Berlin DGB-Chefin Yasmin Fahimi stößt mit ihrem Vorstoß, den Strompreis für die Industrie befristet bei vier Cent pro Kilowattstunde zu deckeln, auf geteilte Meinungen. Der Vorschlag entspreche „eher einem symbolischen Überbietungswettbewerb statt eines konstruktiven Beitrags zur Debatte“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben.
„Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und den Erhalt der vielen industriellen Arbeitsplätze erreichen wir nicht durch eine staatliche Dauersubvention für wenige Großkonzerne“, betonte der Bundestagsabgeordnete.
Dagegen begrüßte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sandra Detzer, dass der DGB den Vorschlag eines Industriestrompreises im Prinzip unterstütze. In der Koalition seien nun SPD und FDP am Zug, ihre Position zu klären, sagte Detzer. Unabhängig von der konkreten Höhe müsse ein subventionierter Strompreis Transformation ermöglichen und dürfe sie nicht ausbremsen.
Bis erneuerbare Energien in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und der Umbau zu klimaneutraler Produktion gelungen ist, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die heimische Industrie stützen. Befristet bis 2030 soll der Strompreis für 80 Prozent des Verbrauchs auf sechs Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden.
Fahimi geht das nicht weit genug. Im globalen und europäischen Wettbewerb seien sechs Cent für den Industriestrom immer noch zu viel, sagte die Gewerkschafterin im Interview mit dem Handelsblatt.
Handwerk lehnt Sondertarif nur für Industrieunternehmen ab
Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, begrüßt zwar die Debatte über das Thema. „Die aktuellen Vorschläge greifen aber zu kurz.“ Wie auch FDP-Politiker Houben ist Adrian der Ansicht, dass eine echte Entlastung beim Strompreis erforderlich ist, die den Unternehmen in der Breite hilft.
Der Vorschlag des Wirtschaftsministers würde nur einer sehr geringen Zahl von Unternehmen helfen, kritisiert Adrian – und das auch nur, wenn der Stromrabatt nicht zugleich noch mit vielen Auflagen und Einschränkungen verbunden werde. So wollen Habeck und Fahimi die Förderung an Kriterien wie eine Transformationsverpflichtung, Tariftreue oder Standortgarantien knüpfen.
Vor einer einseitigen Bevorzugung großer energieintensiver Betriebe warnt auch Handwerkspräsident Jörg Dittrich: „Ein Sondertarif, der einseitig nur Industrieunternehmen privilegiert, führt zu Wettbewerbsverzerrungen und gefährdet im Handwerk Arbeits- und Ausbildungsplätze, deren Erhalt den Gewerkschaften mindestens ebenso am Herzen liegen sollte.“
Allerdings hatte Fahimi betont, dass die Förderung der Industrie nicht zulasten anderer Stromverbraucher gehen dürfe. Die Bundesregierung sollte deshalb aus ihrer Sicht ein Signal geben, wenn erforderlich die Energiepreisbremse des vergangenen Jahres zu verlängern, damit auch die Backstube um die Ecke vor einer finanziellen Überforderung geschützt wird.
DIHK-Präsident Adrian schwebt ein anderer Weg vor: „Wir können die Krise nur lösen, wenn wir beherzt das Angebot ausweiten und zugleich staatliche Belastungen reduzieren“, sagt der Unternehmer. Ziel müsse ein wettbewerbsfähiger Strompreis sein, der sich an Ländern wie Frankreich orientiere, wo der Industriestrompreis bei rund vier Cent gedeckelt ist.
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Habe ein deutscher Mittelständler vor der Energiekrise doppelt so viel für den Strom bezahlt wie sein französischer Wettbewerber, sei es inzwischen viermal so viel, heißt es im vierseitigen Entwurf eines DIHK-Konzepts für eine „Strompartnerschaft“.
Alternativer Vorschlag
Die Kammer fürchtet „Ungerechtigkeiten und Unwuchten, Fehlanreize und Fehlsteuerungen“, wenn die Förderung nur auf wenige industrielle Großverbraucher konzentriert wird. Sie schlägt stattdessen vor, dass der Staat beim Strom Steuern, Umlagen und Entgelte möglichst komplett übernehmen sollte. Allein dadurch würden Unternehmen und private Haushalte um rund zehn Milliarden Euro jährlich entlastet.
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Und die DIHK will mit Investitionszuschüssen langfristige Stromlieferverträge zwischen den Produzenten von erneuerbarer Energie und Stromverbrauchern aus der Wirtschaft fördern. Dies bringe Planungs- und Investitionssicherheit für beide Seiten.
Auch das Konzept von Wirtschaftsminister Habeck sieht solche durch staatliche Bürgschaften abgesicherten Power Purchase Agreements (PPA) vor – allerdings auf längere Sicht. Kurzfristig hält der Minister einen gedeckelten „Brückenstrompreis“ für erforderlich.
Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hatte allerdings davor gewarnt, dass mit einem subventionierten Industriestrompreis Steuergeld von weniger energieintensiven in energieintensive Branchen umgeleitet werde, was den Strukturwandel bremse. Diese Befürchtung teilt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal, nicht.
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Die Regierung verfolge nicht das Ziel, feste Strukturen zu zementieren oder die Transformation zu verschleppen. „Genau das Gegenteil ist der Fall“, sagte Westphal. Die vorübergehende Strompreisbremse sei der „Gamechanger zur Beschleunigung der Transformation“. Denn nur mit günstigem Strom werde die Elektrifizierung industrieller Prozesse rentabel.
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