Nato und Bundeswehr zweifeln daran, dass das deutsche Straßen- und Schienennetz für militärische Notfälle gerüstet ist.
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Berlin Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kommt seinem Vorhaben zum schnelleren Autobahnausbau einen entscheidenden Schritt näher. Das Kabinett soll einen entsprechenden Gesetzentwurf am Mittwoch beschließen und damit Infrastrukturprojekte im Eiltempo möglich machen.
Neben etlichen Schienen- und einigen Wasserwegen will der Minister auch 145 Autobahnvorhaben zu Projekten von „überragendem öffentlichen Interesse“ erklären. Sie dienten vor allem auch der „öffentlichen Sicherheit“, wie die Rechtfertigung für verkürzte Planungs- und Genehmigungsverfahren im Gesetzestext lautet.
Die Begründung ist besonders wichtig: Wie bei den Gesetzen für den Bau der Flüssiggasterminals und Windanlagen ermöglicht sie es, dass die Projekte nicht nur schneller vor Gericht verhandelt werden, sondern dass im laufenden Verfahren auch leichter Ausnahmen vom Arten- und Naturschutz möglich sind.
Umweltschützer lehnen die Pläne ab, doch nach einschlägiger Rechtsprechung ist eine Bevorzugung möglich, wenn es um die Existenzsicherung des Staates geht, den Zivilschutz, die Gefahrenabwehr – und die Landesverteidigung.
FDP und Grüne hatten monatelang über das geplante Gesetz gestritten und daraus eine klimapolitische Grundsatzfrage gemacht: Sollten Fernstraßen überhaupt gebaut werden – oder nur noch Bahnstrecken?
Es geht weniger ums Klima als um die militärische Leistungsfähigkeit
Im Hintergrund aber ging es um etwas, worüber niemand gern laut spricht: die Fähigkeit des Militärs, im Ernstfall schnell und sicher mit schwerem Gerät mobil zu sein. Bundeswehr und Nato-Partner fordern, dass Deutschland als Drehscheibe in Europa funktionieren muss, damit Material und Menschen im Notfall schnell von West nach Ost gelangen. Daran gibt es allerdings seit Beginn des Ukrainekriegs und angesichts der erhöhten Nato-Einsatzbereitschaft erhebliche Zweifel. Vor allem die West-Ost-Verbindungen gelten als kritisch.
Aus Sicht des Verkehrsministers trägt das Gesetz dazu bei, die „militärisch-logistische Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes zu erhöhen“, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärte. Im Gesetzentwurf heißt es, das Straßennetz müsse „jederzeit in der Lage sein, militärisch notwendige Transporte mit erhöhten Lasten“ aufzunehmen. Bis in die 1990er-Jahre war es üblich, Straßen auch mit Blick auf die Landesverteidigung zu planen und zu bauen. Diese Vorgaben gerieten in den vermeintlich friedlichen Jahrzehnten dieses Jahrhunderts in Vergessenheit.
Hälfte der Projekte in Nordrhein-Westfalen
Nun begrüßt das Verteidigungsministerium die geplanten 145 Vorhaben für die Fernstraßen. Rund die Hälfte der Projekte entfällt auf Nordrhein-Westfalen, wo auch wichtige militärische Logistikeinheiten der Nato stationiert sind. Wissings Sprecher erklärte weiter, bei den Schienenprojekten müssten zunächst noch Projekte identifiziert werden, die im besonderen Interesse des Verteidigungsministeriums liegen.
Den Eindruck, dass die Infrastruktur angesichts maroder und gesperrter Brücken auf Autobahnen und massiver Probleme im Schienennetz für den militärischen Ernstfall nicht mehr ausreichend sei, versucht das Verkehrsministerium zu zerstreuen. „Die deutsche Verkehrsinfrastruktur ist den Herausforderungen militärischer Transporte gewachsen und erfüllt insofern auch die Anforderungen der Nato an die Drehscheibe“, heißt es aus dem Ministerium. Dazu nötig seien aber ebenjene Investitionen in das Netz. „Dies erfordert eine ständige Erhaltung und Erneuerung des Bestands sowie den bedarfsgerechten Ausbau und die Erweiterung des deutschen Verkehrsnetzes insgesamt.“
Der Verkehrsminister will Autobahnprojekte beschleunigen – auch für die Landesverteidigung, heißt es aus seinem Ministerium.
Offen ist, ob die Projekte alle beschleunigt umgesetzt werden. So hatten sich SPD, Grüne und FDP zwar nach langem Ringen auf das Beschleunigungsgesetz geeinigt. Zu dem Kompromiss gehörte aber, dass die jeweils betroffenen Bundesländer zustimmen müssen. Sie sollten bis Ende vergangener Woche ihre Zustimmung geben.
Doch haben sich vor allem die Länder mit Verkehrsministern der Grünen mehr Zeit erbeten, um die Projekte zu prüfen. Darunter ist neben Hessen und Baden-Württemberg auch Nordrhein-Westfalen.
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