Jun 16, 2023
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Erbschaften: Die Familienunternehmer fürchten die Flat Tax-Reform der CDU

Written by Daniel Delhaes

Berlin Carsten Linnemann hat gleich ein paar Lacher auf seiner Seite. „Vielen Dank für den netten Empfang – trotz der Debatten um unser neues Grundsatzprogramm“, sagt der Chef des CDU-Grundsatzkommission am Freitag bei einem Auftritt vor mehr als 300 namhaften Familienunternehmern. Die anschließende Fragerunde, der sich Linnemann auf dem „Tag des deutschen Familienunternehmens“ im Berliner Hotel Adlon stellt, verläuft allerdings weniger launig. Der CDU-Vize muss sich viel Kritik zu den Steuerplänen der CDU anhören.

Hat die Union viele Jahre jede Form von Steuererhöhungen ausgeschlossen, will sie nun die Firmenerben über eine Flat Tax bei der Erbschaftsteuer zur Kasse bitten. Die CDU strebe „eine faire und einfache Erbschaftssteuer an“, um „Gerechtigkeit“ zu schaffen, heißt es im Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms, über das die Partei an diesem Wochenende berät.

In den Familienunternehmen führen diese Sätze zu blankem Entsetzen: „Für uns Familienunternehmen ist eine rote Linie überschritten, wenn die begründeten Sonderregeln für Betriebsvermögen, also Standorte, Maschinen, Patente, wegfallen“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes Die Familienunternehmer, klagt: „Die CDU verunsichert Familienunternehmer.“ Astrid Hamker, Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates, warnt sogar: „Wenn eine Verschlechterung bei der Erbschaftsteuer kommt, werden viele Unternehmen Deutschland den Rücken kehren.“

>> Lesen Sie hier: Auf Adenauers Spuren in Italien: Die Neuerweckung der CDU

Aus Sicht der Familienunternehmer fällt die CDU ihnen in den Rücken. Zwar ist der Vorschlag der Flat Tax für die CDU neu, doch ausgefallen ist er nicht. So will längst nicht nur die SPD Betriebserben die Ausnahmen streichen. Auch liberale Ökonomen wie Lars Feld, Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), oder Ifo-Chef Clemens Fuest sprechen sich für eine Flat Tax aus, weil sie die heutige Erbschaftsteuer für ineffizient oder ungerecht halten.

Hohe Erbschaft – niedrige Erbschaftsteuer

Die Politik will mit den derzeitigen großzügigen Ausnahmen für Firmenerben die Wirtschaftskraft der deutschen Familienunternehmen schützen. Doch über die Jahre sind die Ausnahmen immer stärker in die Kritik geraten. Laut einer Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung müssen bis zu 88 Prozent der Firmenerbinnen keine Erbschaftsteuer zahlen. In den vergangenen zwölf Jahren erhielten 3630 Personen mit Erbschaften von mehr als 20 Millionen Euro insgesamt 260 Milliarden Euro steuerfrei.

Gleichzeitig laden die Ausnahmen zu einer legalen Steuergestaltung ein. So wurden 43 Milliarden Euro Betriebsvermögen an 220 Kinder unter 14 Jahren übertragen, die wohl kaum in diesem Alter den Betrieb führen. Allein für 2022 wurde durch die Verschonungsregeln mit Steuermindereinnahmen von fünf Milliarden Euro gerechnet, so die Ebert-Stiftung.

Das hält inzwischen auch die CDU für problematisch. Mit einem neuen Grundsatzprogramm will die Union sich nach 16 Jahren Regierungszeit eine „neue Erkennungsmelodie“ kreieren, wie Linnemann es ausdrückt. Am Freitag und Samstag wird die CDU ihre Ergebnisse auf einem kleinen Parteitag in Berlin diskutieren. Für CDU-Parteichef Friedrich Merz gehört zum neuen Angebot auch eine neue Steuerpolitik – inklusive Erbschaftsteuerreform.

