Brüssel Die Europäische Kommission hat die Haushaltspläne der Euro-Länder für 2023 bewertet – und sieht noch einigen Nachbesserungsbedarf. Insbesondere ruft sie die Regierungen dazu auf, die Energiehilfen stärker auf bedürftige Haushalte und Unternehmen auszurichten.
Deutschland zählt laut der Behörde zu den zehn Ländern, die 2023 eine expansive Fiskalpolitik haben und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen. Die anderen sind Portugal, Belgien, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, Litauen, Lettland, Slowenien und die Slowakei.
Die deutsche Ausgabenfreude manifestiert sich unter anderem im „Doppel-Wumms“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz das jüngste Entlastungspaket genannt hat. Das Paket sieht Energiehilfen von bis zu 200 Milliarden Euro bis zum Jahr 2024 vor.
EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni sagte am Dienstag in Straßburg, die nationalen Haushaltsentwürfe böten ein „gemischtes Bild“. Es sei gut, dass alle Regierungen der Euro-Zone in den grünen Umbau der Wirtschaft und die Energiesicherheit investierten. Aber die meisten Energiepakete verfehlten die Vorgabe, zielgerichtet zu sein.
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Weniger als 30 Prozent der Hilfen sind laut Kommission gezielt auf bedürftige Haushalte und Unternehmen ausgerichtet. Deshalb müssten manche Haushaltsentwürfe dringend überarbeitet werden, sagte Gentiloni.
Deutsche Hilfen liegen im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld
Dahinter steht die Sorge, dass die Regierungen mit ihren Milliardenausgaben nach dem Gießkannenprinzip die Nachfrage stimulieren und die hohe Inflation damit noch anheizen. Dies wiederum erschwert es der Europäischen Zentralbank (EZB), die Teuerungsrate wieder auf den langfristigen Zielwert von zwei Prozent zu drücken. Die Notenbank versucht seit Monaten, mit Zinserhöhungen die Nachfrage zu dämpfen.
EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sagte: „Da wir gegen die Inflation kämpfen, müssen wir sicherstellen, dass die Fiskalpolitik nicht der Geldpolitik widerspricht.“ Deshalb sei es wichtig, die energiepolitischen Maßnahmen zu koordinieren. In der Euro-Gruppe hatten sich die Finanzminister auch bereits mehrfach zu einer neutralen Fiskalpolitik bekannt. Doch fällt es ihnen offenbar schwer, das durchzuhalten.
Laut Kommission entsprechen die Entlastungspakete in diesem Jahr 1,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). 2023 schätzt sie die Ausgaben auf ein Prozent des BIP. Dieser Wert könne aber auf zwei Prozent steigen, wenn Energiemaßnahmen, die im Laufe des Jahres auslaufen sollten, noch bis Ende 2023 verlängert werden. Angesichts dieser Unsicherheit „besteht das Risiko, dass die Fiskalpolitik expansiver ausfällt als erwartet“, warnt die Kommission.
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Gemessen am BIP liegen die deutschen Hilfen im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld. Darauf weist auch Scholz hin, wenn er die Kritik der Partner am vermeintlich überdimensionierten „Doppel-Wumms“ zurückweist. So geben etwa Italien, Spanien, Polen und die Niederlande dieses Jahr prozentual mehr aus als die Bundesregierung. Im kommenden Jahr allerdings liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt.
Missverhältnis in Berlin
Vor allem gibt es in Berlin ein klares Missverhältnis zwischen gezielten und ungezielten Hilfen: Die gezielten Hilfen hätten 2023 einen Umfang von 0,1 Prozent des BIP, erklärt ein EU-Beamter. Die ungezielten Hilfen hingegen, die als potenzielle Inflationstreiber gelten, seien mit 1,7 Prozent des BIP deutlich größer.
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Ökonomen sehen die Haushaltsplanung in der Euro-Zone ebenfalls skeptisch. Eine Koordinierung der Fiskalpolitik sei nicht zu erkennen, kritisierte Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), am Montag bei einer Veranstaltung in Brüssel. Insbesondere das deutsche Entlastungspaket werde bei den Partnern negativ gesehen.
Auch in der EZB regt sich Kritik. „Das Letzte, was die Euro-Zone gebrauchen kann, ist ein Nachfrageschub“, sagte Fédéric Holm-Hadulla, Leiter der Abteilung Politikbewertung. Deshalb sei es wichtig, dass die Energiehilfen zielgerichtet seien.
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