May 5, 2023
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Mobilitätsplan: „Entweder-oder-Politik ist der falsche Weg“ – Verbände suchen Mittelweg bei der Verkehrspolitik

Written by Daniel Delhaes


Autobahn

Die Bundesregierung will in Zukunft einen Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan erstellen.


(Foto: dpa)

Berlin Wenn das Bundesverkehrsministerium zum „Infrastrukturdialog“ einlädt, muss sich die eingeladene Runde nicht mit einer schnöden Diskussion in einem kargen Konferenzraum begnügen. An diesem Freitag wird eigens eine Moderatorin durch das sechsstündige Programm führen.

Sie wird auch darauf achten, dass die Vertreter der 15 eingeladenen Verbände ihre Redezeit von je drei Minuten nicht überschreiten und dabei die vorgegebene Frage beantworten: Soll der Bund in die Verkehrsnetze investieren, um den wachsenden Verkehr bewältigen zu können? Oder liegt der Fokus darauf, dass die Verkehrsinfrastruktur einen möglichst großen Beitrag dazu leistet, die Klimaschutzziele zu erreichen?

Schon die Frage sorgt für reichlich Verwirrung unter den Gästen. „Wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur, damit wir die Klimaziele erreichen können“, betont die Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Uta Pfeiffer. „Eine Entweder-oder-Politik ist der falsche Weg.“

Der ADAC verweist darauf, dass neue Straßen die Klimaprobleme nicht lösen. Wichtiger und gerade „lebensnotwendig für den Wirtschaftsstandort“ sei es, marode Brücken zu sanieren.

„Fortschritte hinsichtlich der CO2-Reduzierung erzielen wir vor allem durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte“, sagt Stefan Gerwens, Leiter des Ressorts Verkehr. Dafür sei ein deutlich schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur zum Beispiel entlang der Fernstraßen notwendig.

Mobilitätsplan der Bundesregierung soll auch Energie- und Datennetze berücksichtigen

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, statt eines Bundesverkehrswegeplans in Zukunft einen Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan zu erstellen. Doch was das genau sein soll, darüber scheiden sich die Geister.

Grafik

Das Ministerium hat vorab „Kernbotschaften“ verschickt: Demnach verweist das Ministerium auf das ungebremste Verkehrswachstum und dass es dem Klima nicht automatisch hilft, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Verkehrsträger sollen „nicht gegeneinander“ ausgespielt werden.

Ein „Neubaustopp von Straßen“, heißt es weiter, „gefährdet die bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur“. Ziel müsse es sein, dass Autos, Lastwagen, Bahnen und Schiffe künftig mit klimaneutralen Antrieben fahren.

Den Verbänden geht diese Sicht nicht weit genug. „Ein Mobilitätsplan muss auch die Energienetze, die Lade- wie auch die Datennetze in den Blick nehmen und die bisher fehlende Planungs- und Investitionssicherheit für die Wirtschaft im Land herstellen“, sagt Markus Emmert vom Bundesverband eMobilität.

>> Lesen Sie hier: Wissing setzt zum Klimaschutz auf neue Lkw-Antriebe statt auf die Bahn

Die Mobilitätswende gelinge nur, wenn das prognostizierte Verkehrswachstum bis 2051 von mehr als 50 Prozent im Güterverkehr und einem Plus von 13 Prozent im Personenverkehr mit einem Energiemanagement flankiert werde. Dazu müsse der Bund einen elektrisch betriebenen Fahrzeugmix fördern, der auch Leichtfahrzeuge, vom Fahrrad bis zum Motorrad und Cargobikes im Güternahverkehr einschließe, sagt Emmert.

Fahrradweg

Der Verkehrssektor muss klimafreundlicher werden.


(Foto: dpa)

Vor allem wollen die Verbände die von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im März präsentierte Verkehrsprognose nicht einfach hinnehmen. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen fordert in einem Brief ans Ministerium, dass „ein Ruck durch das Haus geht“. Das Ministerium versuche, Verkehrspolitik als „unbeeinflussbar darstellen zu wollen“.

Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad, kritisiert, dass der Ausbau der Infrastruktur für Pkw und Lastwagen zur mehr Pkw- und Lastwagenverkehr führe. Dieser wiederum werde in den Modellen für die Zukunft fortgeführt und verlange vermeintlich erneut zusätzliche Infrastruktur. Dieser Kreislauf widerspreche dem, „was verkehrs- und klimapolitisch notwendig ist“.

Umweltverbände wollen Klimaschutz als Grundlage für Verkehrsinfrastruktur

Auch Roland Stimpel, Vorstand von Fuss e.V., argumentiert, effizient sei Verkehr, der möglichst wenig Energie und Fläche benötige. „Das gilt für die eingesetzten Verkehrsmittel wie für die Wegelängen – man kann auch kürzere statt längerer Distanzen verkehrspolitisch fördern.“ Stimpel fordert, von den „Denkweisen des vorigen Jahrhunderts auf den Stand der Gegenwart zu kommen“.

Die eingeladenen Umweltverbände fordern wie die Grünen in der Ampelkoalition, jedes geplante Verkehrsprojekt aus dem Bundesverkehrswegeplan noch einmal zu überprüfen und so lange auch nicht zu bauen. „Klima- und Naturschutzziele müssen endlich zur Bewertungsgrundlage aller Infrastrukturplanungen werden“, fordern etwa Greenpeace, Naturschutzbund, Verkehrsclub Deutschland und andere in einem Papier.

Doch weist die politische Realität in eine andere Richtung. Mitte der Woche hatte das Bundeskabinett beschlossen, etliche Autobahn- und Schienenprojekte zum „überragenden öffentlichen Interesse“ zu erklären und damit im Eiltempo umzusetzen. Allein den sechsspurigen Ausbau der A23 von Pinneberg nach Hamburg konnte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch am Dienstag aus der Projektliste herausverhandeln – aus Rücksicht auf sein Heimatland Schleswig-Holstein.

Die Verbände dürfen am Freitag an sogenannten „Thementischen“ darüber diskutieren, nach welchen Kriterien künftig ein „Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040“ erstellt werden könnte. Das Ministerium selbst hat Gutachten in Auftrag gegeben. 2024 soll ein Ergebnis vorliegen.

Mehr: Transportbranche in Aufruhr: Wissing soll Klima-Maut frühestens 2025 einführen



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