Bangkok Die USA empfangen Indiens Regierungschef Narendra Modi mit großen Erwartungen: Der Partnerschaft beider Länder seien nach oben keine Grenzen gesetzt, schwärmte Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, in der indischen Presse. Modis am Mittwoch beginnender Besuch in New York und Washington werde zu einem Sprungbrett für die amerikanisch-indischen Beziehungen, prophezeite Ely Ratner, der im US-Verteidigungsministerium die Indo-Pazifik-Politik verantwortet.
Die Indieneuphorie der Biden-Regierung hat einen Grund: Sie sieht das 1,4 Milliarden Einwohner große Land als den stärksten Partner in Asien, um Chinas Machtstreben auf dem Kontinent entschlossen entgegenzutreten – sowohl politisch als auch militärisch.
Modi, der in seiner Heimat unter anderem wegen seines harten Vorgehens gegen Kritiker umstritten ist, soll in Washington deshalb hofiert werden. Geplant ist die nach diplomatischem Protokoll höchste Ehrung eines ausländischen Staatsgastes: ein offizieller Staatsempfang mit Bankett im Weißen Haus und einer Rede Modis vor dem US-Kongress.
Exklusives Besuchsprogramm nur für enge Verbündete
Normalerweise ist in den USA ein derart exklusives Besuchsprogramm in erster Linie für enge Verbündete reserviert – seit Bidens Amtsantritt gab es Staatsempfänge nur für Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Südkoreas Präsidenten Yoon Suk Yeol. Bei der diplomatischen Symbolik soll es aber nicht bleiben: US-Beamte kündigten vor dem Biden-Modi-Treffen „substanzielle Ergebnisse“ an – mit einem klaren Fokus auf die Verteidigungszusammenarbeit. Erwartet wird die Zusage der USA, den militärischen Technologietransfer nach Indien signifikant auszubauen – und Indiens Armee damit zu stärken.
Auf dem Einkaufszettel der Inder steht unter anderem der Erwerb von 30 bewaffneten Kampfdrohnen, die Indien bei der Sicherung der umstrittenen Grenze mit China im Himalaja helfen könnten. Am bedeutendsten ist aber der Plan, Kampfjettriebwerke des US-Herstellers General Electric (GE) künftig mit einem lokalen Partner in Indien zu produzieren.
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Ein entsprechender Antrag liegt der US-Regierung bereits seit Monaten vor – nun ist der Deal laut US-Medien unterschriftsreif. Er wäre für Indiens Rüstungsindustrie von enormer Bedeutung: Sie ist zwar in der Lage, das indische Militär mit lokal hergestellten Kampfflugzeugen zu versorgen – die dafür benötigten Triebwerke muss das Land aber noch im Ausland zukaufen.
Indiens Abhängigkeit von russischen Rüstungsgütern reduzieren
Auch in den USA gilt die geplante Produktionspartnerschaft zwischen GE und Indiens staatlichem Rüstungskonzern Hindustan Aeronautics als großer Schritt: Die Triebwerkstechnologie sei ein strategischer Vorteil der USA, sagte Sicherheitsberater Sullivan vor der erwarteten Verkündung der Kooperation. „Jeder Technologietransfer in dem Bereich ist daher ein Vertrauensbeweis für die strategische Partnerschaft mit einem anderen Land.“
Die engere Zusammenarbeit liegt nicht nur mit Blick auf die gemeinsamen Sorgen vor Chinas militärischer Macht im Interesse beider Länder: Es geht den Regierungen in Washington und Neu-Delhi auch darum, Indiens Abhängigkeit von russischen Rüstungsgütern zu reduzieren. Während sich die USA davon erhoffen, Russlands internationale Isolation auszubauen, will Indien seine Bezugsquellen für Militärtechnik diversifizieren – auch weil die russischen Lieferungen im Zuge des Ukrainekriegs ins Stocken stagniert haben.
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Auch Deutschland will Indien dabei zur Seite stehen: Anfang des Monats erklärte sich Thyssen-Krupp Marine Systems bereit, Know-how beim U-Boot-Bau nach Indien zu transferieren. Im Beisein von Verteidigungsminister Boris Pistorius unterzeichnete Unternehmenschef Oliver Burkhard eine Vereinbarung mit einem lokalen Schiffbaukonzern, der die U-Boote nach den deutschen Konstruktions- und Designvorgaben in Indien bauen soll – vorausgesetzt, die beiden Unternehmen erhalten den Zuschlag der indischen Regierung. Pistorius kündigte zudem Erleichterungen für Indien beim Kauf anderer deutscher Rüstungsgüter an.
„Der Deal könnte Indiens Rüstungsindustrie über Jahrzehnte stärken“
In den USA mahnen Beobachter jedoch zur Vorsicht vor überstürztem Eifer bei Indiens Aufrüstung: Die US-Regierung müsse verstehen, dass Indien kein Verbündeter sei und niemals ein Bündnis mit den USA anstreben werde, kommentiert Daniel Markey, Südasienexperte bei dem United States Institute of Peace. Die aktuell guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern beruhen aus seiner Sicht auf ähnlich gelagerten Interessen mit Blick auf China, das beide Staaten als Bedrohung wahrnehmen.
In anderen Bereichen seien die Unterschiede groß – etwa mit Blick auf Modis zunehmend autoritäre Politik im eigenen Land oder auf Indiens Weigerung, Russlands Invasion der Ukraine zu verurteilen. Indiens Militär mithilfe des Transfers von Triebwerkstechnologie schlagkräftiger zu machen könne den USA zwar kurzfristig nutzen, glaubt Markey. „Der Deal könnte Indiens Rüstungsindustrie aber über Jahrzehnte stärken, was langfristig womöglich nicht im Interesse der USA ist.“
Sullivan will die Bedenken ausräumen
US-Sicherheitsberater Sullivan versuchte vor Modis USA-Besuch, die Bedenken auszuräumen: Die Menschen in Indien und den USA würden einander als natürliche Partner sehen – das helfe, sämtliche Barrieren zu überbrücken.
Ganz so unkritisch ist die öffentliche Wahrnehmung in den USA von Indien unter der Modi-Regierung aber nicht: Menschenrechtler drängen darauf, bei dem Staatsbesuch auch die Streitpunkte zum Thema zu machen – Modi werden unter anderem Rückschritte in der Pressefreiheit und Diskriminierung von Muslimen vorgeworfen. Für Donnerstag planen Aktivisten eine Modi-kritische Kundgebung in der Nähe des Weißen Hauses. Sie wollen dort Flyer verteilen mit der Aufschrift: „Modi Not Welcome“.
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