL an.

Drohen weitere Streiks?

EVG-Verhandlungsführer Loroch bezeichnete es als unverständlich, dass der Arbeitgeber jetzt den Koffer packe und den Verhandlungsort verlasse. „Weitere Warnstreiks, um unserer Forderung Nachdruck zu verleihen, können wir nicht ausschließen“, sagte er.

Die Gewerkschaft hat bereits zweimal den Zugverkehr weitgehend lahmgelegt, zuletzt am 21. April. Bahn-Personalvorstand Seiler hat allerdings wenig Verständnis für die Streikdrohung. Mit einem Arbeitskampf wolle die EVG ja einen schnellen Abschluss erreichen, sagte er. Dazu passe dann aber nicht, jetzt schon Verhandlungstermine für September anzufragen.

Sollte die Gewerkschaft jetzt erneut zu Streiks aufrufen, stelle sich deshalb schon die Frage, ob diese verhältnismäßig seien. Den zweiten bundesweiten Warnstreik am vergangenen Freitag hatte das Arbeitsgericht Frankfurt für rechtmäßig erklärt.

Mehr: EVG-Chef Martin Burkert: Kein Kuschelkurs mit Bahn und Verkehrsminister Wissing



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