Berlin CDU-Chef Friedrich Merz hat einen besseren Schutz der EU-Binnengrenzen gefordert, falls die geplante EU-Asylreform auf sich warten lässt. „Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, bleibt auf absehbare Zeit hoch und droht im Sommer weiter zu steigen“, schrieb er in einer am Samstag verbreiteten Mail an seine Anhänger.
Mit dem EU-Asylkompromiss, der am Donnerstag in Luxemburg erzielt worden sei, sei ein Anfang gemacht, aber: „Frühestens im Laufe des Jahres 2024 kann es an den Außengrenzen der EU Zentren für die Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern geben.“
EU-Mitgliedstaaten müssten Schutzvorkehrungen treffen, damit die Zahlen der Flüchtlinge heruntergingen, schrieb Merz. „Wenn der Schutz der Außengrenzen der EU bis auf weiteres nicht hinreichend möglich ist, müssen die Binnengrenzen besser geschützt werden. Jedes Land hat das Recht und auch die Pflicht, den Zuzug in das eigene Territorium zu kontrollieren“, heißt es in der Mail. „Die Freizügigkeit innerhalb Europas steht dazu nicht im Widerspruch.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wandte sich in der „Bild am Sonntag“ allerdings gegen Grenzkontrollen innerhalb der EU. „Ich will das Herzstück der Europäischen Union – offene Grenzen im Inneren – verteidigen“, sagte sie in dem Interview. „Es würde uns um Jahrzehnte zurückwerfen, Schlagbäume wieder hochzuziehen. Unserer Wirtschaft, den vielen Pendlern und Familien dies- und jenseits der Grenzen zu unseren Nachbarstaaten würde das massiv schaden.“
Die EU-Innenminister hatten mehrheitlich für eine umfassende Reform gestimmt. So sollen zum Beispiel ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern nach dem Grenzübertritt in haftähnlich kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob ein Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt.
100 Millionen Euro für die Rückführung von Migranten
Angesichts steigender Zahlen von Mittelmeermigranten hofft Brüssel darüber hinaus, gemeinsam mit Tunesien effektiver gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorzugehen. Die EU-Kommission hat dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Tunesien darum Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Etwa für Such- und Rettungsaktionen und die Rückführungen von Migranten wolle man gut 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag in Tunis nach einem Gespräch mit Präsident Kais Saied an. Das entspricht der dreifachen Summe, mit der Brüssel Tunis dabei zuletzt im Durchschnitt jährlich unterstützte.
An dem Treffen nahmen auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der niederländische Regierungschef Mark Rutte teil. Vor allem Meloni drängt seit Langem auf Abkommen mit Tunesien, um die dort ablegenden Migrantenboote auf deren Weg nach Süditalien und damit in die Europäischen Union schon früh zu stoppen. Die ultrarechte Politikerin sprach von einem „wichtigen ersten Schritt“. Saied nahm nicht an dem Statement teil.
Ob der Deal zustandekommt und mit Tunesien bei den Detailverhandlungen Einigungen erzielt werden, dürfte von einem Entgegenkommen Saieds abhängen. Bereits ein Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar hängt in der Luft, weil Saied keine verbindliche Zusage zu den dafür verlangten Reformen machen will.
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Von der Leyen sagte, die Achtung der Menschenrechte sei wichtig für eine „ganzheitliche“ Migrationspolitik. Hilfsorganisationen und Beobachter kritisieren die Bedingungen und Zustände, denen Migranten in Tunesien ausgesetzt sind. Sie unterstreichen, dass Tunesien unter dem zunehmend autoritär regierenden Saied kein sicherer Ort sei, in den Flüchtlinge zurückgeschickt oder festgehalten werden dürfen.
Von einer Vereinbarung mit Tunis erhofft sich allen voran Meloni, ihrem lang erklärten Ziel näherzukommen, den Mittelmeerüberfahrten ein Ende zu bereiten oder diese wenigstens zu verringern. Allein bis Freitag zählte das Innenministerium in Rom mehr als 53.000 Bootsmigranten, die seit Jahresbeginn an den italienischen Küsten ankamen – im Vergleichszeitraum 2022, also noch unter der Regierung von Mario Draghi, waren es knapp 22.700 gewesen.
Um die Unterstützung von Ländern wie Tunesien zu bekommen, schlug Meloni immer wieder vor, Tunis – ähnlich wie das die EU 2016 mit der Türkei in einem Deal vereinbart hatte – dafür zu bezahlen, die Migrantenboote konsequent am Ablegen Richtung Italien zu hindern.
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