Jun 5, 2023
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China-Politik: Klingbeil in Peking: Das China-Dilemma der SPD

Written by Martin Greive

Berlin Trotz großer Differenzen ist der Austausch zwischen China und Deutschland derzeit so intensiv wie lange nicht. Ein Politiker nach dem anderen reist in die Volksrepublik. Am Montag ist SPD-Chef Lars Klingbeil an der Reihe, zwei Wochen vor den wichtigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 20. Juni in Berlin.

„Offene politische Gespräche“, wolle Klingbeil mit Vertretern der Kommunistischen Partei (KP) führen, gab er vor Abflug zu Protokoll. Dabei wolle er „auch über kritische Themen“ sprechen. Die Reise stehe im Zeichen der Neuausrichtung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik.

Das klingt nach einem klaren Kurs, doch in der Realität befindet sich die SPD in der China-Politik zunehmend in einem Dilemma. Nach außen geben sich die Sozialdemokraten als die Stimme der Vernunft in der China-Debatte – kritisch, aber dennoch wie Klingbeil vorsichtig.

Damit grenzt sich die SPD von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock ab, die nach Auffassung der SPD zu markig gegenüber China auftritt. In Peking kommt das gut an. Chinesische Staatsvertreter sehen Bundeskanzler Olaf Scholz auf ihrer Seite, von Baerbock halten sie wenig.

Allerdings bekommen Scholz und die SPD zunehmend Druck von Bündnispartnern, sich klarer gegenüber China zu positionieren. Nicht nur die USA, sondern auch Diplomaten aus Europa fordern immer offener, dass Berlin sich klarer dazu bekennen soll, welche Folgen ein chinesischer Angriffs auf Taiwan für China hätte – auch wirtschaftlich.

Annalena Baerbock

Die Bundesaußenministerin hatte bei ihrem Besuch in China unter anderem Menschenrechtsverletzungen kritisiert.

(Foto: via REUTERS)

Klingbeil hat angekündigt, bei seinem Besuch die Situation rund um Taiwan anzusprechen. Um das Thema würde er auch kaum herumkommen.

Erst am Wochenende hatten sich Verteidigungsminister aus aller Welt in Singapur beim Shangri-La-Dialog getroffen – der wichtigsten sicherheitspolitischen Konferenz Asiens.

SPD will sich nicht auf Konsequenzen eines Angriffs auf Taiwan festlegen

Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu warnte auf der Konferenz davor, „NATO-ähnliche“ Bündnisse im Indopazifik zu schaffen. Der Versuch, dort derartige Allianzen voranzutreiben, bausche Konflikte und Konfrontationen auf, sagte Li. Auch Deutschland will 2024 zwei Kriegsschiffe in den Indo-Pazifik entsenden.

Bereits im Vorfeld des Treffens hatten chinesische Staatsmedien Li mit einer indirekten Drohung gegen Taiwan zitiert. „Wir werden niemals versprechen, von dem Einsatz von Gewalt abzusehen“, soll Li gesagt haben. „China muss vereint werden.“

>> Lesen Sie mehr: USA und China geraten einander – Vorfall im Chinesischen Meer

Klingbeil hatte bereits öffentlich klargestellt, ein chinesischer Angriff gegen Taiwan hätte schwere Konsequenzen. „Wenn China Taiwan angreift, wird sich auch unsere Beziehung zu China fundamental ändern, so wie das jetzt mit Russland der Fall ist“, sagte Klingbeil gegenüber der „Zeit“. Welche Konsequenzen ein solcher Angriff genau hätte, darauf wollen sich jedoch weder der SPD-Chef noch der Bundeskanzler festlegen.

Chinesischer Kampfjet hebt von einem Flugzeugträger in der Nähe von Taiwan ab

Der Konflikt um Taiwan spitzt sich immer weiter zu.

