„Es liegt auf der Hand, dass eine solche, gravierende Veränderung in der Hausspitze des Ministeriums die Beratungen über das Gebäudeenergiegesetz nicht beschleunigt“, sagte der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki dem Handelsblatt. „Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil.“ Es sei „eine Reihe von Fragen offen, die vor einer vernünftigen und sachgeleiteten Debatte“ über das Heizungsgesetz geklärt werden müssten, betonte Kubicki, der auch Bundestagsvizepräsident ist.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hält eine Verabschiedung vor der Sommerpause für „ausgeschlossen“, wie er der „Bild“-Zeitung sagte. Seine Fraktion habe noch rund 100 Fragen an Wirtschaftsminister Robert Habeck. „Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen.“
SPD und Grüne wiesen das Ansinnen der Liberalen zurück. „Es besteht kein Zusammenhang zwischen der inhaltlichen Arbeit des Wirtschaftsministeriums und Herrn Graichens Verfehlungen – diesen sollte nun auch niemand künstlich herstellen“, sagte der Co-Chef der SPD-Linken, der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff dem Handelsblatt.
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht keinen Grund für einen Aufschub des Heizungsgesetzes wegen des Abgangs von Graichen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge lehnt die von der FDP ins Spiel gebrachte Verzögerung des Gesetzes ebenfalls ab.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Mittwoch den Rückzug seines Staatssekretärs Patrick Graichen (beide Grüne) angekündigt, nachdem dieser in zwei Fällen Privates und Berufliches nicht ausreichend getrennt hatte. Habeck strebt vor der am 7. Juli beginnenden parlamentarischen Sommerpause eine Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) an, an dem Graichen maßgeblich mitgewirkt hatte.
CSU-Mittelstandsunion fordert Habecks Rücktritt
Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer unter 80 Jahre gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiterbetrieben werden, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Mit dem Gesetz soll der Abschied von Gas- und Ölheizungen eingeläutet werden.
Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sprach indes mit Blick auf die Ablösung Graichens von einem „Machtvakuum“ in der Führungsspitze des Ministeriums, weswegen Habeck „einen neuen, realistischen Zeitplan für eine auf der Basis des Koalitionsvertrags ausgearbeitete Version des Heizungsgesetzes vorschlagen“ sollte. Auch Politiker von CDU und CSU verlangten einen Stopp der umstrittenen Gesetzespläne.
Der SPD-Politiker Roloff hält es zwar für richtig, dass Graichen nach den „neuesten Informationen“ seinen Posten verliere. „Jetzt muss das Ministerium schnell wieder in ruhiges Fahrwasser und die Energiewende voranbringen.“
>> Lesen Sie auch: Habecks Führung in der Graichen-Affäre ist ein Desaster – ein Kommentar
„Der Rücktritt von Staatssekretär Graichen war überfällig“, sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei der „Rheinischen Post“. „Minister Habeck ist durch sein Klammern an die Person Graichen schwer beschädigt“, sagte der CDU-Politiker. Die CSU-Mittelstandsunion verlangte zudem Habecks Rücktritt.
Neue Details um Grünen-Staatssekretär: Graichen räumt Posten
Graichen muss seinen Posten als Ergebnis weiterer interner Prüfungen räumen, wie Habeck mitteilte. Hintergrund ist demnach die geplante Förderung eines Projekts des BUND-Landesverbands Berlin, in dessen Vorstand die Schwester Graichens ist. Der Staatssekretär soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Graichen war zuvor wegen Beteiligung an der Auswahl seines Trauzeugen für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) in die Kritik geraten.
Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags will sich am nächsten Mittwoch mit weiteren offenen Fragen zur Politik des Bundeswirtschaftsministeriums befassen. Das geht aus der Tagesordnung hervor, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Der Ausschuss soll in seiner Sitzung am Morgen zunächst entscheiden, ob am Mittag in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie und in öffentlicher Sitzung beraten wird.
Beides hatte die CDU/CSU-Fraktion beantragt. Thema soll laut Tagesordnung die „Weitere Aufarbeitung der Stellenbesetzung des Vorsitzenden der Dena-Geschäftsführung sowie aktuelle Berichterstattung zu möglichen Compliance-Verstößen und zur Personalpolitik des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz“ sein.
Weiterer Staatssekretär wegen möglicher Interessenkonflikte in der Kritik
Der Wirtschaftsausschuss erwartet auch einen Bericht des Ministeriums zu Medienberichten über „mögliche Interessenkonflikte in der Leitungsebene des BMWK bei der Industriepolitik, Außenwirtschaftspolitik, Digital- und Innovationspolitik und hier insbesondere bei der Start-up-Förderung“.
Für diese Bereiche ist Staatssekretär Udo Philipp zuständig. Nach einem Bericht von „Business Insider“ hat Philipp privates Geld in mehrere Start-ups investiert, was angesichts seiner Position im Ministerium Fragen bei der Opposition aufwirft.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) erklärte, Philipp habe seine Vermögensverhältnisse den Verhaltensvorschriften entsprechend bei Amtsantritt angezeigt, seine Aktien würden von Dritten verwaltet, und er habe keinen Einfluss auf Einzelgeschäfte. Vor seinem Amtsantritt habe er als Business-Angel kleine Unternehmen unterstützt.
Er sei bei diesen Unternehmen schon seit Amtsantritt als Staatssekretär im Finanzministerium Schleswig-Holstein im März 2019 nicht mehr aktiv. „Aufgrund der Illiquidität der Unternehmensanteile ist ein Verkauf der Anteile nicht möglich“, erklärte das Ministerium. Vorsorglich sei aber geregelt, dass Philipp keine Entscheidungen treffe, von denen diese Unternehmen finanziell profitieren könnten.
Die Förderung von Unternehmensgründungen und finanzielle Hilfen in der Wachstumsphase liegen laut Ministerium in der Zuständigkeit der Abteilung von Staatssekretär Sven Giegold (Grüne), nicht in der von Philipp. Zwar sei die Start-up-Strategie in Philipps Abteilung erarbeitet worden, die konkreten Förderinstrumente lägen aber bei der Abteilung Giegolds.
Habeck strebt an, über die Nachfolge Graichens vor der parlamentarischen Sommerpause zu entscheiden. Der SPD-Politiker Roloff verlangte, die Personalie „so schnell wie möglich“ zu klären. Auch der FDP-Politiker Kubicki macht Druck: „Wir brauchen ein handlungsfähiges Wirtschaftsministerium, bei dem auch wieder Ruhe im Schiff ist.“ Insofern hoffe er, dass Habeck „eine glückliche Hand bei dieser so wichtigen Personalie hat“.
Mehr: Die Krise des Wirtschaftsministers wird zur Krise für Grüne und Klimaschutz
<< Den vollständigen Artikel: Trauzeugen-Affäre: Ampel streitet nach Graichen-Abtritt über Zeitplan für Heizungsgesetz >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.