Jul 4, 2023
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Strategie: Ampel will Abwärtstrend der maritimen Wirtschaft stoppen

Written by Daniel Delhaes


Berlin Mit einem 66 Punkte umfassenden Maßnahmenpaket will die Ampelkoalition der Sorge entgegentreten, dass die zunehmende Dominanz asiatischer Staaten beim Schiffsbau, in der Wasserstraßen-Infrastruktur und bei Energietransporten über das Meer die deutsche Wirtschaft in neue Abhängigkeiten bringt. Deshalb will sie die heimische maritime Wirtschaft stärken und in die Lage versetzen, bei der Energiewende eine entscheidende Rolle zu spielen.

Geht es nach SPD, Grünen und FDP, dann soll der Staat zentraler Akteur bei der Ertüchtigung der maritimen Wirtschaft werden. So steht es in einem Antrag, den die Fraktionen am Dienstagabend beschlossen haben. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor. „Der Antrag ist ein ambitionierter Auftrag an die Bundesregierung“, sagte Felix Banaszak von den Grünen.

Die Ampel schlägt unter anderem vor, eine „klimaneutrale Bundesflotte“ aufzubauen. Die Bestellungen sollen helfen, die Transformation im Schiffbau voranzutreiben. International will sich die Ampelkoalition dafür einsetzen, dass die Schifffahrt bis 2050 klimaneutral wird. Vermutlich wird dies mit Wasserstoff geschehen. Bisher sind alternative Antriebe sehr teuer, weshalb der Umstieg kaum erfolgt.

Werften: Energiewende birgt Billionen-Potenzial

Die maritime Wirtschaft in Deutschland hat sich gewandelt. Inzwischen dominieren Zukunftsängste. Viele Werften fielen in den vergangenen Jahren mehr durch existenzbedrohende Finanzprobleme als durch neue Großaufträge auf. Nach Angaben des Verbands Schiffbau und Meerestechnik (VSM) ging im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte aller Aufträge für zivile Schiffe nach China. Weitere fast 40 Prozent der Aufträge erhielten Werften in Südkorea. Damit steigt die Abhängigkeit der europäischen Schifffahrt.

Den Abwärtstrend will die Regierungskoalition stoppen. „Wir wollen möglichst viel heimische Wertschöpfung bei uns im Land halten“, sagte Dieter Janecek (Grüne), maritimer Koordinator der Bundesregierung, dem Handelsblatt. Schließlich gibt es in den kommenden Jahren viel Geld im Bereich Energie zu verdienen: So rechnet die Bundesregierung damit, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten mehr als 400 Gigawatt Offshore-Windleistung in Nord- und Ostsee in Europa installiert werden. „Damit verbunden ist ein gigantisches Investitionsvolumen von bis zu einer Billion Euro“, sagte Janecek.

Containerschiff kommt im Hamburger Hafen an

Auch die deutschen Häfen liegen im internationalen Vergleich zurück.

(Foto: IMAGO/Nikito)

So gilt es, etwa riesige „Konverterplattformen“ auf dem Meer zu fertigen. „Wir wollen möglichst viel heimische Wertschöpfung bei uns im Land halten“, sagte Janecek. In Deutschland liegt das gesetzlich festgelegte Ausbauziel für die Offshore-Windenergie bei 40 Gigawatt bis 2035. Bereits ausgewiesen sind Flächen in Nord- und Ostsee für bis zu 36,5 Gigawatt an neuer Leistung. Die Ampel will nun noch mehr Tempo machen und weitere Flächen für zehn Gigawatt Leistung ausweisen.

Häfen: Gegen den Abwärtstrend

Neben der Schiffsindustrie nimmt die Koalition auch die Häfen in den Blick. Zuletzt hatten die Parteien heftig gestritten, ob – angesichts der neuen geopolitischen Lage – die chinesische Staatsreederei Cosco sich an einem Terminal im Hamburger Hafen beteiligen sollte.

>> Lesen Sie hier: Bundesregierung erlaubt chinesischer Reederei Cosco Beteiligung an Hamburger Terminal

Viele Häfen gelten als kritische Infrastruktur. Ebenso hat sich gezeigt, dass sie wichtig sind, um das Land mit Energie zu versorgen. So wurden Schiffe für Flüssiggas-Transporte (LNG) gechartert, um russische Gaslieferungen zu ersetzen. Ebenso entstanden rasch erste Terminals.

Die Fraktionen schlagen vor, an den deutschen Häfen dauerhaft die notwendige Infrastruktur zu schaffen, um Gas, Wasserstoff und andere Energieträger zu importieren und zu lagern. „Unsere Häfen können die Drehscheiben eines erneuerbaren Energiesystems werden“, sagte Banaszak.

>> Lesen Sie hier: CDU und CSU wollen die Schiffsproduktion in Europa schützen

Den Bau will die Koalition finanziell fördern. „Unser Antrag ist der Startschuss, um die politischen Rahmenbedingungen an die neue Lage in der Welt anzupassen“, erklärte Hagen Reinhold, maritimer Sprecher der FDP.

Die Häfen benötigen neuen Schwung. Die deutschen Seehäfen – allen voran Hamburg – verlieren zunehmend Marktanteile an die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen. Auch die polnischen Häfen und jene im Mittelmeer machen den heimischen Seehäfen zu schaffen.

Grafik

2022 sank hierzulande der Güterumschlag mit insgesamt 279,1 Millionen Tonnen um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, die Häfen schlugen 6,3 Prozent weniger Container um. Gemessen am Vorkrisenniveau des Jahres 2019 war die Tonnage um 4,9 Prozent rückläufig. Insbesondere die fehlenden russischen Schiffstransporte über die Ostsee treffen die deutschen Häfen.

Sicherheit: Einrichtung einer gesamtdeutschen Küstenwache

Neben Faktoren rund um die Wirtschaftssicherheit geht es im Antrag der Ampel auch um die Frage, wie sie die Sicherheit in der maritimen Infrastruktur gewährleisten kann. Seit den Anschlägen auf die Nord-Stream-Gaspipelines besteht die Sorge, dass es weitere Anschläge auf andere Pipelines geben könnte, was die hiesige Energieversorgung gefährden würde.

>> Lesen Sie hier: Drei Reeder-Kartelle verdienen Milliarden an Lieferengpässen – und die EU schaut zu

Deshalb schlägt die Ampel vor, eine „Deutsche Küstenwache“ zu schaffen. Darin würden die Einheiten von Bund und Küstenländern zusammengeführt. Zudem müsse der Schutz maritimer kritischer Infrastrukturen behördenübergreifend organisiert werden, etwa im Maritimen Sicherheitszentrum (MSZ) in Cuxhaven.

An diesem Freitag will der Bundestag über den Antrag der Koalition beraten und ebenso über einen Antrag von CDU und CSU. Unter den 95 Punkten der Opposition findet sich etwa die Forderung, europäische Förderprogramme zum Bau neuer Schiffe an „verbindliche Wertschöpfungsklauseln oder Klauseln zur Produktion in der EU“ zu koppeln und mit Bürgschaften Großaufträge abzusichern.

Mehr: Lindner spart am Schienennetz der Bahn – Vorstand spricht von „Desaster“



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