Berlin Kurz vor Pfingsten trafen sich Verbandsvertreter und Manager von Telekommunikations-UUnternehmen zum Duell „David gegen Goliath“ in Bonn. Nicht etwa in der Konzernzentrale des Branchenriesen Deutschen Telekom, sondern auf neutralem Boden, im Zweitsitz des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Der schwerwiegende Vorwurf der Konkurrenten: Die Telekom behindert den Glasfaserausbau in Deutschland.
Bei dem Treffen der Branche mit Vertretern des Bundeskartellamts, der Monopolkommission und der Bundesnetzagentur ging es um die Funktionsfähigkeit des Infrastruktur-Wettbewerbs. Demnach darf jedes Unternehmen dort Glasfaser verlegen, wo es sich wirtschaftlich zu rechnen scheint.
Die Anzahl der Kunden entscheidet am Ende, ob sich das Investment lohnt. Kein Wunder, dass ein Wettberber da stört – besonders wenn das marktmächtigste Unternehmen auftaucht und bauen will, um so seinen langjährigen Kupferkabelkunden etwas zu bieten. Zufall oder Taktik, um einen unliebsamen Konkurrenten zu verdrängen?
In Deutschland soll in Windeseile ein flächendeckendes Glasfasernetz entstehen. Bis 2025 sollen dreimal so viele Haushalte und Unternehmen mit Glasfasern ans Turbointernet angeschlossen sein als heute, mindestens 50 Prozent. 2030 dann soll die gesamte Bevölkerung Daten mit 1000 Megabit in der Sekunde oder mehr herunterladen oder durchs Netz schicken können. Diese ambitionierten Ziele hat sich die Bundesregierung in ihre Gigabitstrategie geschrieben.
Zehn Milliarden Euro will die Branche pro Jahr investieren. Allein die Telekom plant 2023 nach eigenem Bekunden trotz Schuldenberg drei Millionen Haushalte ans Glasfasernetz anzuschließen. In Kürze will Minister Volker Wissing (FDP) den Glasfaserausbau per Gesetz zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklären und so noch einmal beschleunigen. Tempo, Tempo, Tempo, lautet die Devise.
Die Verbände der Telekom-Wettbewerber aber schlagen Alarm. In einem Brief an den Minister hatten Stadtwerke wie Glasfaserunternehmen der Telekom Ende März vorgeworfen, Konkurrenten „massiv durch strategische Manöver“ auszubremsen.
Die Wettbewerber der Telekom werfen dem Branchenriesen vor, den Ausbau des Glasfasernetzes zu behindern.
Überall dort, wo die Konkurrenten den Bau eines eigenen Glasfasernetzes ankündigen oder bauen, tauche die Telekom auf und investiere – wenn die Chance bestehe, den Wettbewerb im Keim zu ersticken. „Mehr als die Hälfte der Postleitzahlen-Regionen“ seien von der Taktiererei betroffen, monierten die Verbände.
Gutachter beklagen die Marktmacht der Telekom
Die Androhung eines Doppelausbaus oder der tatsächliche Doppelausbau binden die ohnehin schon knappen Ressourcen in Tiefbau und Planung sowie bei Genehmigungsbehörden, so der Vorwurf. Außerdem führten sie zu Kostensteigerungen bei den Wettbewerbern der Telekom. Das verhindere einen schnellen Ausbau in der Fläche.
Zudem kritisierten die Verbände, dass die Telekom das Netz nur in besonders lukrativen Gebieten punktuell ausbaue oder dies ankündige. Dadurch würden „Investitions- und Ausbaupläne von Wettbewerbsunternehmen für die Versorgung ganzer Kommunen im Rahmen einer Mischkalkulation unrentabel.“
Für das Treffen in Bonn hatte das Bundesministerium das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) um Prüfung gebeten. Die Präsentation liegt dem Handelsblatt vor. So untersuchten die Forscher 96 Fälle, in denen in einer Gemeinde überbaut wurde.
