Chișinău Die ersten internationalen Gäste sind bereits eingetroffen in Moldaus Hauptstadt Chișinău. Die Aufregung vor Ort ist groß: Nie zuvor hat der kleine Staat mit 2,6 Millionen Einwohnern einen politischen Gipfel dieser Größenordnung ausgetragen.
Dutzende europäische Staats- und Regierungschefs besuchen das Land im Rahmen eines Treffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC), darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die hochkarätige Gästeliste verspricht die in Chișinău dringend gewünschte Aufmerksamkeit, denn Moldau grenzt direkt an die Ukraine, ist massiv auf internationale Unterstützung angewiesen und steht unter Druck aus Moskau.
Das Forum soll den informellen politischen Austausch auf dem europäischen Kontinent stärken – bewusst weit über die Grenzen der EU hinaus. Erwartet werden daher auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Vertreter aus Serbien, Kosovo, Armenien und Aserbaidschan – ein Treffen der erweiterten europäischen Familie. Vertreter aus Russland und Belarus sind nicht eingeladen.
Für das Gastgeberland Moldau ist die Unterstützung der Gemeinschaft essenziell für die eigene Sicherheit. „Hände weg von Moldau, der Ukraine, Georgien und den westlichen Balkanstaaten“ sei die Botschaft an Russland, schreibt Laurentiu Plesca von der Denkfabrik German Marshall Fund.
Wirtschaftsminister Alaiba: „Moldau ist das größte kollaterale Opfer des Krieges“
Moskau versucht besonders seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine, Moldau zu destabilisieren. Der Landesteil Transnistrien, der an die Ukraine grenzt, steht de facto unter russischer Kontrolle, bewusst setzt Moskau seit Jahren die Energiezufuhr ins Land als politisches Druckmittel ein, Präsidentin Maia Sandu warnte im Frühjahr eindringlich vor Putschversuchen.
Pro-russische Parteien rufen immer wieder zu Protesten gegen die Regierung auf.
(Foto: IMAGO/SNA)
Florent Marciacq vom French Institute of International Relations in Paris und Dionis Cenusa vom litauischen Thinktank Eastern Europe Studies Centre schreiben, der Gipfel sei Moldaus Gelegenheit, seine Rolle als ernst zu nehmender Partner zu bekräftigen und seinen Beitrag zu europäischen Debatten hervorzuheben.
Moldaus Präsidentin Maia Sandu hat das Ziel, dass ihr Land trotz der Präsenz russischer Truppen bis 2030 der EU beitritt. Das Geheimnis, den Konflikt um Transnistrien zu lösen, so die Präsidentin, liege darin, Wirtschaftsreformen voranzutreiben.
Dumitru Alaiba, Wirtschaftsminister des Landes und stellvertretender Ministerpräsident, gibt zu: „Es ist nicht einfach, zurzeit Investoren dazu zu bewegen, nach Moldau zu kommen.“ Alaiba will deshalb Bürokratie abbauen, Korruption bekämpfen und kleine und mittelständische Unternehmen fördern, sagte er dem Handelsblatt. Hoffnung hat er insbesondere für den IT-Sektor und die Weinproduktion, das Land ist unter anderem bekannt für seine Weinkeller.
Es ist nicht einfach, zurzeit Investoren dazu zu bewegen, nach Moldau zu kommen. Moldaus Wirtschaftsminister Dumitru Alaiba
Zugleich sieht Alaiba seinen eigenen Einfluss begrenzt: „Die Wahrheit ist doch, dass die Situation auf dem ganzen Kontinent abhängt von der Situation im Kriegsgebiet in der Ukraine.“ Und die seines Landes besonders: „Moldau ist das größte kollaterale Opfer des Krieges.“
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So ist etwa das Stromnetz Moldaus mit dem der Ukraine verbunden. „Letztes Jahr blieb der Strom einmal für vier Stunden aus“, berichtet Alaiba. Der Grund für den Ausfall im November waren Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Die Kosten laut Alaiba: 0,07 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes, der tatsächliche Wert könnte deutlich darüber liegen.
Auch am Dienstag fiel in Teilen des Landes erneut der Strom aus. Einige Beobachter vermuten, dass solche Vorfälle aus Russland gesteuert werden, auch aus Anlass des bevorstehenden Gipfeltreffens.
Russland versucht offenbar weiter, das Land zu destabilisieren. Die EU verhängte am Dienstag Sanktionen gegen sieben Politiker und Geschäftsleute mit moldauischer oder russischer Staatsangehörigkeit, die unter anderem gewalttätige Demonstrationen organisiert haben sollen.
Das kleine Nachbarland der Ukraine ist dringend auf internationale Unterstützung angewiesen.
(Foto: IMAGO/SNA)
Ob sich die russlandfreundliche oder die EU-orientierte Seite durchsetzt, wird sich im kommenden Jahr zeigen. Dann steht die Präsidentschaftswahl an. 2025 sind Parlamentswahlen. Im vergangenen Winter war die Unzufriedenheit über die hohe Inflation mit zwischenzeitlich bis zu 28 Prozent so hoch, dass sich viele Menschen Protesten der prorussischen Shor-Partei anschlossen. Die Partei hatte in der Vergangenheit zugegeben, dass die Teilnehmenden dafür Geld erhielten. Zuletzt gab es auch Demonstrationen zur Unterstützung der proeuropäischen Regierung.
Wirtschaftsminister Alaiba will sich davon nicht verunsichern lassen. Die Inflation sei ein „eher kurzfristiges“ Problem, sagte er. Er will sich darauf konzentrieren, strukturelle und langfristige Probleme anzugehen.
Mehr: EU-Parlament will rasche Beitrittsverhandlungen mit Republik Moldau.
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