Die Frage darf erlaubt sein, ob die Work-Life-Balance-Ideologie so recht zu einer Gesellschaft passt.
Düsseldorf Es trägt in den seltensten Fällen zur Verständigung zwischen den Generationen bei, wenn die Älteren den Jüngeren sagen, wie sie zu arbeiten, zu leben und zu denken haben. Das gilt erst recht, wenn es sich bei den Älteren um Menschen handelt, die Jahrzehnte des Wohlstandzuwachses erlebt haben, die den Jüngeren mit großer Wahrscheinlichkeit verwehrt bleiben werden.
Insofern ist es nicht nur geschmacklos, sondern zynisch, wenn Thomas de Maizière, ein älterer, konservativer Herr von 69 Jahren, der „Generation Z“ vorwirft lieber Champagner zu trinken als zu arbeiten. Der von den 20- bis 30-Jährigen fordert, doch bitte mal etwas für die Gesellschaft zu tun, anstatt Ansprüche zu stellen.
Es gibt also gute Gründe, dass die Vertreter der jüngeren Generation sich darüber aufregen, wie mein Kollege Roman Winkelhahn es an dieser Stelle am Montag verdienstvoll, wortgewaltig, aber nicht ohne Humor getan hat.
Denn es ist die heranwachsende Generation, die die Folgen jenes Klimawandels spüren wird, den die ältere Generation mit ihrem Wohlstandsanspruch zu verantworten hat. Es ist die heranwachsende Generation, die mit ihrem Arbeitseinkommen so vielen Rentnerinnen und Rentnern wie nie zuvor den Lebensabend finanzieren muss, ohne selbst Aussicht auf eine vergleichbar hohe Rente zu haben.
Und es ist die heranwachsende Generation, die prägende Jahre ihrer Jugend verloren hat, weil sie wegen eines Virus mehr oder weniger weggesperrt wurde, um vor allem Ältere vor Ansteckung zu schützen.
Es scheitert an der Kommunikation
Zum Solidaritätsbeitrag der Jugend gehörte dann obendrein auch noch ein skandalös schlechtes Homeschooling.
In der Corona-Krise verlor die heranwachsende Generation prägende Jahre ihrer Jugend.
(Foto: imago images/Cavan Images)
Für selbstgerechte Belehrungen von Alt an Jung gibt es nie einen Anlass, hier sind sie nun völlig fehl am Platz – unabhängig davon, dass mit den vermeintlichen Trennlinien zwischen den Generationen ohnehin vor allem Klischees bedient werden. Klischees, die am Ende zu einer Sprachlosigkeit zwischen Alt und Jung führen. Die Kommunikation beschränkt sich dann gerne auf hilflos und teils absurd wirkende Klima-Kleber-Aktionen, die der Kanzler dann auch noch als „bekloppt“ banalisiert.
Um die Sprachlosigkeit zu überwinden, ist es vielleicht ratsam, die richtigen Fragen zu formulieren, statt wie de Maizière mit erhobenem Zeigefinger zu irrlichtern. Etwa die Frage, ob sich notwendige Veränderung nicht doch besser von entscheidenden Stellen innerhalb des Systems organisieren lässt als von außerhalb mit radikalen Aktionen, wie es Vertreter der „Letzten Generation“ zumindest in Teilen anzustreben scheinen.
Ist die Work-Life-Balance noch zeitgemäß?
Auch die Frage darf erlaubt sein, ob die Work-Life-Balance-Ideologie so recht zu einer Gesellschaft passt, die schon jetzt unter akutem Arbeitskräftemangel leidet und noch viel mehr leiden wird. Noch immer ist die Zahl der Arbeitskräfte und -stunden langfristig der entscheidende Wachstumsfaktor für eine Volkswirtschaft.
>> Lesen Sie hier: Generation Z – Feindbild gesucht und gefunden
Auf einen Produktivitätssprung durch Technologie, der eine solche Entwicklung wettmachen könnte und von dem schon John Maynard Keynes träumte, warten wir seit der Computerisierung vergebens. Und wenn, dann muss man auch für diesen Fortschritt erst einmal arbeiten. Dass er sich aus dem Sabbatical heraus materialisiert, ist nicht anzunehmen.
Passt die Work-Life-Balance-Ideologie noch zu einer Gesellschaft, die unter Arbeitskräftemangel leidet?
(Foto: IMAGO / Shotshop)
Die jugendliche Gewissheit, dass der Arbeitsmarkt sich allein wegen des akuten Mangels um die „Gen Z“ reißen wird, mag nachvollziehbar sein. Garantiert ist aber auch hier nichts, denn die Nachfrage am Arbeitsmarkt hängt am Ende auch von der Leistungsfähigkeit und der Zahl der prosperierenden Unternehmen ab.
Eine „Vom Praktikum ins Sabbatical-Attitüde“ ist hier ebenso wenig hilfreich wie ein „Burn-out-nach Berufsstart-Syndrom“. Wie so oft geht es auch im Streit der Generationen um Maß und Mitte: Viele Unternehmen wollen ja gar nicht mehr den gestreamlinten Berufseinsteiger mit Harvard Abschluss und 24/7-Mentalität. Genauso wenig indes goutieren die Firmen (wie auch die Kolleginnen und Kollegen) den verwöhnten Daueraussteiger mit Revoluzzer-Attitüde.
Die berechtigten Anliegen der Gen Z – etwa ihr Recht auf ökologische Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit – lassen sich am besten realisieren, wenn man beruflich von den entscheidenden Stellen des bestehenden Systems aus agiert. Das ist in den seltensten Fällen die Strandbar.
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