Berlin Die 2019 gescheiterte Infrastrukturabgabe, auch als „Ausländer-Maut“ bekannt, kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. 243 Millionen Euro wird der Bund den ehemaligen Auftragnehmern für den Aufbau und Betrieb des Pkw-Mautsystems zahlen müssen. Dies teilten die Unternehmen CTS Eventim und Kapsch Trafficcom AG über ihr Joint Venture, die Autoticket GmbH, mit. „Die Gremien der Parteien haben dem Vergleichsvorschlag des Schiedsgerichts zugestimmt“, hieß es in einer Mitteilung. Die Gesellschaft erwarte nun eine entsprechende Schadenersatz- und Entschädigungszahlung des Bundes.
Zuvor hatte ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums den Haushaltsausschuss des Bundestags über den Vergleich informiert. Die Vereinbarung war bis dahin streng geheim gehalten worden.
Mit der Einigung legen der Bund die Unternehmen nach gut vier Jahren ihren Streit bei. Eventim und Kapsch hatten ursprünglich 560 Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Wie es hieß, wollten die Unternehmen aber keinen Dauerprozess führen.
Angesichts dessen seien Eventim und Kapsch bereit gewesen, von ihrer ursprünglichen Forderung deutlich abzurücken. Im Sommer 2022 hatte Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg bereits im Interview mit dem Handelsblatt erklärt: „Es ist doch nicht unser Geschäft, Schadenersatzprozesse zu führen. Wir möchten Projekte realisieren und uns nicht streiten.“
Die Geschichte der Pkw-Maut geht damit unrühmlich zu Ende. 2013 im Bundestagswahlkampf von der CSU lautstark gefordert, hatten die Minister Alexander Dobrindt und später Andreas Scheuer (beide CSU) versucht, eine bundesweit auf allen Fernstraßen fällige Pkw-Maut durchzusetzen. Ende 2018 hatte Scheuer dazu mit den Unternehmen vertraglich vereinbart, bis Oktober 2020 ein System aufzubauen und für zwölf Jahre zu betreiben.
Projektgesellschaft sollte 2,1 Milliarden Euro verdienen
Die Projektgesellschaft „Autoticket“ sollte dafür 2,1 Milliarden Euro erhalten. Gut eine halbe Milliarde Euro netto pro Jahr sollte der Bund laut Verkehrsministerium mit der Maut einnehmen – vor allem von ausländischen Fahrzeughaltern. Gegen das Vorhaben hatte aber Österreich mit Hilfe der Niederlande vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt – und bekam im Sommer 2019 recht.
Daraufhin hatte Scheuer alle Verträge binnen 24 Stunden gekündigt – ohne mit den Unternehmen über eine anderweitige Lösung zu sprechen. So wären die Unternehmen etwa bereit gewesen, das geplante Mautsystem in Richtung einer Klimamaut umzubauen. Auch hatten sie bereits 2018 angeboten, zunächst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten und erst dann die Verträge zu unterschreiben. Entsprechende Erkenntnisse hatte ein nach dem Scheitern der Maut eingesetzter Untersuchungsausschuss des Bundestags gebracht.
Scheuer aber war überzeugt, dass das Gericht zugunsten der deutschen Mautpläne entscheiden werde. „Er wollte den Vertrag so schnell wie möglich“, erinnerte sich Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg.
Nachdem die Unternehmen aus dem Vertrag Schadenersatz abgeleitet und gefordert hatten, rief der Bund das Schiedsgericht an. Im März 2022 entschied das Gericht, dass die von Kasch und CTS Eventim angemeldeten Ansprüche „dem Grunde nach bestehen“. Seither hatten beide Seiten darüber gestritten, welche Forderungen in welcher Höhe konkret berechtigt sind. Dabei kam es auch zu einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin, vor dem die Unternehmen Unterlagen des Bundes einforderten, um ihre Ansprüche zu untermauern.
Eine neue Einnahmequelle hilft Finanzminister Lindner
Michael Blum, Geschäftsführer der Autoticket, erklärte: „Wir hätten eine modifizierte Umsetzung der Pkw-Maut als Klima-Abgabe für deutsche und gebietsfremde Fahrzeughalter einer streitigen Auseinandersetzung vorgezogen. Dennoch begrüßen wir die Beendigung des Verfahrens durch den vom Schiedsgericht vorgeschlagenen Vergleich. dies führe zu einer „effizienten“ Beilegung des Rechtsstreits.
Der nun gefundene Kompromiss dürfte für Finanzminister Christian Lindner (FDP) keine größeren Probleme bedeuten. Der Bundestag soll bis Oktober ein Gesetz beschließen, mit dem die LKW-Maut künftig um eine Öko-Komponente ergänzt wird. Dies sorgt dafür, dass der Bund ab Dezember 2023 gut doppelt so viel Maut kassieren wird wie bislang. Das Geld für den Monat Dezember ist im aktuellen Haushalt nicht verplant, so dass rund eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung steht.
Damit lässt sich der Schadenersatz von 243 Millionen Euro bezahlen. Hinzu kommen noch die Anwaltskosten, die sich bereits bis zum Sommer des vergangenen Jahres auf 21,5 Millionen Euro beliefen und zum Ende bei rund 30 Millionen liegen dürften.
Offen ist noch ein zweites Schiedsverfahren rund um die Pkw-Maut. Dabei geht es um den Vertrag zur Kontrolle von Mautprellern, den Kapsch geschlossen hatte. Bei dem Streit mit dem Bund geht es um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Um diese Rechnung im Zweifel zu begleichen, dürften die neuen Mauteinnahmen im Dezember ebenfalls ausreichen.
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