Washington Mike Pence, früherer Vizepräsident von Donald Trump, steht mit hundert Bikern vor einem Harley-Davidson-Showroom im Bundesstaat Iowa. Das Jackett hat der US-Republikaner zu Hause gelassen, stattdessen trägt er Lederweste und Sonnenbrille. Gleich wird er selbst auf eine Harley steigen und mit republikanischen Anhängern durch die Gegend rauschen, vorbei an Maisfeldern, Pick-up-Trucks und Burger King.
Der Biker-Auftritt am vergangenen Wochenende war Teil seines Plans, eine erneute Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump zu verhindern. Pence wird in den kommenden Monaten häufiger in Iowa unterwegs sein, denn der US-Bundesstaat stimmt im Februar 2024 als erster darüber ab, wer Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird.
Mit seinem Einstieg ins Rennen stellt sich Pence gegen Trump: seinen einstigen Boss, den er über Jahre loyal verteidigte wie kaum ein anderer Republikaner. Trump bewirbt sich ebenfalls um die Kandidatur für 2024 und will US-Präsident Joe Biden herausfordern.
Insgesamt buhlen zehn Republikaner um die Nominierung, laut dem Sender CNN sollen neben Pence zwei weitere hinzukommen: der frühere Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, und der Gouverneur von North Dakota, Doug Burgum. Weitere Bewerbungen sind nicht ausgeschlossen.
Das übervolle Kandidatenfeld lässt darauf schließen, dass viele Republikaner sich einen Sturz Trumps zutrauen, selbst wenn dieser in Umfragen weit vorn liegt. Auch scheinen sie darauf zu bauen, dass der 80-jährige Biden im direkten Duell besiegt werden kann.
Pence stellt sich hinter die US-Hilfen für die Ukraine
Pence grenzt sich vor allem außenpolitisch von Trump ab, denn er ist einer der wenigen republikanischen Präsidentschaftsbewerber, die sich für Ukrainehilfen aussprechen.
Unter den republikanischen Bewerbern für die Präsidentschaftskandidatur fällt Pence in das Lager der Weltpolitiker, gemeinsam mit der früheren UN-Botschafterin Nikki Haley und dem Senator Tim Scott. Kurz nach der russischen Invasion im Februar 2022 hatte Pence die ukrainische Grenze zu Polen besucht.
Es sei von höchstem amerikanischen Interesse, Russland einzuhegen, sagte er am Wochenende in Iowa. „Ein Krieg tobt in Europa, und das bringt auch unser Land in Schwierigkeiten“, erklärte er. Bei einer Rede im November rief er seine Partei auf, geschlossen hinter den Ukrainehilfen zu stehen. „In der konservativen Bewegung kann es keinen Platz für Putin-Apologeten geben. Es gibt in dieser Bewegung nur Platz für Verfechter der Freiheit.“
Die US-Wahl 2024 ist entscheidend für Europa
Trump hingegen droht mit einem sofortigen Aus der Unterstützung für die Ukraine, sollte er aufgestellt werden und die Wahlen gewinnen.
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Die Wahl im November 2024 ist damit entscheidend für das Verhältnis zu Europa – und für den Ukrainekrieg, sollte dieser dann noch immer anhalten. Eine Abwahl von Biden, der Sieg eines Nato-kritischen Republikaners und dessen Einzug ins Weiße Haus, so deutsche Diplomaten, wären ein Desaster für die mühsam reparierten transatlantischen Beziehungen.
Bislang sind die USA die tragende Säule der ukrainischen Verteidigung, insgesamt hat die Biden-Regierung rund 113 Milliarden US-Dollar an militärischen, wirtschaftlichen und humanitären Mitteln genehmigt.
Zunehmend stehen die Hilfen in der Kritik, auch im US-Kongress, der womöglich noch diesen Sommer über eine neue Milliardentranche abstimmen muss. Der republikanische Bewerber Ron DeSantis bezeichnete den Ukrainekrieg als „Regionalkonflikt“ und stellte die Hilfen infrage.
Auch der Biotech-Unternehmer und Präsidentschaftsbewerber Vivek Ramaswamy kritisiert die US-Unterstützung. „Die USA müssen sich auf ihre Prioritäten konzentrieren und ihr Engagement im Ukrainekrieg zurückfahren“, sagte der 38-Jährige dem Handelsblatt.
Auf dem Capitol Hill sind solche isolationistischen Stimmen allerdings in der Minderheit, die meisten demokratischen und republikanischen Abgeordneten und Senatoren unterstützen die Ukrainehilfen. Schließlich wollen sie einen Sieg Russlands um jeden Preis verhindern – auch, um China abzuschrecken.
Eine Mehrheit der US-Bürger befürwortet die Gelder für die Ukraine ebenfalls, auch wenn der Rückhalt dafür langsam sinkt.
Pence hat eine wichtige Wählergruppe auf seiner Seite
In parteiinternen Umfragen liegt Pence noch im einstelligen Bereich, aber unterschätzen sollte man ihn nicht. Denn innenpolitisch spricht er eine Klientel an, die Trump vergrault hat. Pence war lange Gouverneur des tiefroten Bundesstaats Indiana und hat ein hohes Standing bei der wichtigen Wählergruppe der Evangelikalen, er ist eng mit christlichen Organisationen verbunden.
Pence ist sehr religiös, kämpft gegen Abtreibungen und die gleichgeschlechtliche Ehe. Für die größten Bedrohungen der Gesellschaft hält er die „familiäre Instabilität, Ein-Eltern-Haushalte, den Niedergang der Familiengründung und eine Explosion sexuell übertragbarer Krankheiten“.
Kurz bevor das oberste Gericht der USA im vergangenen Sommer das bundesweite Recht auf Abtreibung kippte, sagte er: „Nichts hat in den vergangenen 50 Jahren unsere Gesellschaft mehr destabilisiert als die legale Abtreibung.“
Trump nutzte seinen Vize erfolgreich als Bindeglied zum republikanischen Establishment im Mittleren Westen und zur Szene der Großspender. Auf diese Vorteile muss er inzwischen verzichten. Noch steht nicht fest, wer Trumps neuer „running mate“ werden könnte.
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Auch Pence hatte etwas davon, Trump die Treue zu halten. Er hielt bei zwei Impeachment-Verfahren zu ihm und wandte sich sogar dann nicht ab, als Trump als Kandidat mit sexuellen Übergriffen prahlte. Im Gegenzug bekam der Vize eine konservative Mehrheit im mächtigen Supreme Court, dem obersten Gericht – ein Traum der religiösen Rechten in den USA.
Zum Bruch kam es erst nach der verlorenen Präsidentschaftswahl von 2020. Am 6. Januar 2021 stürmten fanatische Trump-Fans das Kapitol, die den Wahlsieg Bidens für manipuliert hielten. Einige von ihnen wollten Pence hängen und bauten einen Galgen vor dem US-Kongress auf, weil dieser die Wahlergebnisse als rechtmäßig zertifizieren wollte.
Trump hatte zu Protesten aufgerufen und tat stundenlang nichts, um zu deeskalieren. Pence sagt inzwischen, Trumps „Rücksichtslosigkeit“ habe seine Familie und alle gefährdet, die am 6. Januar im Kapitol waren. „Die Geschichte wird Donald Trump zur Rechenschaft ziehen“, schrieb er in seinen Memoiren.
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