Kiew, Brjansk Während sich in Russland Anschläge auf strategisch wichtige Infrastruktur häufen, wirbt der ukrainische Präsident auf einer Reise durch Europa für mehr Kriegshilfe gegen Moskau. Nach einem überraschenden Besuch in Helsinki beim Treffen der Nordischen Länder traf Präsident Wolodimir Selenski am späten Mittwochabend in den Niederlanden ein.
Medienberichten zufolge soll er am Donnerstag Regierungschef Mark Rutte und Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren in Den Haag treffen. Anschließend ist dort ein Besuch beim Internationalen Strafgerichtshof geplant, der seit Monaten wegen Kriegsverbrechen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ermittelt.
Der unangekündigte Besuch Selenskis ist sein erster in den Niederlanden. In Helsinki hatte er nach einem Gespräch mit Präsident Sauli Niinistö die Regierungschefs von Schweden, Norwegen, Dänemark und Island getroffen, die ihm langfristige Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zusagten. „Die nordischen Länder bleiben unerschütterlich in ihrem Bekenntnis zur Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung nach der Zusammenkunft.
Mit Blick auf den Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli im lettischen Riga will Selenski bei seinen Auftritten in Europa für eine baldige Aufnahme der Ukraine in das Verteidigungsbündnis werben – und dies offenbar auch in Deutschland.
Die Berliner Polizei gab am Mittwoch überraschend bekannt, dass sie alle Sicherheitsvorkehrungen für einen Besuch Selenskis in der Hauptstadt am 13. und 14. Mai treffe. Für den 14. Mai ist die Verleihung des Karlspreises an Selenski in Aachen geplant.
Selenski weist Anschuldigungen Russlands Vorfall am Kreml zurück
Am Rande seines Besuchs in Finnland warf Selenski Russland vor, sich die jüngsten Anschuldigungen zu einem angeblichen Drohnenangriff auf den Kreml ausgedacht zu haben. „Wir greifen weder (Russlands Präsidenten Wladimir) Putin noch Moskau an, wir kämpfen auf dem eigenen Territorium und verteidigen unsere Dörfer und Städte“, sagte Selenski in Helsinki. „Wir greifen Putin nicht an, das überlassen wir dem (internationalen) Tribunal.“
Russlands Führung verbreite gezielt Falschinformationen, weil sie den vor etwas mehr als 14 Monaten begonnenen Krieg bereits verloren habe. Der Kreml versuche so, seine Soldaten für den Kampf gegen das Nachbarland zu motivieren.
Zuvor waren Videos einer angeblichen Drohnenattacke in der Nacht auf den Kreml aufgetaucht. Die russische Regierung sprach von einem „Attentatsversuch“ mit Putin als Ziel. Die US-Botschaft in Kiew warnte daraufhin vor möglichen Vergeltungsangriffen und rief US-Bürger in der ukrainischen Hauptstadt und deren Umgebung auf, angesichts drohender Raketeneinschläge höchste Vorsicht walten zu lassen. In der Nacht zu Donnerstag gab es dann in der Hauptstadtregion und anderen Teilen der Ukraine Luftalarm. Bis zum Morgen wurden keine größeren Schäden bekannt.
Ex-Kremlchef Medwedew: Selenski muss „physisch eliminiert“ werden
Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew forderte als Reaktion auf den angeblichen ukrainischen Drohnenangriff die Tötung des ukrainischen Staatschefs. „Nach dem heutigen Terrorakt gibt es keine andere Variante als die physische Eliminierung Selenskis und seiner Clique“, schrieb Medwedew am Mittwoch auf Telegram.
In seinen Augen werde Selenski „zur Unterzeichnung der Kapitulation der Ukraine nicht gebraucht“, schrieb Medwedew. „Wie bekannt ist, hat auch Hitler keine (Kapitulation) unterschrieben.“ Es werde sich sicherlich in der Ukraine ein Stellvertreter wie Hitlers kurzzeitiger Nachfolger, Admiral Karl Dönitz, finden.
Militärexperte vermutet russische Desinformations-Kampagne
Der deutsche Russland-Experte Stefan Meister vermutet hinter der russischen Darstellung des angeblichen Anschlags auf Putin eine Desinformations-Kampagne. „Die Ukraine soll des Staatsterrorismus bezichtigt werden“, sagte Meister den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).
„Möglicherweise sollen mit diesem Vorwand eine größere Offensive auf Kiew, noch brutalere Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung oder gar ein Versuch der Tötung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski gerechtfertigt werden.“
Wagner-Chef Prigoschin: Ukrainische Offensive hat begonnen
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach den Worten des Chefs der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, offenbar bereits mit ihrer seit langem erwarteten Offensive begonnen.
„Sie haben Soldaten und Munition ohne Ende“, berichtete Prigoschin am Mittwochabend auf seinem Telegram-Kanal. „Ich gehe davon aus, dass die Offensive (der Ukrainer) begonnen hat.“ Für seine Behauptung gab es zunächst keine Bestätigung, auch nicht vom russischen Militär. Der ukrainische Generalstab sprach am Abend lediglich von schweren Kämpfen in der ostukrainischen Stadt Bachmut.
Seit Wochen hält die ukrainische Militärführung das russische Militär mit Berichten über eine bevorstehende Offensive zur Rückeroberung der besetzten Gebiete in Spannung. Zuletzt häuften sich in Russland Anschläge auf strategische wichtige Infrastruktur nahe der Grenze zur Ukraine – möglicherweise als Teil der Vorbereitung einer solchen Gegenoffensive.
Drittes russisches Treibstoff-Lager innerhalb weniger Tage zerstört
In Russland und russisch besetzten Gebieten sind zum dritten Mal innerhalb weniger Tage Treibstofflager zerstört worden. In der Nacht zum Donnerstag sei der Brand eines Öltanks in einer Raffinerie nahe dem Schwarzmeerhafen Noworossijsk in Südrussland gelöscht worden, berichtete die Nachrichtenagentur Tass.
Das Öllager sei mit einer Drohne angegriffen worden. “Eine zweite turbulente Nacht für unsere Rettungsdienste”, schrieb der Gouverneur der Region Krasnodar, Weniamin Kondratjew, auf Telegram. Nach seinen Worten standen Tanks in der Ilski-Raffinerie in Flammen.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukraine-Krieg:
In der Nacht zum Mittwoch war ebenfalls in der Region Krasnodar ein Treibstofflager nahe der Krim-Brücke in Brand geraten. Auf Videos in russischen sozialen Medien war zu sehen, wie Flammen und schwarzer Rauch aus großen Tanks schlugen.
Über die Ursachen des Feuers machte Russland zunächst keine Angaben. Am Samstag waren im Krim-Hafen Sewastopol nach russischen Angaben zehn Tanks mit einem Fassungsvermögen von rund 40.000 Tonnen durch einen Drohnen-Angriff zerstört worden.
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