Berlin, Peking Das Ende der strikten Null-Covid-Politik in China im Dezember 2022 feierte nicht nur die heimische Bevölkerung. Auch die deutschen Exportunternehmen hofften auf bessere Geschäfte. China wurde zum großen Hoffnungsträger für die wichtige deutsche Exportwirtschaft, die sich seit inzwischen drei Jahren wegen der Coronapandemie und des Ukrainekriegs in einer angespannten Lage befindet.
Doch daraus ist bislang nichts geworden. Vielmehr ist der Handel mit China in den ersten Monaten 2023 weiter eingebrochen. Zwischen Januar und April lagen die Ausfuhren aus Deutschland in die Volksrepublik laut Daten des Statistischen Bundesamts bei 32,5 Milliarden Euro – und damit zehn Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Auch im Vergleich zu den letzten vier Monaten in 2022 zeigt sich ein Rückgang von 5,4 Prozent.
Die schwache Entwicklung nährt Sorgen, dass die deutsche Konjunktur auch in den nächsten Monaten nicht vom Fleck kommt. Klaus-Jürgen Gern, Leiter der globalen Konjunkturprognose am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), sagt: „Die Exporte nach China haben sich in den letzten Monaten sehr schwach entwickelt und die Exportentwicklung insgesamt spürbar gebremst.“
Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft bereits in eine technische Rezession gerutscht. Zwei Quartale in Folge war die Wirtschaftsleistung geschrumpft. Ausgelöst hatte das vor allem die schwache Nachfrage der privaten Haushalte als Folge der hohen Inflation.
Die Industrie glich das etwas aus und verhinderte eine schwerere Rezession. Mit dem anhaltenden Rückgang der Inflation deutete sich zuletzt wieder leichtes Wachstum an.
Die Folge: Deutschland droht 2023 Schrumpfung
Doch das wird inzwischen immer unwahrscheinlicher, auch wegen China. Die ausbleibende Nachfrage aus der Volksrepublik droht auch das verarbeitende Gewerbe in den Abwärtssog zu ziehen. Ein Indiz sind die Auftragseingänge der Industrie, ein wichtiger Frühindikator. Die Aufträge von außerhalb der Euro-Zone – das betrifft vor allem China und die USA – nahmen im Mai um 1,1 Prozent ab.
>> Lesen Sie hier: Warum Deutschland in der Rezession ist – vier Gründe
Die meisten Konjunkturforscherinnen und -forscher prognostizierten zuletzt noch ein Mini-Wachstum im Gesamtjahr 2023 für Deutschland. Das IfW etwa lag bei einem Plus von 0,5 Prozent. Das wird ob der jüngsten Entwicklungen, unter anderem mit Blick auf die Exportwirtschaft, aber kaum noch zu halten sein. Es sei mit einer Abwärtsrevision zu rechnen, sagen Ökonomen gern. Die Industrieländer-Organisation OECD veröffentlichte am Mittwoch ihre neue Projektion: Für Deutschland rechnet man 2023 mit Stagnation.
Die Hoffnung: Neue Exportzahlen zeigen Besserung
Ausgemachte Sache ist das aber noch nicht. Es gibt die Hoffnung, dass die Exporte nach China doch noch Wachstumstreiber werden. Am Mittwoch hat die chinesische Zollbehörde bereits Daten für die Einfuhren aus Deutschland im Mai veröffentlicht. Auf Dollarbasis stiegen die Einfuhren um fast sieben Prozent gegenüber dem Vormonat.
Schon im April hatten sich die Exporte nach China laut Statistischem Bundesamt um 10,1 Prozent gegenüber dem Vormonat erholt. Die Angaben der Wiesbadener Statistiker sind aufgrund unterschiedlicher Berechnungsweisen nicht direkt mit denen der chinesischen Behörden vergleichbar. Doch beide Entwicklungen zeigen, dass die Chancen auf eine Besserung der Lage für die deutsche Exportwirtschaft zunehmend steigen.
