Washington Einen Wahlkampfauftritt nach dem nächsten absolvierte Joe Biden in den vergangenen Tagen, zuletzt im US-Bundesstaat Kalifornien. Bei einem Auftritt in San Francisco sprach er über Künstliche Intelligenz, seine China-Politik, das amerikanische Abtreibungsrecht und Waffengewalt.
Doch das Thema, über das alle US-Medien aktuell berichten, sparte er aus: Sein Sohn, der 53-jährige Hunter Biden, ist wegen Steuervergehen und illegalen Waffenbesitzes angeklagt worden.
„Haben Sie heute schon mit Ihrem Sohn gesprochen“, rief ein Reporter dem Präsidenten am Dienstag zu, nur Minuten, nachdem die Bundesanklage des US-Justizministeriums bekannt geworden war. Biden lächelte und schwieg. Als der Journalist seine Frage wiederholte, sagte der Präsident: „Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn“.
Das Weiße Hauses teilte mit, der Präsident und dessen Frau Jill unterstützten ihren Sohn, während dieser „sein Leben neu aufbaue“. Weiter werde man den Fall nicht kommentieren.
Kommende Woche soll Hunter Biden vor einem Bundesgericht in Delaware erscheinen und ein Schuldbekenntnis abgeben. Zwar bleiben ihm ein Prozess und wohl auch eine Haftstrafe erspart, weil er eine Vereinbarung mit dem Justizministerium getroffen hat, einen sogenannten plea deal.
Als Teil dieser Einigung dürfte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, wie es aus informierten Kreisen verlautete. Ein Richter muss dem aber noch final zustimmen.
Hunter Bidens Anwalt Christopher Clark sagte, sein Mandant wolle Verantwortung für die Fehler übernehmen, die er in einer schwierigen Phase seines Lebens gemacht habe. Biden bekenne sich schuldig, Einkommenssteuer nicht bezahlt und trotz seiner Drogenprobleme eine Waffe besessen zu haben.
Allein beim Vorwurf des illegalen Waffenbesitzes hätten ihm bis zu zehn Jahre Haft gedroht. Er muss nun aber stattdessen einige Auflagen der Staatsanwaltschaft einhalten, wie aus der Vereinbarung hervorgeht. Es ist eher ungewöhnlich, dass strafrechtliche Vorwürfe sofort beigelegt werden, nachdem die Anklage erhoben wurde. Es kommt Experten zufolge aber doch immer wieder mal vor.
Ein Trump-Staatsanwalt entscheidet über den Fall
Mit der Einigung kommt eine sechs Jahre andauernde Untersuchung des US-Justizministeriums zum Ende. Die Ermittlungen gegen Hunter Biden wurden während der Präsidentschaft von Donald Trump eingeleitet und dem US-Staatsanwalt in Delaware, David C. Weiss, unterstellt – einer der wenigen von Trump ernannten Staatsanwälte, die auch in der Biden-Administration tätig sind.
Politisch besonders heikel ist der Fall, weil Trump erst vor wenigen Tagen wegen der Lagerung geheimer Dokumente in seinem Anwesen in Florida angeklagt worden war. Trump schrieb in einer Reaktion auf seiner Plattform Truth Social, Hunter Biden habe nicht viel mehr als einen Strafzettel bekommen. „Unser System ist kaputt“, schrieb er.
Auch der Republikaner James Comer sagte, Biden sei mit einer zu leichten Strafe davongekommen. Die Partei werde weiter gegen ihn ermitteln. Comer ist Vorsitzender des mächtigen „House Oversight Committees“ im US-Kongress, das Vorladungen aussprechen und Untersuchungen ansetzen kann.
Hunter Biden spielt in den politischen Gefechten zwischen Republikanern und Demokraten eine zentrale Rolle. Seit Jahren werfen Teile der Republikaner dem Präsidenten-Sohn vor, dass er eigentlich im Gefängnis sitzen müsste. Trump hat angekündigt, dass er im Falle eines Wahlsiegs einen Sonderstaatsanwalt ernennen wird, der die Familie Biden verfolgen soll.