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Das Ergebnis, wenn auch nicht repräsentativ, bestätigt die Sorge der Wettbewerber. Demnach ist es „nur in wenigen der Fälle für beide Unternehmen profitabel“, wenn ein Netz von einem anderen Betreiber überbaut wird.
Vor allem rechne sich der Ausbau dann nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen als Konkurrent auftaucht, also in der Regel die Telekom. Der Konzern versorgt die potenziellen Glasfaserkunden bereits mit ihren Kupferkabeln und kann mit einer einfachen Vertragsumstellung locken.
Diese Marktmacht sei besonders groß und problematisch in kleinen Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern – und damit im ohnehin schlecht ausgebauten ländlichen Raum. Dort komme es dann zu Verzögerungen beim Ausbau.
Sollte dem strategischen Doppelausbau des marktmächtigen Unternehmens Telekom nicht Einhalt geboten werden, sind die Gigabitziele der Bundesregierung für 2030 in Gefahr. Andrea Huber, Geschäftsführerin des Breitbandverbands Anga
Die Telekom weist darauf hin, dass sich auch andere Unternehmen im Netz Konkurrenz machen. Aus Sicht der WIK-Forscher ist das aber in der Regel kein Problem. Der Doppelausbau sei gut für den Wettbewerb, wenn der zweite Anbieter selbst noch um Kunden buhlen muss und damit die Chance besteht, dass „jeder Netzbetreiber seinen kritischen Marktanteil erreicht“. Je geringer der Marktanteil des stärksten Unternehmens, desto mehr Wettbewerber haben die Chance, ein eigenes Netz wirtschaftlich zu betreiben.
Wettbewerber fordern beim Glasfaserausbau Regeln für die Telekom
Für die Wettbewerber der Telekom steht fest: Die Politik muss den Konzern regulieren. „Wenn einzelne Unternehmen den schnellen Zugang zum Glasfasernetz gefährden, braucht es zielgerichtete Gegenmaßnahmen im Sinne des Allgemeinwohls“, sagte Sven Knapp, Leiter des Hauptstadtbüros des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko).
Andrea Huber, Geschäftsführerin des Breitbandverbands Anga, sagte: „Sollte dem strategischen Doppelausbau des marktmächtigen Unternehmens Telekom nicht Einhalt geboten werden, sind die Gigabitziele der Bundesregierung für 2030 in Gefahr.“ Sie forderte „eine klare Haltung des Bundesdigitalministeriums und ein beherztes Vorgehen der Bundesnetzagentur“.
Der Bundesverkehrsminister hat sich beim Glasfaserausbau ambitionierte Ziele gesetzt.
(Foto: IMAGO/NurPhoto)
Die Telekom hält politische Eingriffe für „falsch“, wie ein Sprecher erklärte. Die Konkurrenten wollten „aus einer ‚Überbau-Maus‘ einen ‚Elefanten‘“ machen, um ihre „regionalen oder lokalen Monopole“ abzusichern. Dies sei „schlecht für Qualität, Preis und Ausbaugeschwindigkeit“ und widerspreche dem Grundsatz des Infrastrukturwettbewerbs.
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Auch die Telekom werde im Übrigen überbaut. Der Ausbau der Telekom finde lediglich zu „ein bis zwei Prozent in Gebieten statt, in denen bereits eine andere Glasfaser-Infrastruktur liegt“.
Der teilprivatisierte Konzern weiß sich der Unterstützung des Digitalministeriums sicher. Dessen Staatssekretär, Stefan Schnorr, mahnte einen Tag nach dem Treffen „Sachlichkeit“ an. Wenn es Probleme gebe, helfe das Wettbewerbsrecht, erklärte er auf einer Branchenmesse in Köln. Probleme sehe er allenfalls in „zwei Prozent“ der Fälle. Regulierung halte er „schlicht und ergreifend für unsinnig“.
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