(Foto: AP)

Scholz will sich so alle Optionen offenhalten. Das hatte er schon im Falle Russlands vor Ausbruch des Ukrainekriegs so gehandhabt. Damals wollte er nicht sagen, dass im Falle eines russischen Überfalls auf die Ukraine das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 gestoppt werden würde. Scholz nahm das Wort „Nord Stream“ sogar über Wochen nicht einmal mehr in den Mund.

Das missfiel vor allem den Grünen, die nun ebenfalls auf einen härteren Umgang mit China pochen. Aus der Bundesregierung heißt es aber immer wieder, Baerbock und Scholz unterschieden sich in der China-Politik nur in der Rhetorik, inhaltlich gebe es keine grundlegenden Meinungsunterschiede.

>> Lesen Sie hier: Baerbocks Besuch zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen Peking und Berlin gewandelt hat – ein Kommentar

Tatsächlich gab es zuletzt etwas Annäherung. Baerbock besuchte bei ihrer China-Reise demonstrativ mehrere deutsche Unternehmen, bei denen die deutsch-chinesische Zusammenarbeit gut funktioniert.

Bei einer Befragung im Bundestag nach der Reise betonte sie, dass China Deutschlands größter Handelspartner sei, „und das ist auch gut und wichtig“. Es komme darauf an, „uns von China nicht zu entkoppeln“. Es gehe darum, Risiken zu minimieren.

Auch Scholz hat seinerseits seine Position gegenüber China in den vergangenen Monaten durchaus angepasst. So spielten bei seinem Besuch in Peking im vergangenen Jahr die mitgereisten Wirtschaftsbosse nur im Hintergrund eine Rolle, auch wurden keine Verträge unterzeichnet.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der chinesische Staatschef Xi Jinping

Die SPD ist in ihrem Umgang mit China deutlich zurückhaltender als die Grünen es sind.

(Foto: AP)

Die anstehenden deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 20. Juni dürften ähnlich unspektakulär vonstattengehen. „Bloß kein Business as usual“, heißt es in Regierungskreisen.

Doch so einträchtig wie es die Ampel darstellt ist die Koalition keineswegs. Noch während Baerbocks China-Reise gab der wirtschaftsfreundliche SPD-Flügel der Außenministerin wenig subtil von Berlin aus den Ratschlag, dass „Abschottung keine Maxime der Zeitenwende“ sein dürfe.

Grüne und SPD beim Umgang mit China nicht einig

Allerdings hatte Baerbock das auch nie gefordert. Der Angriff des SPD-Flügels war deshalb vor allem eine Revanche für Kritik, die Baerbock im vergangenen Herbst im Vorfeld der China-Reise von Scholz geübt hatte.

Auch hatte es zuletzt wieder Unstimmigkeiten um einen Teilverkauf des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco gegeben, den Scholz gegen Baerbock und weiterer Mitglieder des Kabinetts durchboxte.

Im Kanzleramt sorgt man sich wiederum, Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck könnten in der China-Politik übers Ziel hinausschießen und Peking unnötig provozieren.

Auf ihrem jüngsten Gipfel beschlossen die G7, Investitionen der eigenen Unternehmen in China stärker zu kontrollieren. Das Kanzleramt will dieses Screening von Auslandsinvestitionen möglichst eng fassen. Was Habeck genau vorschwebt, ist nicht bekannt. Allerdings trat er in solchen Fragen in der Vergangenheit eher entschieden auf.

Taiwan, die Kontrolle von Auslandsinvestitionen, die Sorge Chinas vor zu viel westlichem Einfluss im Indo-Pazifik, dann noch die geplanten EU-Wirtschaftssanktionen gegen chinesische Unternehmen, die Geschäfte mit Russland machen – die Zeiten, in denen Treffen von Sozialdemokraten und chinesischen KP-Vertretern harmonisch verliefen, sind vorbei. Diese Erfahrung wird wohl auch Klingbeil am Montag in Peking machen.

Mehr: Habeck will China-Geschäfte deutscher Unternehmen kontrollieren



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