Aktuell untersuchen die Republikaner im US-Repräsentantenhaus die früheren geschäftlichen Aktivitäten von Hunter Biden. Dessen Name taucht immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen auf:
- Verbindungen zu Burisma: 2014 war Hunter Biden in den Vorstand des ukrainischen Energiekonzerns Burisma eingetreten. Das Unternehmen wurde damals von einem Oligarchen geführt, gegen den zu dieser Zeit wegen Korruption ermittelt wurde. Hunter Biden soll für seine Arbeit rund 1,5 Millionen US-Dollar von Burisma bekommen haben, während sein Vater als Vizepräsident die Politik der Regierung von Barack Obama in der Ukraine übersah. Joe Biden betonte später, er sei in die Geschäfte seines Sohnes in keinerlei Hinsicht involviert gewesen, und Hunter Biden bezeichnete die Tätigkeit für Burisma im Nachhinein als „schlechte Entscheidung“. Kürzlich wurde im US-Kongress ein Papier der Bundespolizei FBI herumgereicht, das angeblich beweisen soll, dass Joe Biden als Vizepräsident von Burisma mit fünf Millionen US-Dollar entlohnt wurde, im Gegenzug für Beziehungspflege zwischen den USA und der Ukraine. Die Echtheit des Papiers ist nicht bestätigt und hoch umstritten.
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Der Laptop: Im Jahr 2020 blockierte Twitter einen brisanten Bericht über Hunter Biden, später hatte der Fall ein Nachspiel im Kongress. Konkret ging es um einen Artikel der „New York Post“. Das Boulevardblatt hatte damals berichtet, man habe von Trumps damaligem Anwalt Rudy Giuliani eine Kopie der Festplatte eines Laptops erhalten. Diesen habe Hunter Biden 18 Monate zuvor bei einer Computerwerkstatt im US-Bundesstaat Delaware abgegeben und nie abgeholt. Der Artikel auf der Titelseite erhob einen schweren Vorwurf – und berief sich dabei auf E-Mails, die auf dem Laptop gefunden worden seien: Hunter Biden soll demnach ein Treffen ukrainischer Geschäftspartner mit seinem Vater arrangiert haben, als dieser Obamas Vizepräsident war. Die Zeitung veröffentlichte dazu Fotos, die von der Festplatte stammen sollen. Sie zeigen Hunter Biden bei sexuellen Handlungen und beim Konsum harter Drogen.
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Trumps Impeachment: 2019 versuchte der damalige Präsident Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski dazu zu bringen, eine Untersuchung gegen die Bidens einzuleiten. Ein Transkript des Telefonats, das durch einen Whistleblower öffentlich wurde, führte schließlich zu Trumps erstem Impeachment-Verfahren.
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Geschäftsbeziehungen nach China: Auch Hunter Bidens gescheitertes Joint Venture mit dem chinesischen Tycoon Ye Jianming war im Jahr 2013 Gegenstand von Schlagzeilen. Der Chef des Energie-Konglomerats CEFC China Energy, lobbyierte in beiden US-Parteien, schenkte Hunter Biden unter anderem einen großen Diamanten und wurde später wegen Geldwäsche festgenommen und verurteilt.
Biden hat bislang immer zu seinem Sohn gehalten, das dürfte sich auch im Präsidentschaftswahlkampf nicht ändern. Bei Veranstaltungen zeigt er sich gelegentlich mit Hunter an seiner Seite, sein Sohn war in Wahlwerbespots für das Rennen um das Weiße Haus 2020 zu sehen.
Über die schwierigen Lebensphasen seines Sohnes sprach der US-Präsident in der Vergangenheit häufig. Hunter Biden, Yale-Absolvent und Anwalt, war nach eigenen Angaben 15 Jahre drogensüchtig und von Alkohol abhängig. „Ich habe Crack-Kokain auf den Straßen von Washington, DC, gekauft und mein eigenes in einem Hotelbungalow in Los Angeles gekocht“ schrieb Hunter Biden 2021 in seinen Memoiren „Beautiful Things“. Mittlerweile ist er drogenfrei und trocken, wie er in Interviews erklärt.
2022 sagte Joe Biden dem Sender CBS: Sein Sohn leide an „einem Suchtproblem“, er sei aber stolz auf seine Genesungsbemühungen. „Ich liebe ihn und er ist auf einem stabilen Pfad, und das schon seit ein paar Jahren. Ich bin einfach so stolz auf ihn“.
Joe und Jill Biden haben noch eine gemeinsame Tochter, Ashley Biden. 2015 war Joe Bidens zweiter Sohn Beau an einem Hirntumor verstorben. 1972 verlor er seine damalige Ehefrau Neilia Hunter sowie seine einjährige Tochter Naomi bei einem Autounfall.
Mehr: Leitartikel – Trump und Biden sind ein Doppelrisiko für den US-Wahlkampf
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