Friedrich Merz

Der CDU-Vorsitzende wünscht sich bessere Rahmenbedienungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Rund 400 Milliarden Euro werden in Deutschland künftig schätzungsweise jährlich vererbt. Auf 55 Milliarden Euro davon wird Erbschaftsteuer fällig, dieses Vermögen liegt also über den geltenden Freibeträgen. Um bei einer Flat Tax mit einem einheitlichen niedrigen Steuersatz das heutige Aufkommen von rund zehn Milliarden Euro zu erzielen, müsste die Bemessungsgrundlage von derzeit 55 Milliarden Euro um 80 Prozent steigen, sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Das sollte möglich sein durch Abschaffung aller Steuerprivilegien.“

Die Tücken einer Reform

Hier liegt allerdings das erste Problem: Zwar würden viele Betriebserben dann mehr oder überhaupt erstmal Erbschaftsteuern zahlen. Weil aber gleichzeitig die Steuersätze für entferntere Verwandte, die heute höher liegen, bei einem Einheitssatz sinken. Um trotzdem das Aufkommen auf wenigstens 15 Milliarden Euro zu steigern, müsste ein Einheits-Steuersatz schon 15 Prozent betragen.

Das zweite Problem sind die Verteilungswirkungen. Eine Flat Tax würde bedeuten, dass enge Verwandte wie Ehepartner oder Kinder „mehr Erbschaftsteuern zahlen, während entferntere Verwandte, die heute höhere Steuersätze zahlen, und auch große Erbschaften entlastet würden“, so Bach. Das gleiche gilt für Unternehmen: Kleine Firmen würden höher besteuert als heute und damit so wie große Konzerne behandelt werden, sagte der DIW-Ökonom.

Bach schlägt daher vor, im gewissen Rahmen die Erbschaftsteuersätze weiterhin an den Verwandtschaftsgrad zu knüpfen und etwa Steuersätze von zehn, 15 und 20 Prozent sowie zumindest für kleine und mittlere Unternehmen Freibeträge einzuführen.

>> Lesen Sie hier: CDU-Wirtschaftsratschefin: „Steuererhöhungen passen nicht zur DNA der CDU“

Die Familienunternehmen beruhigt all das nicht. „Ein einheitlicher Steuersatz klingt sympathisch. Die Erfahrung lehrt jedoch: Ein Niedrigsteuersatz wird nicht lange niedrig bleiben“, warnt Verbandschef Kirchdörfer.

Furcht vor einem Erbschaftsteuer-Wahlkampf

CDU-Vize Linnemann verteidigt sich gegen diese Kritik: Die Union wolle ein einheitliches Unternehmenssteuerrecht schaffen „mit dem Ziel, dass kein Unternehmen in der Substanz stärker belastet wird“, verspricht Linnemann. Die Union habe das Thema auch nur angefasst, weil Parteichef Merz damit rechne, dass die heutige Erbschaftsteuer vom Bundesverfassungsgericht einkassiert werde, sagte er vor den Unternehmern. Darauf müsse die Partei vorbereitet sein.
Kirchdörfer hält diesen Ansatz für „völlig falsch“. Warum müsse die CDU in „vorauseilendem Gehorsam“ eine solch „hochgefährliche Diskussion“ anstoßen? Die Union solle lieber abwarten, bis das Verfassungsgericht die Erbschaftteuer wie einst die Vermögensteuer einkassiere und damit de facto beerdige.

Linnemann fürchtet, dass dann der nächste Wahlkampf zu einem „Erbschaftsteuer-Wahlkampf“ würde, was SPD und Grünen in die Hände spiele. Dann, so argumentiert er, käme es für die Familienunternehmen am Ende vielleicht noch viel schlimmer.

Mehr: Absage an jede Steuererhöhung: FDP stellt sich mit Parteitagsbeschluss gegen CDU-Pläne



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