Madrid Als der spanische Oppositionschef Alberto Núñez Feijóo am Dienstag nach den Kommunal- und Regionalwahlen in die Parteizentrale in Madrid kommt, bleibt er an der Tür stehen und lässt den frisch gewählten Regionalpolitikern und -politikerinnen seiner Partei den Vortritt. Aus den Lautsprechern dröhnt Louis Armstrongs „What a wonderful world“.
Feijóo und seine konservative Partido Popular (PP) sind bester Laune: Sie haben am vergangenen Superwahlsonntag, an dem in den Kommunen und manchen Regionen gewählt wurde, in fast allen wichtigen Hochburgen die meisten Stimmen erhalten. Der Triumph war so groß, dass der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez überraschend das nationale Parlament auflöste und für den 23. Juli Neuwahlen ansetzte. Es ist die letzte Hoffnung des Sozialsten Sánchez, den Siegeszug seines Widersachers Feijóo zumindest auf nationaler Ebene noch zu stoppen.
Feijóo hatte erst vor einem Jahr die Führung der damals zerstrittenen PP übernommen. Seitdem hat er den lokalen und regionalen Vertretern weitgehend freie Hand gelassen, die Partei geeint und hinter sich versammelt.
Moderate Auftritte und Positionen gelten als sein Erfolgsrezept in einem traditionell politisch stark polarisierten Land. „Ihm gelingt es, auch Stimmen jenseits der klassischen Wählerschaft seiner Partei zu gewinnen“, sagt Lluís Orriols, Politologe an der Universität Carlos III. in Madrid.
Das bewies Feijóo vor seiner nationalen Karriere in seiner Heimatregion Galicien: Viermal hintereinander gewann der 61-Jährige dort die absolute Mehrheit und war seit dem Jahr 2009 Regierungschef der nordspanischen Region, vergleichbar mit einem deutschen Bundesland.
„Ich bin ein normaler Mensch, der die Normalität verteidigt, die Spanien braucht“
Kritiker werfen Feijóo vor, dass er kein Englisch spreche, ihm internationale Erfahrung fehle und er sich bislang nur als Provinzpolitiker hervorgetan habe. Tatsächlich hat der gelernte Jurist und spätere Beamte bislang stets in seiner Heimat Galicien gelebt – bis auf sieben Jahre, in denen er in Madrid eine Gesundheitsbehörde und die spanische Post geleitet hat.
„Ich bin nicht perfekt und behaupte das auch nicht“, twitterte Feijóo wenige Tage vor den Kommunal- und Regionalwahlen. „Ich bin ein normaler Mensch, der die Normalität verteidigt, die Spanien braucht.“ Feijóo ist verheiratet mit einer ehemaligen Managerin des Textilkonzerns Inditex, mit der er einen kleinen Sohn hat.
Mit seinem zurückhaltenden Ton trifft er bei vielen Spaniern offenbar einen Nerv. In den fünf Jahren der Regierung von Sánchez’ Sozialisten und den Linkspopulisten von Unidas Podemos hat sich das politische Klima stark aufgeheizt. In Parlamentsdebatten ging es immer häufiger nicht vorrangig um Inhalte, sondern um Angriffe auf den politischen Gegner.
Allerdings ist fraglich, wie viel Normalität Feijóo Spanien als Regierungschef geben könnte. Denn bei einem Wahlsieg wird er aller Voraussicht nach auf die Rechtsaußen-Partei Vox angewiesen sein.
Die ist inzwischen drittstärkste Partei in Spanien. Analysten sind sich einig, dass sie auf eine Regierungsbeteiligung drängen wird. Sánchez nutzt das aus und betont stets die Gefahr, die von einer Koalition aus PP und Vox ausginge. Feijóo hat bislang jede Erwähnung von Vox vermieden.
Rechtsaußen-Partei Vox könnte den Ausbau der Erneuerbaren bremsen
Neben politischen Konsequenzen hätte das womöglich auch Einfluss auf die Energiepolitik: Spanische Zeitungen warnen bereits, dass eine Regierung mit Vox die ehrgeizigen Ausbauziele Spaniens bei Erneuerbaren bremsen könnte.
Die Partei wettert gegen den „Klimafanatismus“ der aktuellen Regierung. „Vox kritisiert die mit der Energiewende verbundenen Maßnahmen, weil sie angeblich den Energiepreis erhöhen, und stellt sich bei vielen Gelegenheiten auf die Seite der Nachbarn, die gegen geplante Solar- oder Windkraftanlagen protestieren“, erklärt Ramón Mateo von der Beratungsfirma Bebartlet.
Das Thema dürfte man auch in Deutschland genau verfolgen: Sánchez wollte Spanien zum Exporteur von grünem Wasserstoff aufbauen und hat dafür mit Deutschland und Frankreich den Bau einer neuen Pipeline gen Nordeuropa vereinbart.
Die spanische Wirtschaft indes dürfte ein Wahlsieg Feijóos grundsätzlich freuen: Während Sánchez gegen Big Business wetterte und eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne und Banken eingeführt hat, verspricht Feijóo Steuersenkungen und Haushaltsdisziplin.
„Ich bin sehr besorgt wegen Spaniens Schulden“, sagte er am Mittwoch bei einer Wirtschaftsveranstaltung in Barcelona. „Wir müssen Investitionen anlocken und den Unternehmen sagen, dass Spanien der beste Ort für sie ist, um zu investieren.“
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