Berlin, Niigata Am Wochenende wird Ukraines Präsident Wolodimir Selenski in Berlin erwartet. Es wird bei den Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) um weitere Hilfen für das kriegsgebeutelte Land gehen.
Einige Tausend Kilometer entfernt stand auch für die Finanzminister der großen Industriestaaten (G7) die Unterstützung der Ukraine ganz oben auf der Agenda. Bei ihrem Treffen im japanischen Niigata war es das erste Thema, über das sie am Donnerstagabend eine Dreiviertelstunde lang berieten. Aus Sicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist das die richtige Priorität: „Wir gehen nicht zur Routine über“, sagte Lindner in Niigata.
Doch auch wenn die Ukraine im weit entfernten Japan weiter Priorität genießt, wird die Finanzhilfe für das Land zunehmend zur Herausforderung. Bis März 2024 ist die Finanzierung der Hilfen gesichert, doch nun beginnen die Verhandlungen, wie es danach weitergehen soll – und wer für die Unterstützung aufkommen soll.
Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) benötigt die Ukraine in den kommenden vier Jahren mindestens 115 Milliarden US-Dollar, um ihren Staatsbetrieb am Laufen zu halten. Je nachdem, wie lange der Krieg noch dauert, könnte es auch mehr werden. Im schlechteren Szenario rechnet der IWF mit 140 Milliarden Dollar.
Für die Regierung in Kiew ist die Finanzhilfe ebenso wichtig wie die Lieferung von Panzern und Munition. Während die Ukraine im vergangenen Jahr vor allem durch bilaterale Zahlungen der westlichen Industriestaaten finanziell über Wasser gehalten wurde, beteiligt sich nun auch der IWF. Ende März beschloss der Währungsfonds ein Hilfsprogramm im Umfang von 15,6 Milliarden Dollar, das über vier Jahre laufen soll.
Die Beteiligung des IWF ist für die USA und die Europäer wichtig. Der Währungsfonds hat nicht nur eine gewaltige Finanzkraft, sondern auch Erfahrung bei Hilfsaktionen für kriselnde Staaten. Doch die Teilnahme des IWF bringt auch Probleme mit sich: Eigentlich darf der Währungsfonds nur Rettungskredite geben, wenn er sicher sein kann, das Geld auch wirklich zurückzubekommen.
Für das Ukraine-Programm wurden die Bedingungen gelockert. Schließlich ist die finanzielle Lage wegen des Kriegs schwer prognostizierbar. Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft um 30 Prozent geschrumpft. Für das laufende Jahr hält der IWF ein weiteres Minus von drei Prozent für möglich, aber auch ein leichtes Wachstum von einem Prozent. Entsprechend unsicher ist der genaue Finanzbedarf.
Die Beteiligung des IWF hilft – macht aber auch Schwierigkeiten
Klar ist: Der Währungsfonds zahlt seine Hilfstranchen nur aus, wenn die Finanzierung des ukrainischen Staates für mindestens zwölf Monate geklärt ist. Die Europäer, die USA und andere westliche Industrieländer haben dem IWF zugesichert, dass sie die entsprechenden Mittel bereitstellen werden. Zudem muss die Regierung in Kiew bis 2027 keine Zinsen und Tilgungen für bestehende Kredite leisten.
„Bei den regelmäßigen Programmüberprüfungen des IWF müssen wir sicherstellen, dass das Land für zwölf Monate durchfinanziert ist“, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Derzeit ist das noch der Fall. Doch es ist unklar, wie es nach März 2024 weitergehen soll. „Damit wird bald das Problem der Finanzlücke 2024 auftauchen“, heißt es.
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Es bestünden „gute Aussichten“ für die finanzielle Unterstützung während der Dauer des Vier-Jahres-Programms, teilt der IWF auf Anfrage mit. Der Währungsfonds macht aber auch deutlich: „Erhebliche öffentliche Finanzmittel in Form von Darlehen zu sehr günstigen Bedingungen und Zuschüssen sind erforderlich“, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen und die mittelfristige Finanzierung der Ukraine zu sichern.
Welche Staaten wie viel zahlen
Die westlichen Staaten werden also weitere Zahlungen organisieren müssen. Verglichen mit 2022 hätte es in den vergangenen Monaten nicht mehr so viele neue Hilfszusagen gegeben, schreibt das Institut für Weltwirtschaft (IfW), das in einem „Support Tracker“ alle Unterstützungsmaßnahmen auflistet.
Knapp 13 Milliarden Euro wurden demnach neu angekündigt, vor allem aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Auch Japan zeigte sich als G7-Vorsitzender großzügig, insgesamt hat das Land mittlerweile 5,1 Milliarden Euro zugesagt.
Deutschland hat der Ukraine im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Euro überwiesen, den größten Teil davon als echte Zuschüsse, welche Kiew nicht zurückzahlen muss. Darüber hinaus helfen die Europäer vor allem über Darlehen der EU. Im vergangenen Jahr gab die EU Kredite von 7,2 Milliarden Euro. Für dieses Jahre sind Darlehen von 18 Milliarden Euro zugesagt, wovon sechs Milliarden Euro bereits ausgezahlt wurden.
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Bisher ist die Unterstützung über die EU für die Europäer ein vergleichsweise komfortabler Weg. Die Staaten müssen nicht selbst Geld aufwenden. Die EU nimmt Kredite auf und reicht sie an die Ukraine weiter. Allerdings müssen sie über den EU-Haushalt abgesichert werden.
Wie lange kann die EU noch Kredite ausreichen?
Die Frage sei, wie lange das noch funktioniere, heißt es. Der Rahmen für die Kreditabsicherung könnte bald erschöpft sein. Dann müssten die Europäer den EU-Haushalt entsprechend aufstocken, um weitere Kredite zu ermöglichen. Nicht alle Staaten scheinen dazu bisher bereit.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukrainekrieg:
Und auch beim zweiten großen Geldgeber, den USA, könnte es Probleme geben. US-Präsident Joe Biden steht innenpolitisch wegen der großzügigen Hilfe für die Ukraine zunehmend unter Druck. Im Gegensatz zu den Europäern gewährt die US-Regierung der Ukraine nicht nur Kredite, sondern echte Zuschüsse. 24,5 Milliarden Euro haben sie bisher zugesagt.
In Berlin fragt man sich sorgenvoll: „Wie lange machen die Amerikaner das noch mit, dass sie Zuschüsse geben, die Europäer aber zu einem großen Teil Kredite?“
In Niigata haben die G7-Finanzminister ihr Versprechen erneuert, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie das nötig ist. Was das konkret für die künftigen Finanzhilfen bedeutet, blieb offen. Diese Frage werden die Finanzminister aber schon bald beantworten müssen.
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