Berlin Der Renteneintritt der Babyboomer wird die Rentenversicherung vor eine große Herausforderung stellen, aber wohl nicht vor unlösbare Probleme. Denn es hat in der Geschichte der Bundesrepublik schon Phasen gegeben, in denen sich das zahlenmäßige Verhältnis von Ruheständlern zu Erwerbstätigen dramatischer verschoben hat, als es jetzt bevorsteht.
Dies zeigen Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Grundlage ist dabei die im vergangenen Jahr veröffentlichte 15. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. Sie zeigt anhand der Geburtenrate, der Lebenserwartung und der erwarteten Nettozuwanderung Szenarien für die künftige Entwicklung auf.
Wenn ab Mitte des Jahrzehnts die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, müssen weniger Beitragszahler höhere Rentenzahlungen aufbringen. Der Altenquotient, der angibt, wie viele Menschen im Rentenalter auf je 100 Menschen im Erwerbsalter kommen, steigt dadurch von 34,8 im Jahr 2020 auf 43,4 im Jahr 2040 – also um 8,6 Punkte.
Die Rentenversicherung hat dabei das mittlere der drei Szenarien der Bevölkerungsvorausberechnung zugrunde gelegt. Anders als das Statistische Bundesamt zählt die DRV aber nicht nur 20- bis 64-Jährige zu den Personen im Erwerbsalter, sondern Personen ab 20 Jahren bis zur Regelaltersgrenze, die ja bis zum Jahr 2030 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird.
Allein durch die Berücksichtigung des geltenden Rentenrechts steigt der Altenquotient schon deutlich langsamer als in den Daten der Bundesstatistiker.
Warnungen vor Renten-Überlastung sind nicht neu
Die Warnungen vor einer finanziellen Überlastung des Rentensystems sind kein neues Phänomen, wie ein Blick in die Historie zeigt. Schon 1966 sah die Sozialenquete-Kommission der Bundesregierung für die Jahre nach 1975 einem „Rentenberg“ kommen. Obwohl der sich dann tatsächlich wie vorausgesagt auftürmte, blieb das System stabil.
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Der Rückblick in die Vergangenheit zeigt auch, dass ein Anstieg des Altenquotienten um 8,6 Punkte keineswegs einzigartig hoch ist. So ist das Verhältnis beispielsweise in den zwei Dekaden von 1990 bis 2010 sogar um 9,9 Punkte gestiegen, ohne dass das Rentensystem kollabiert wäre.
Die Politik hat aber damals mit einer Reihe von Reformen reagiert, um die Rentenfinanzen zu entlasten – beispielsweise mit Abschlägen für den vorzeitigen Renteneintritt oder der Riester-Rente bei gleichzeitiger Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus.
Aktuell gehen die Statistiker und die DRV von einer weniger starken demografischen Belastung aus als noch in früheren Bevölkerungsvorausberechnungen. Erwarteten sie 2015, dass der Altenquotient bis 2060 auf 55 steigen wird, so steht in der aktuellen Berechnung nur ein Wert von knapp 45. Gründe dafür sind mehr Zuwanderung und etwas gedämpftere Erwartungen bei der Entwicklung der Lebenserwartung.
Rentenversicherung sieht keinen Grund für Alarmstimmung
Reinhold Thiede, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei der DRV, hält denn auch Alarmismus angesichts des bevorstehenden Renteneintritts der Babyboomer nicht für angebracht. Der Altenquotient sei in den zurückliegenden 30 Jahren stärker gestiegen als für die kommenden 30 Jahre berechnet wurde, sagte Thiede am Freitag vor Journalisten in Berlin.
In der Vergangenheit sei es gelungen, durch Rentenreformen einerseits und den boomenden Arbeitsmarkt andererseits die Rentenfinanzen zu stabilisieren. So lag der Rentenbeitragssatz 1985 mit 19,2 Prozent höher als aktuell mit 18,6 Prozent. Und das, obwohl 1985 auf 100 Menschen im Erwerbsalter nur 24 Rentner kamen, während es 2020 schon rund 35 waren.
Zwar hat auch der Bundeszuschuss, der zwischen 1990 und 2000 deutlich angehoben wurde, zur Stabilisierung der Beiträge geführt. Seit Beginn der 2000er-Jahre liegt der Anteil des Bundeszuschusses aber relativ konstant bei etwa einem Viertel der Rentenausgaben.
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Thiede hält es für möglich, die Rente der Babyboomer zu finanzieren, ohne zwangsläufig das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter anheben zu müssen. Denn die Einnahmebasis der Rentenversicherung sei noch nicht ausgeschöpft.
So lasse sich möglicherweise die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren noch leicht steigern, auch wenn hier nicht mehr allzu viel zu holen sei. Größeres Potenzial sieht der Rentenexperte dagegen bei der Einwanderung. Hier müsse es vor allem gelingen, die Erwerbsquoten der Eingewanderten weiter zu steigern.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist überzeugt, dass sich auch die Rente der Babyboomer-Generationen finanzieren lässt, wenn es gelingt, die Beschäftigung hoch zu halten. Außerdem führt die Ampel-Koalition auf Drängen der FDP erstmals eine kapitalgedeckte Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung ein, die ab Mitte der 2030er-Jahre zur finanziellen Entlastung beitragen soll.
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