Berlin Eine Schwächung oder gar ein Ende der privaten Krankenversicherung (PKV) würde Ärzte und Arzneimittelhersteller möglicherweise teuer zu stehen kommen.
Das geht aus der noch unveröffentlichten Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV zum sogenannten Mehrumsatz hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Sie beziffert, welchen zusätzlichen Erlös Privatpatienten durch höhere Arzthonorare oder die umfangreichere Erstattung von Leistungen und Arzneimitteln generieren.
Dieser betrug im Jahr 2021 insgesamt 11,68 Milliarden Euro – ein leichtes Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als der Mehrumsatz beträchtlich gesunken war. Die Autoren führen dies auf die Pandemie zurück.
Diese Summe würden die medizinischen Leistungsanbieter pro Jahr an Einnahmen einbüßen, wenn sie mit den Privatversicherten nach den Regeln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechnen müssten.
Der Mehrumsatz wird auch in der Debatte um eine Bürgerversicherung als Gegenargument herangezogen. SPD und Grüne ließen zuletzt Forderungen nach einer deutlich höheren Beitragsbemessungsgrenze wiederaufleben, um die GKV besser zu finanzieren.
Ökonomen sprachen von einer „Bürgerversicherung durch die Hintertür“, die die PKV deutlich schwächen würde, weil der Wechsel für Arbeitnehmer nur mit einem deutlich höheren Einkommen möglich wäre.
6,7 Milliarden Euro mehr für Hausarztpraxen durch PKV
Zwar tragen die gesetzlichen Krankenversicherungen einen ganz überwiegenden Teil der Kosten im Gesundheitswesen. 2021 gaben sie knapp 224 Milliarden Euro für Leistungen aus, die PKV hingegen lediglich 40 Milliarden. Der Mehrumsatz macht laut der Studie jedoch einen beträchtlichen Teil der Umsätze im Gesundheitssystem aus.
Besonders stark wirkt sich dies im ambulanten Bereich aus. Der Mehrumsatz lag für niedergelassene Ärzte laut der Studie 2021 im Schnitt je Praxis bei 58.000 Euro und insgesamt 6,74 Milliarden Euro. Die PKV stellt demnach rund 10,5 Prozent der Versicherten, trägt aber zu etwas mehr als 20 Prozent der Einnahmen der niedergelassenen Ärzte bei.
Bei Zahnärzten lag der Mehrumsatz sogar im Schnitt bei mehr als 61.650 Euro und insgesamt bei 2,88 Milliarden Euro. In Krankenhäusern fiel der Mehrumsatz mit 300 Millionen Euro hingegen negativ aus. Kliniken hätten also ohne die Privatversicherung leicht besser dagestanden. Dort wird mit einheitlichen Honoraren abgerechnet.
Die Zahlen spielen auch in den Verhandlungen über eine neue Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) eine Rolle. Diese regelt die Abrechnung medizinischer und zahnmedizinischer Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung und gilt in seiner aktuellen Fassung als veraltet. Bislang konnten sich Bundesärztekammer und PKV-Verband allerdings nicht auf die Preise von Leistungen einigen.
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Aus PKV-Sicht zeigt die Mehrumsatz-Studie, dass es trotz Klagen mancher Ärztefunktionäre weiterhin einen angemessenen Zuwachs an Einnahmen in den Praxen gibt. Die private Krankenversicherung drängt aber genauso wie der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, auf eine Novellierung.
„Eine Einigung steht noch aus“, sagte Reinhardt dem Handelsblatt. Eine angemessene Gebührenordnung auf den Weg zu bringen, sei aber Aufgabe von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Dass dieser die Umsetzung bislang ignoriere, sei ein „Skandal und nur schwer zu ertragen“.
Präsident der Bundesärztekammer: PKV trägt zur guten Versorgung bei
Die aktuelle Gebührenordnung sei für Versicherte und Ärzte nicht mehr transparent, weil sie viele moderne medizinische Leistungen nicht abbilde. „Arztpraxen und Krankenhäuser sind gezwungen, sie durch Hilfskonstruktionen, sogenannte Analogziffern, abzurechnen“, sagte Reinhardt. „Das führt zu mehr Bürokratie und Rechtsstreitigkeiten, die sich durch eine neue Gebührenordnung vermeiden ließen.“
Reinhardt warnte auch vor einer deutlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, wie sie von SPD und Grünen gefordert wird. „Die PKV bringt für Praxen einen höheren Deckungsbeitrag pro Versicherten als die GKV und trägt damit zu einer guten Versorgung bei, von der auch gesetzlich Versicherte profitieren“, sagte er.
Eine Schwächung würde sich auf diesen Effekt und die dadurch geschaffenen Strukturen auswirken. „Auf dem Land könnten Praxen viel schwieriger existieren“, sagte er. Dies würde die Versorgung massiv schwächen. „Der Mehrumsatz stabilisiert die Landarztpraxen.“
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