„Die neusten Außenhandelszahlen von Deutschland deuten darauf hin, dass der Nachholeffekt jetzt im zweiten Quartal einsetzt“, sagt Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturchefin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Viele der Ausfuhren, die durch die Null-Covid-Politik ausblieben, könnten nun nachgeholt werden.
Selbst wenn es so kommt, ist aber unklar, ob die späte Erholung die deutsche Wirtschaft im Gesamtjahr 2023 tatsächlich noch vor einem Minus bewahren kann.
Die Gründe: Interne und externe Schwächen
Denn die Lage der chinesischen Wirtschaft bleibt instabil, die schwache Exportnachfrage aufseiten der deutschen Geschäftspartner wird nicht von jetzt auf gleich verschwinden. Die Gründe für die Schwäche bleiben zum Teil erhalten:
Erstens: China erholt sich nur langsam von der Coronapandemie. Nach dem Ende der Null-Covid-Politik belasteten zuerst hohe Infektionszahlen die wirtschaftliche Aktivität. Das ist weitgehend überstanden, die chinesische Konjunktur entwickelt sich aber weiter schwächer als erwartet.
>> Lesen Sie hier: Chinas Exporte brechen im Mai ein
Zweitens: die anhaltende Immobilienkrise im Land. Der Sektor war in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein wesentlicher Wachstumsmotor, dürfte aber in absehbarer Zeit trotz der Maßnahmen der Regierung zur Stabilisierung nur wenig Schub entwickeln. „Bauträger sind stark verschuldet und Investitionen dadurch gedämpft“, sagt DIW-Ökonomin Pia Hüttl.
Drittens: Womöglich waren die Hoffnungen der deutschen Exportwirtschaft übertrieben. Denn das Ende der chinesischen Null-Covid-Politik ist nach Ansicht von IfW-Forscher Gern kein Konjunkturimpuls, der in allen Bereiche gleich stark wirke.
Er erklärt: „In der Corona-Zeit wurden weltweit verstärkt Waren geordert – von Elektronikprodukten bis hin zu Gesundheitsmaterialien –, während der Konsum insbesondere von kontaktintensiven Dienstleistungen eingeschränkt wurde.“ Genau das normalisiere sich jetzt wieder, die Nachfrage der Chinesinnen und Chinesen vor allem nach Dienstleistungen steigt also – weniger die nach Industriegütern aus Deutschland.
Der Trend: China entfremdet sich von deutschen Exporten
Viertens: Die verhaltene Nachfrage nach deutschen Exportgütern ist auch Folge der Strategie der chinesischen Staatsführung. Peking fordert in China tätige Unternehmen immer stärker auf, von lokalen Lieferanten zu beziehen.
Daraus folgt: Selbst wenn es in den nächsten Monaten zu einer Erholung der deutschen Exporte nach China kommen sollte, dürfte sich diese Handelsbeziehung auf lange Sicht abkühlen. „Deutsche Exporte nach China werden immer leichter durch chinesische Produktion ersetzt“, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für den Asien-Pazifik-Raum bei der französischen Investmentbank Natixis.
Ein Beispiel seien Autoteile. „Was jetzt passiert, ist das, was wir angesichts der Industriepolitik, die China betreibt, hätten erwarten müssen“, so Garcia Herrero. Bereits im Jahr 2015 hatte China die Strategie „Made in China 2025“ verabschiedet. Danach werden mit staatlichen Milliarden Schlüsselbranchen unterstützt, um sich unabhängiger vom Ausland zu machen.
Garcia Herrero hält den Automobilsektor nur für den Anfang: „Es wird noch viel mehr Sektoren geben, in denen China seine eigene Produktion durchsetzen wird.“
Mehr: Wirtschaftsweise sprechen sich gegen Industriestrompreis aus.
<< Den vollständigen Artikel: Exporte: Deutsche Unternehmen liefern immer weniger nach China >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.